Was ist nun mit dem Plan, syrischen Flüchtlingen in Zukunft nur noch eingeschränkten Schutz zu gewähren und ihnen das Recht zu nehmen, Familienangehörige nachzuholen? Ein Vorhaben mit potentiell enormen Auswirkungen auf mögliche Zuzugszahlen in den kommenden Jahren. Peter Altmaier, Flüchtlingskoordinator und Chef des Bundeskanzleramts stellt heute Morgen im Interview der Woche im Deutschlandfunk klar:
"Das war eine Diskussion vorgestern, am Freitag, die inzwischen auch schon wieder beigelegt ist."
Von wegen. Die Diskussion darüber ist alles andere als beigelegt. In der Union nicht, in der SPD nicht, auch nicht in der Opposition und schon gar nicht in den Medien. Was genau hat wer, wann, mit wessen Zustimmung oder Kenntnis wann entschieden? Die Anweisung wurde Anfang der Woche auf Abteilungsleiterebene als mündlicher Erlass vom Innenministerium an das Bundesamt für Flüchtlinge gegeben, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Peter Altmeiers Erklärung passt dazu:
"Es war bekannt, dass es eine Debatte darüber gibt, ob man es ändern soll. Und dass es bereits geändert war, das wussten die Beteiligten beim Bundesamt und im Bundesinnenministerium."
Aber wer wusste es noch? Wusste er selbst davon? Altmaier überlegt:
"Na ja, wenn die beiden es wussten und ich persönlich habe es nicht gewusst."
Insgesamt, so Altmaier, werde diesem Punkt zu viel Bedeutung beigemessen. Entscheidend sei doch, dass sich Thomas de Maizière am Freitagabend schnell korrigiert habe. Er selbst habe dafür gesorgt:
"In diesem Augenblick hat dann auch der Flüchtlingskoordinator die Aufgabe, mit den Beteiligten zu sprechen und das hat ja auch zum Erfolg geführt."
Das Verhalten des Bundesinnenministers will Peter Altmaier nicht kommentieren. Es sei nicht seine Aufgabe, gute oder schlechte Zensuren zu verteilen, sagte er wörtlich. Andere haben damit keine Probleme. De Maizière steht auch heute im Zentrum der Auseinandersetzung. Schon gestern hatte SPD-Vize Ralf Stegner wachsende Ungeduld mit der Amtsführung des Innenministers gezeigt, sprach von Schnapsideen und einer miserablen Vorstellung de Maizières.
Die Opposition stimmt in Stegners Kritik ein, hier Anton Hofreiter, Fraktionschef der Grünen und Jan Korte, Abgeordneter der Linkspartei zu ZDF und ARD:
"Es steht zu befürchten, dass der Vorschlag von Herrn de Maizière nur auf Eis liegt, aber es zeigt die Zerrissenheit der Union. Und Herr de Maizière soll anstatt jeden Tag eine neue Sau durchs Dorf zu treiben endlich anfangen zu arbeiten."
Streit wirklich beigelegt?
"In dieser Frage stellt er sich ja wirklich definitiv gegen die Kanzlerin, gegen den Koalitionspartner und deswegen ist das wirklich die entscheidende Frage, wie lange sich de Maizière noch im Amt halten kann."
Auf Eis gelegt? Die Opposition fragt zu Recht, ob die Schutzeinschränkungen für Flüchtlinge aus Syrien wirklich vom Tisch sind. Denn Thomas de Maizière hat zwar am Freitagabend seine konkreten Pläne für's erste zurückgenommen, doch die waren wohlüberlegt und hatten eine einfache inhaltliche Grundlage, die der Innenminister dem Deutschlandradio am Freitag in wenigen Worten so erklärte:
"Wenn wir jetzt 800.000 plus X haben, dann können wir die Zahl nicht verdreifachen durch Familiennachzug. Dafür muss ich einfach um Verständnis bitten."
Und de Maizière bleibt bei dieser Meinung, auch nach Freitag Abend, das machte er in einem Interview mit n-tv deutlich, dass gestern autorisiert und heute online gestellt wurde. Und er hat Mitstreiter in der Schwesterpartei. Die CSU ist seit gestern dabei, den Bundesinnenminister in der Sache voll und öffentlich zu unterstützen. Wir müssen reden, sagen die Christsozialen, hier Generalsekretär Andreas Scheuer zum ZDF:
"Für die CSU ist nichts vom Tisch. Thomas de Maizière hat Recht, wenn er sagt, dass die syrischen Bürgerkriegsflüchtlinge einen anderen Schutzstatus bekommen sollen, nämlich, dass der Aufenthalt zeitlich begrenzt ist und dass der Familiennachzug ausgesetzt wird."
Geschlossenheit sieht anders aus und während die Große Koalition streitet, mahnt EU-Kommissionspräsident Donald Tusk schon zu weiteren Anstrengungen. Die Deutschen, so Tusk in der "Welt am Sonntag", müssten mehr tun, um die Außengrenze der EU stärker zu kontrollieren, notfalls so Tusk wörtlich, energisch in einer paneuropäischen Einheit.