Unterwegs mit dem Griechischen Roten Kreuz auf Lesbos: Die ehrenamtlichen Helfer fahren in ihrem Kleinbus die nördliche Küste der Insel ab und halten Ausschau nach Flüchtlingen. Die Autositze sind in Rettungsdecken eingepackt, damit sie auch nach dem Einsatz trocken bleiben. Es dauert nicht lange, da entdecken die Helfer ein Schlauchboot, das auf die Küste zukommt. Sofort halten sie an. Teamleiter Vasilis Hatzopoulos erklärt:
"Das Boot ist bei schwierigen Witterungsbedingungen unterwegs - Windstärke 5 oder 6. Wir werden versuchen die Flüchtlinge zum nächstgelegenen Strand zu lotsen, denn hier, wo wir uns gerade befinden, sind Felsen. Sie sehen, der, der das Boot navigiert, hat wirklich keine Ahnung, von dem, was er da macht."
Tatsächlich treibt das Schlauchboot hin und her, bis es doch noch auf den Strand zusteuert. Hatzopoulos und die anderen ehrenamtlichen Helfer springen ins Wasser und versuchen, das Boot unter Kontrolle zu bekommen. Einige Flüchtlinge schreien vor Freude.
Während es die gesunden Erwachsenen alleine aus dem Boot schaffen, tragen die Helferinnen und Helfer des Roten Kreuzes Kinder und Kranke an Land. Dort warten schon Mitglieder anderer Hilfsorganisationen, teilen Rettungsdecken aus und versorgen die Flüchtlinge – wenn nötig - medizinisch. So eine klare Arbeitsteilung ist nicht immer selbstverständlich, weiß Hatzopoulos.
"Am Anfang wollen alle in ihrem Eifer ins Wasser springen, um die Flüchtlinge zu retten. Doch das Meer ist gefährlich. Sie können an Land viel mehr leisten. Es ist besser, die Rettungsarbeit im Wasser denen zu überlassen, die wissen, was zu tun ist. Sonst müssen wir uns auch noch um die kümmern, die sich selber in Gefahr gebracht haben."
Andonis Sofiadelis ist Chef der griechischen Küstenwache auf Lesbos. Auch er kann zur Genüge Geschichten erzählen von halsbrecherischen Aktionen einiger ehrenamtlicher Helfer.
"Es ist zum Beispiel schon mal vorgekommen, dass Personen mit ungeeigneten Schlauchbooten Flüchtlinge retten wollten. Das können wir als Küstenwache natürlich nicht verantworten. Deshalb prüfen wir gerade alle Organisationen, die auf Lesbos tätig sind; wir schauen, was für ein Training die Personen hinter sich haben, so dass wir bald wissen, mit wem wir zusammenarbeiten können und mit wem nicht."
Mit dieser Auswertung wolle der Staat auch überprüfen, was die NGOs tatsächlich leisteten, sagt Sofiadelis. Denn nicht jede Organisation sei tatsächlich hier, um zu helfen:
"Einige der Organisationen versuchen die Flüchtlingskrise auszunutzen, um zu profitieren. Sie machen durch ihre Anwesenheit auf der Insel Werbung für ihre Arbeit, um dann Unsummen von Spendengeldern zu kassieren, von denen man nicht weiß, wohin sie wirklich gehen."
Mit denen aber, die erwiesenermaßen helfen, arbeite die Küstenwache gerne zusammen, sagt Sofiadelis. Am liebsten aber hätte er mehr professonielle Helfer, keine ehrenamtlichen. Zwar sei die Küstenwache auf Lesbos mittlerweile durch Kollegen von anderen Inseln verstärkt worden und sie werden in ihrer Arbeit von der EU-Grenzschutzagentur Frontex unterstützt, aber mit bis zu 120 Flüchtlingsbooten am Tag stießen seine Männer oft an ihre Grenzen.
Einige Inselbewohner betrachten die Hilfe mit Skepsis
Die plötzliche Anwesenheit so vieler NGOs auf der Insel stört auch einige Einheimische. So wie Stratis Kaitatzis. Der 62-Jährige lebt in einem kleinen Dorf im Norden der Insel. Von den unzähligen Gruppen auf Lesbos hat er die Nase voll.
"Oft sind dreihundert Menschen im Einsatz um ein Boot mit zwanzig Flüchtlingen an Land zu holen. Sie rasen wie die Verrückten mit ihren Autos durch unsere Straßen, das ist richtig gefährlich. Ich rede nicht von allen. Es gibt durchaus seriöse Organisationen. Aber andere, naja... Die tun und lassen, was sie wollen."
Dass der griechische Staat zweifelhafte Organisationen aussortiert und die Zusammenarbeit mit den anderen intensivieren will, findet Kaitatzis gut. Endlich werde die Spreu vom Weizen getrennt, sagt er. Und vielleicht kehrt auch in seinem Fischerdorf bald etwas mehr Ruhe ein.