Eine Farbrolle in der einen, die andere Hand an der langen Alu-Leiter steht Harald Höppner in drei Meter Höhe und lackiert die großen weißen Buchstaben auf dem Schiffsrumpf. Die "Sea-Watch", ein 100 Jahre alter Fischkutter, liegt trocken, auf einer kleinen Werft in Hamburg-Finkenwerder. Kurz vor der Taufe des Schiffs verpassen ihm Höppner und drei seiner Mitstreiter den letzten Schliff. Der Brandenburger Unternehmer klettert die Leiter hoch, macht Pause an Deck. Überall liegt noch Werkzeug. Sägen, Hammer, Schleifpapier, Kabeltrommeln.
"Im Moment ist das eine ziemlich große Baustelle. Wir haben hier einen Salon, wo man drin sitzen kann. Das Steuerhaus dahinter. Und acht Kojen. Jetzt nicht besonders groß, aber immerhin noch mehr Platz als in einem Wohnmobil. Und man hat ja auch draußen viel Platz. Man kann ja im Sommer sowieso draußen sitzen und aufs Dach gehen und das Wetter ist ja schön im Mittelmeer im Sommer."
Das Mittelmeer ist das Ziel der Sea-Watch. Höppners Idee: Vor der Küste Libyens will er mit seiner Crew Ausschau nach Flüchtlingen in Seenot halten. An Bord der 21 Meter langen Sea-Watch ist zwar kaum Platz für Schiffbrüchige. Helfen kann die Besatzung trotzdem, erklärt Höppner:
"Wir haben insofern darauf vorbereitet, dass wir mehrere Rettungsinseln gekauft haben. Insgesamt können wir auf unseren Rettungsinseln 500 Menschen unterbringen. Wir werden um die 200 Schwimmwesten dabei haben, die wir aushändigen können. Und wir haben auch noch Rettungsringe dabei. Wir haben UKW-Funk, Kurzwellenfunk. Und wir werden dort hinfahren, wo die Not am größten ist und werden dann diejenigen ranrufen, die die professionelle Arbeit erledigen können. Das ist die Küstenwache, das sind umliegende Schiffe, vielleicht sogar auch Frontex..."
"Die ertrinken unter anderem auch an der deutschen Grenze"
Frontex ist der Name der europäischen Grenzschutzagentur. Und die, erklärt Harald Höppner auf einer Holzbank an Deck, würde sich eben in erster Linie um den Schutz der EU-Außengrenzen kümmern und nicht um die Rettung Schiffbrüchiger. Bis November letzten Jahres gab Italien rund 9 Millionen Euro aus, um mit großem Erfolg Menschen in Seenot zu retten. Der Appell der Italiener, diese Aufgabe mit EU-Mitteln, zu unterstützen, lehnten die Regierungschefs der Mitgliedsländer ab. Mit drastischen Folgen, warnt die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl: Noch mehr Flüchtlinge als bisher werden auf ihrem Weg nach Europa sterben. Im letzten Oktober fasste der Brandenburger Harald Höppner seinen Entschluss, diesem Sterben nicht länger zu zu schauen. Im Fernsehen liefen die Bilder von den Feiern zu 25 Jahren Deutscher Einheit. Höppner hörte die Festreden: die Erleichterung über den Mauerfall, die Erinnerungen an die Mauertoten an der innerdeutschen Grenze. Und zog daraus seine eigenen Schlüsse:
"Die EU-Außengrenze ist ja im Wesentlichen ein Staatsverbund von vielen Ländern. Und deshalb kann man das auch ein bisschen umformulieren. Ich sage gerne: Die Menschen, die ertrinken nicht an der EU-Außengrenze, die ertrinken unter anderem auch an der deutschen Grenze. Und jedes Jahr sterben Tausende Menschen an der deutschen Außengrenze! Und an der französischen Außengrenze. Können wir sie alle aufzählen, die Länder. Und wenn man das versteht, dann kann man - zumindest ich - einen Willen entwickeln - auch alle Jungs, die hier auf dem Schiff arbeiten - die haben auch diesen Willen, dagegen was zu machen. Und tun's auch! Hier. Jeden Tag!"
"Greenpeace hat auch mal klein angefangen"
Vor vier Monaten, erzählt der dreifache Familienvater, hätte er nicht im Traum daran gedacht, jemals ein Schiff zu kaufen. Dann, nach seinem Entschluss, überzeugte Höppner erst seine Frau und weitere Freunde. Für 60.000 Euro aus seinen Ersparnissen kaufte er den Kutter. Angeleitet von erfahrenen Skippern, die er von seiner Idee begeistern konnte. Mittlerweile unterstützen ihn Kapitäne, Mediziner und Rechtsanwälte. Ein Team von insgesamt 200 Menschen. Harald Höppner hofft, dass sein Beispiel Schule macht. Dass es die Politik aufrüttelt, wenn die Bilder der ersten Rettungsaktionen Deutschland erreichen.
"Vielleicht ist es auch ein Anfang von einer zivilen Seenot-Rettung im Mittelmeer. Greenpeace hat auch mal klein angefangen!"
Im Mai soll die Sea-Watch den Hafen von Malta erreichen. Dann, wenn der Einsatz beginnt, hofft Höppner, wird die Berliner Politik begreifen, was man gegen das Sterben im Mittelmeer unternehmen kann. Wenn man nur will.