"Sophie! Das gehört Sophie! Sophie steht da drauf! Und wo ist dein Kamm? Wo steht Esron? Da ist Esron, da steht Esron drauf!"
Esron: "Mein Name!"
Im Jenaer Kindergarten "Regenbogen" sollen sich die Kinder zum Mittagsschlaf fertigmachen: Matten und Decken auslegen, Schlafanzug anziehen, Zähne putzen. Esron, ein Vierjähriger mit dunkler Haut, sucht seinen Kamm, sein Handtuch, seinen Ort in diesem Bad, in dieser Kita, in dieser Welt und die Worte dafür. Er und die 13 anderen Flüchtlingskinder in der Kita im Neubaugebiet Jena-Lobeda bekommen zwei Mal wöchentlich gesonderten Sprachunterricht.
Nicole Schlodowitzki: "Die warten schon! Es geht los. Hallo!"
"Nicht mal die Nia!"
Nicole Schlodowitzki sammelt zwischen Zähneputzen und Mittagsschlaf die 8 Kinder ihrer Sprachfördergruppe zusammen. Kinder aus Syrien, aus dem Irak, aus dem Kosovo, aus Russland und Kurden.
"Die Nia heute nicht. Nia ist nächste Woche wieder mit dran. Immer schön abwechseln. Ayat, stopp! Wir müssen noch die Kinder von drüben holen."
"Begonnen habe ich in Kleingruppenförderung, das heißt, 2-3 Kinder, die Sprache aufzubauen, Vertrauen erst mal aufzubauen, dann die Sprache. Und da habe ich die Gruppen dann daraufhin zusammengestellt. Deswegen ist es ganz multikulti und bunt."
Nach dem Begrüßungslied die erste Übung: Nacheinander deckt jedes Kind eine Karte auf, benennt den Gegenstand darauf und spricht das Wort rhythmisch in Silben.
Sarah: "Ei-ne Ga-bel."
Nicole Schlodowitzki: "Sehr gut!"
Alle: "Ga-bel."
30 Minuten Spiel-Sprach-Unterricht
Frühe Sprachförderung gilt als Schlüssel für gute Bildung und damit auch für schnellere Integration – für die Kinder und für deren Eltern.
Die 6-jährige Ayat deckt eine Giraffe auf: "Rasela! Das auf Arabisch heißt Rasela!"
Nicole Schlodowitzki: "Wir klatschen Rasela."
Alle: "Ra-se-la."
Nicole Schlodowitzki: "Und auf Deutsch heißt das Giraffe."
Alle: "Gi-raf-fe."
Die drei Arabisch sprechenden Mädchen sind schon weit in ihrem Deutsch und haben sichtlich Freude daran, ihre Erzieherin an der korrekten Aussprache der arabischen Worte scheitern zu lassen.
"Aber das brauchen die Kinder, die Bestätigung, weil sie merken, dass ich das auch erst lernen muss, ihre Sprache, bzw. das nicht immer so korrekt ausspreche. Und das ermutigt sie, auch die deutsche Sprache weiter zu üben und da dran zu bleiben, um verstanden zu werden, um selber verstehen zu können."
Nach einer halben Stunde ist die Spiel-Sprach-Runde vorbei. Alle Erzieherinnen der Einrichtung haben eine einjährige Fortbildung "alltagsorientierte Sprachentwicklung" absolviert. Nicole Schlodowitzki ist ausschließlich zur Sprachförderung angestellt, finanziert vom Programm "Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist" des Bundesfamilienministeriums.
Mehr Geld für den Kita-Bereich benötigt
Ein im vergangenen Jahr ausgelaufenes Förderprogramm war jedoch umfangreicher, sodass Jena heute für all seine Kitas nur noch über 6 statt 13 halbe Stellen zur Sprachförderung verfügt. Und das, wo im vergangenen halben Jahr 90 Flüchtlingskinder in die Kindergärten Jenas aufgenommen wurden, meint Christine Wolfer, Fachdienstleiterin im Jugendamt der Stadt:
"Jetzt, wo der Bedarf sich noch potenziert hat, wo es eigentlich noch dringlicher wäre, da Unterstützung zu leisten, ist es weniger geworden. Aber der Appell wäre, da noch einmal deutlich Unterstützung anzubieten."
Nicht nur zum Spracherwerb, sondern für die ganz normale Arbeit brauche sie mehr Kindertagesstätten, mehr Gruppen, mehr Erzieher. Einiges sei da in Arbeit, aber ohne mehr Geld vom Land oder Bund werde es nicht mehr lange möglich sein, jedem Kind, ob einheimisch oder Flüchtling, einen Kita-Platz zu garantieren, geschweige denn Sprachförderung zu ermöglichen. Mehr Geld fordert auch die Migrationsbeauftragte des Freistaats Thüringen, Mirjam Kruppa:
"Das ist die Frage: Wo soll das Geld herkommen? Aber es muss bereitstehen! Denn wenn wir uns die große Aufgabe der Integration zu Eigen machen, auch vom Land, und sagen, wir möchten bestmögliche Voraussetzungen schaffen für die Integration, gehört der Kita-Bereich dazu, als erster und wesentlicher Baustein."
Außerdem sollten noch mehr Flüchtlingskinder Kindergärten besuchen – für eine schnellere Integration. An Thüringer Erstaufnahmeeinrichtungen wird deshalb nun eine Broschüre in sechs Sprachen verteilt, in der erklärt wird, wie das System Kindergarten funktioniere.