Zuhair hat inzwischen mehr als sein halbes Leben in Deutschland verbracht, 2015 kam er mit seinen Eltern aus Syrien. Der Siebenjährige besucht die zweite Klasse. Schreiben üben ist sichtlich nicht sein Ding. Katharina Kruppenbacher, Sprachwissenschaftlerin im Zweitstudium fürs Lehramt, blickt in sein Heft:
"So, dann fangen wir mal an: Was hast du schon geschrieben?" "Hupen!" Mäßig motiviert übt Zuhair, mit den Buchstaben auf der Zeile zu bleiben. Sein Anreiz: Das Drachenbuch, das auf dem Tisch liegt.
"Als erstes danach mache ich Lesen!" Abwechselnd mit der angehenden Lehrerin will der aufgeweckte Junge das Buch lesen. "Ja, natürlich, aber jetzt schreiben wir erst mal zu Ende."
Katharina Kruppenbacher hat Geduld, und wenn Kinder aus dem persischen und arabischen Sprachraum Vokale weglassen, dann weiß die Sprachwissenschaftlerin, dass das mit deren Muttersprachen zu tun hat. Zuhairs Eltern haben in den vergangenen Jahren erst Deutsch gelernt. Ihre beiden Kinder im Grundschulalter können sie zuhause nicht so fördern, wie das die Jugenheimer Initiative zweimal in der Woche tut. Perla besucht mit Zuhair die zweite Klasse:
"Perla ist erst ein Jahr da und spricht schon hervorragend." Die Siebenjährige, die mit ihrem Vater und zwei Geschwistern aus Syrien kam, braucht viel Zuwendung, beobachtet Sabine Klein, Initiatorin der Lernförderung. Auch das ist ein Aspekt dieses Projekts. Perla hat hier Selbstvertrauen getankt. Gefragt nach ihrem Berufswunsch, formuliert sie hohe Ziele:
"Ich mag Doktor sein oder Lehrerin, weiß ich nicht."
Sechs Lehrkräfte für zwölf Kinder – das heißt: wer enge Begleitung bei den Hausaufgaben oder beim Lernen für Klassenarbeiten braucht, kann eins zu eins betreut werden. Vier ältere Grundschülerinnen helfen sich gegenseitig und brauchen nur einen Erwachsenen, der sporadisch schaut. Kim Scheibe lernt in dieser Mädchengruppe, ihr Vater Volkmar sagt:
"Bei Mathe braucht man manchmal so einen Hinweis, dass es Klick macht."
Finanziert vom Bund
Kim zur Nachhilfe in die Nachbarstadt zu fahren, darauf wäre ihr Vater nicht gekommen. Von dem kostenlosen Angebot, finanziert aus der Integrationspauschale des Bundes, erhofft er sich, dass seine Tochter den Übergang auf die weiterführende Schule leichter schafft:
"Sie kommt ja in die 5. Klasse dann. Das wird ja dann mehr, und dann ist sie gut vorbereitet für später. Es tut ihr gut, hier so in der Gemeinschaft, das ist schon eine feine Sache."
Vom gemeinsamen Lernen der vergangenen sechs Monate haben alle profitiert, so die Zwischenbilanz der Lehrkräfte. Besonders Younis, der mit Mutter und Schwester aus Afghanistan floh:
"Ich komme her, um bessere Noten zu schreiben. Ich melde mich mehr. Ja, ich lerne sehr viel."
Jan-Claudius Günther, im Hauptberuf Zweitsprachen-Lehrer an einer Mainzer Realschule plus, ermuntert den 13-Jährigen:
"Du darfst stolz sein, Younis, du hast doch gut gearbeitet. Die letzte Mathearbeit war eine drei. Also müssen wir gucken, dass wir bei der drei bleiben und nicht wieder eine fünf schreiben, wie beim vorletzten Mal."
Günther betrachtet das Projekt als willkommenes Testfeld:
"Also, ich profitiere als Lehrer durchaus davon, weil ich ganz verschiedene Ansätze ausprobieren kann und in der Kleingruppe ausprobieren kann, was ich dann später auch in meiner Klasse ausprobiere, weil ich merke, es hat funktioniert."
Kopfrechnen mit zwölf bis und zwanzigseitigen Würfeln hat sich bewährt, findet der Lehrer, dieses Training will er jetzt auch seinen Mainzer Realschülern anbieten.