Der Schließer schiebt den Metallriegel beiseite und zieht die schwere Stahltür auf. Der Geruch nimmt einem den Atem: Ausdünstungen von ungewaschenen Menschen und muffiger Kleidung. Die Luft in dem hohen Raum kann nicht zirkulieren. Die vergitterten Lichtschächte in den nackten Betonwänden sind zu schmal. Auf dem unverputzten Boden, eng auf eng - Schaumgummimatratzen. Mit billigen Kunstfaserdecken. Der Raum: groß wie eine Turnhalle; Platz für vielleicht 100, 150 Menschen. Insassen. Es ist eine Großraumzelle für Frauen. Unter libyscher Leitung. Die Vereinten Nationen nennen es DC: Detention Center – zu Deutsch: Gefangenen-Zentrum.
Manche Frauen schlafen, andere starren an die Decke und wieder andere spielen so etwas wie Mühle - auf selbst gemachten Brettern aus Pappe und mit Steinen als Würfel. Wer hier eingesperrt ist, hat die finale Etappe der großen Reise nicht mehr geschafft; ist aus einem der vielen afrikanischen Länder aufgebrochen, um über Libyen und das Mittelmeer nach Europa zu gelangen. Wer in einem DC, wie diesem, in der libyschen Hauptstadt Tripolis einsitzt, wurde von Libyern im Land aufgegriffen oder aus der See gefischt. Der Traum von einem besseren Leben: geplatzt. Illegal eingereist, ohne Visum. Letzte Station: DC – Gefangenen-Zentrum.
"Viele von uns sind jetzt tot"
Eine der Brettspielerinnen in der Großraumzelle ist Rejoyce: freundliches, rundes Gesicht, große Augen. Den Kopf hat sie bedeckt mit der Kapuze ihres blauen Pullis. Die 22Jährige war bereits in einem Schlauchboot auf dem Weg nach Italien:
"Plötzlich fiel der Motor aus. Das Boot war leck. Wir haben um Hilfe geschrien. Dann kam ein libysches Rettungsteam und hat uns geholfen. Wir wurden eingesperrt. In einem DC. Mehr als einen Monat lang waren wir da, bevor sie uns in dieses DC brachten."
Wenn Rejoyce erzählt, lächelt sie zurückhaltend. Ihre Geschichte ähnelt der vieler Menschen, die vor dem Elend flüchten. Rejoyce stammt aus Nigeria, dem bevölkerungsreichsten Land Afrikas, das gezeichnet ist von wirtschaftlichem Niedergang, Korruption und im Norden auch von islamistischem Terrorismus.
"Ich habe Nigeria im August vergangenen Jahres verlassen – wegen der Krise dort. Wir haben die Wüste durchquert. In einem Lkw. Das war hart. Einige Leute sind vom Lkw gefallen. Viele von uns sind jetzt tot. Wir waren 26, als es losging. Wer auf dem Weg runterfiel, blieb zurück. Die Fahrer haben die Tour fortgesetzt, ohne anzuhalten."
Die Mitspielerinnen von Rejoyce nicken bedrückt, haben Ähnliches erlebt. Überlebt. Die Menschenschmuggler haben Rejoyce zunächst in den Tschad transportiert und dann weiter nach Libyen. Hier übernahmen einheimische Schlepper die junge Frau und brachten sie in eines der vielen Häuser im Süden des riesigen Landes. Die UN nennen diese Unterkünfte "Menschen-Farmen". Rejoyce wurde versklavt:
"Sie haben uns zu einer Tomatenplantage gebracht. Da waren wir einen Monat lang. Da gab es Vergewaltigung und Mord. Dann haben sie uns weitergebracht, wir sind auf ein Boot gekommen - und dann fanden wir uns hier wieder."
Im vergangenen August verließ Rejoyce Nigeria. Heute träumt sie davon, in ihre Heimat zurückzukehren, wünscht, sie hätte sich nie auf den Weg gemacht:
"Ich wollte nicht weg, ich musste, weil ich hoffte, dass es woanders besser ist. Und: Ich hatte nicht erwartet, dass der Weg so schlimm ist. Wenn ich das geahnt hätte, wäre ich in Nigeria geblieben."
Andere – auch Mitinsassen von Rejoyce - wissen, was auf sie zukommen kann: Frauen lassen sich sogenannte Drei-Monats-Spritzen setzen, ein Verhütungsmittel. Sie wissen, dass ihnen auf dem Weg ans Mittelmeer Vergewaltiger auflauern, sie vielleicht prostituiert werden, sie einen Teil ihrer Reise nach Europa nicht als Sklavin auf einer Tomatenplantage abarbeiten müssen, sondern mit erzwungenem Sex. Die Internationale Organisation für Migration, die eng mit den Vereinten Nationen zusammenarbeitet, hat erst kürzlich von Sklavenmärkten in Libyen berichtet. Auf denen verkauften Schlepper Flüchtlinge für 200 bis 500 Dollar. Rejoyce musste einen Monat lang auf einer Tomatenplantage schuften - fronen. Wie viel und wie sie bezahlt hat? Bei dieser Frage gefrieren die Gesichter der Mitinsassen von Rejoyce.
"Ich kann es nicht sagen. Warum willst Du das wissen?"
"Vielleicht musste sie sich prostituieren"
Rejoyce schämt sich - verletztes Ehrgefühl. Außerhalb der Gruppenzelle wartet Captain Wajdi. Er befehligt die 70 Schließer in dem Gefangenen-Zentrum und ist Polizist, Mitglied einer Einheit, die illegale Migration in Libyen bekämpft:
"Sie ist noch jung. Das könnten Leute ausgenutzt haben. Vielleicht musste sie sich prostituieren. Vielleicht hat sie auch nur einfach Angst zu sagen, wie viel oder wie sie bezahlt hat. Weil ja ein paar junge Frauen eurem Gespräch zugehört haben. Die könnten ihr Verrat vorwerfen."
Captain Wajdi, ein stämmiger Mann in Kampfanzug und blauer Polizeijacke, der ständig ernst blickt, führt durch "sein" DC, zeigt den Bereich, in dem Frauen Ausgang haben, eine Fortsetzung ihrer Zelle, nur, dass der Boden mit Sand ausgestreut und an Stelle des Daches ein Gitter ist. Für Frischluftmomente. An der Betonwand prangt ein schwarz-weißes Mickey-Mouse-Bild. Farbflecken: die bunten Schaukeln für Kleinkinder, die hier zusammen mit ihren Müttern stranden.
Wassertanks, eine Großküche, eine Krankenstation, zu der auch Quarantänebereiche gehören - HIV, Hepatitis, Tuberkulose. In den DCs sind Menschen mit den verschiedenen Krankheiten eingesperrt.
Schwere Fälle werden – angeblich – außerhalb versorgt, leichtere Krankheiten in den DCs kuriert. Zu den gefangenen Frauen mit leichterer Krankheit zählen auch die, deren Gesichter wie von einem weißen Schleier überzogen sind: Milbenbefall. Im Volksmund: Krätze.
Dann der Bereich für die Männer: Sie machen in diesem DC den größten Teil der insgesamt etwa 700 Gefangenen aus. Auch ihre Großraumzellen: betongrau. In einer: drei Duschen - ohne Licht. Warum das so ist? Captain Wajdi wirkt bedrückt bei seiner Antwort: Aus Angst vor Kurzschlüssen und Bränden wurde keine Stromleitung in den Sanitärbereich gelegt.
Die Insassen sind gerade woanders – auf einem improvisierten Bolzplatz mit Sandboden. Oder in einem kleineren Saal, in dem sie Hanteln drücken können, Tischtennis spielen und Billard.
Kritik an den Bedingungen, unter denen die Menschen hier eingesperrt sind? Fehlanzeige! Alle Gefangenen zeigen sich froh und zufrieden. So wie dieser Mann, der sagt, er stamme aus Mali:
"Ja, Gott sei gepriesen, es geht gut hier. Danke schön, wir haben hier viel Zeit. Die Aufseher sind alle gut zu uns. Es gibt regelmäßig zu Essen. Gott sei Dank! Merci beaucoup."
Eine halbe Stunde Fahrt durch Tripolis. Das Gefangenen-Zentrum befindet sich ein paar Kilometer entfernt von der Regierungsstelle, die für die DCs zuständig ist. Tripolis, die Hauptstadt Libyens, ein architektonisches Durcheinander: moderne Hochhäuser neben italienischen Kolonial-Gebäuden, Palmen, breite Alleen. Die Altstadt: ein Netz enger Gassen. Hier eine Parkanlage, dort das glitzernde Mittelmeer. Es könnte idyllisch sein, wenn sich die etwa 30 Milizen und bewaffneten Gangs in Tripolis nicht immer wieder Kämpfe lieferten. Abwesenheit des Staates.
Drei Regierungen in Libyen
Im Februar 2011 kam es zu Massenprotesten gegen Muammar al-Gaddafi. 42 Jahre lang hatte er das Land mit eiserner Hand regiert und wollte so weitermachen. Deshalb versuchte er, den Volksaufstand niederzuschlagen. Doch der UN-Sicherheitsrat entschied, dass NATO-Jets die libysche Zivilbevölkerung vor den Einheiten al-Gaddafis schützen sollten. Die Kampfflugzeuge machten kurzen Prozess. Al-Gaddafi und sein System wurden gestürzt, der Diktator getötet. Libyen versank in Chaos. Heute herrscht Bürgerkrieg. Und: Drei Regierungen ringen um die Macht in Libyen. Doch nur eine ist von der Staatengemeinschaft anerkannt. Manche Milizen bekämpfen sie, andere stehen hinter ihr. Rechtlosigkeit. Verbrecherbanden treiben ihr Unwesen mit Kidnapping, Schmuggel von Drogen und Waffen sowie mit Flüchtlingen.
Saleem Ghaleeb ist der Generalinspekteur der DCs. Sein Sitz: ein schmuckloses Büro in einem schmucklosen Haus. Der Mann: auffällig. Fast schulterlanges, nach hinten gegeltes Haar, getrimmter Vollbart. Es gibt drei Regierungen in Libyen. Welcher ist er verantwortlich?
"Es stimmt, wir haben drei Regierungen in Libyen. Aber jetzt arbeiten wir unter der Leitung des Innenministeriums der Nationalen Einheitsregierung. Die wird von der Staatengemeinschaft anerkannt."
Das heißt, dass Ghaleeb für die 17 DCs zuständig ist, die sich im Westen Libyens mit der Hauptstadt Tripolis befinden. Die anderen DCs stehen unter Kontrolle einer Gegenregierung im Osten des Landes. 17 DCs – etwas mehr als die Hälfte der insgesamt 30. Die Lebensbedingungen in all diesen Lagern haben UN und Menschenrechtsorganisationen wiederholt scharf kritisiert: Wobei sich die DCs voneinander unterscheiden. Der Zustand der Gebäude, die Versorgung und Hygiene. Jedes DC ist anders. Aber: keines ist gut!
"Ehrlich gesagt, sind die Verhältnisse in wenigen Zentren angemessen, in anderen schlecht, da sie keine Sanitäranlagen und keine Toiletten haben. Oder nicht genug. Manche DCs sind überfüllt. Mit 1.000 Leuten, 1.500 oder noch mehr. Statt der 700, die vielleicht hineinpassen. Und manche Gebäude sind baufällig."
Ghaleeb meint, dass noch mehr Menschen in die DCs kommen werden, wenn sich noch mehr auf den Weg nach Europa machen, aber auch mehr auf dem Weg dahin abgefangen werden – in Libyen oder in libyschen Hoheitsgewässern.
"Es sind Hunderttausende, wahrscheinlich sogar noch mehr als eine Million, die im Süden Libyens darauf warten, in den Norden zu kommen und dann weiter nach Europa. Wir haben keine Möglichkeiten sie aufzunehmen. Bei uns herrscht Krieg, und es gibt viele Gebiete außer jeder Kontrolle."
Schon jetzt sei es schwer, die Menschen in den DCs zu versorgen, so der Generalinspekteur. Libyen ist reich an Öl. Aber wegen der ständigen Kämpfe kommt das Land heute nur knapp auf die Hälfte der Fördermenge, die vor dem Sturz al-Gaddafis erreicht worden ist. Da wirkt sich der Ölpreisverfall doppelt schwer aus.
Im Hafen von Tripolis liegt ein weiß-graues Schlauchboot, halb im Wasser, halb auf die Mole gezogen. Es ist das einfachste seiner Art: bestehend aus einer einzigen Kammer. Das heißt: Ein Loch in der Gummiwand, und es ist nur eine Frage der Zeit, bis alle Luft entwichen ist. Möglicherweise hatten die Flüchtlinge also Glück, als Oberst Ashraf al-Badri und seine Männer von der libyschen Marine ihr Boot aufbrachten:
"Nördlich von Tripolis war das. 114 Leute waren an Bord. Auch ein Säugling, drei Tage alt. Sie stammten alle aus verschiedenen afrikanischen Ländern. Aus Nigeria, Mali, dem Senegal."
Mangelware: Nachtsichtgeräte, schusssichere Westen, größere Boote
Al-Badri und seine Leute schleppten das Schlauchboot in ihren Marinestützpunkt im Hafen von Tripolis. Die 114 Menschen wurden in ein DC gebracht. So schnell, dass ihnen offenbar keine Zeit blieb, ihre Habseligkeiten zusammen zu klauben. Im Boot liegen noch immer ein paar Pullover und T-Shirts. Das Schlauchboot passt in das traurige Bild der Marinestation. An einer Kaimauer hängt ein Zerstörer - mit Schlagseite. An der Pier gegenüber ein Küstenwachschiff. Der Rost lässt ahnen, dass der Kahn in ein Trockendock müsste. Am Rand des Hafenbeckens: die Brücke eines Kriegsschiffes - aus dem Wasser ragend. Das Schiff: versenkt. Die Marinestation von Tripolis: ein Schiffsfriedhof! Wenn da nicht noch zwei Schnellboote mit blitz-blanken, PS-starken Außenbordmotoren lägen. Mit ihnen und zwei weiteren Schnellbooten sollen Oberst Ashraf al-Badri und 500 seiner Männer die libyschen Hoheitsgewässer des Mittelmeeres sichern. Al-Badri, der zwar keine Uniform trägt, aber gerade der wachhabende Offizier ist, zeigt auf eines der Schnellboote, das am Wrack des Zerstörers festgemacht liegt:
"Dieses Boot ist so gebaut, dass es bis zu fünf Meilen aufs Meer hinaus kann. Aber wir fahren damit bis zu 30 oder 35 Meilen raus, um Leute zu bergen. Die Europäer benutzen solche Boote nicht für Aktionen auf hoher See. Da benutzen sie große Schiffe und Aufklärungsflugzeuge."
Der kleine, durchtrainierte Offizier mit Halbglatze wirkt frustriert. Er zählt auf, was der Marine in Tripolis fehlt: Nachtsichtgeräte, schusssichere Westen, schnellere und größere Boote. Al-Badri kennt das Mittelmeer, das Afrika und Europa voneinander trennt. Täglich versuchen Menschen es zu überqueren auf der Suche nach einem bescheidenen Leben in Freiheit und Frieden. Die etwa 500 Marine-Soldaten, die für den Küstenstreifen rund um Tripolis zuständig sind, schaffen es kaum, die Glückssucher davon abzuhalten. 500 Mann mit vier Gummi-Booten! Im ersten Quartal dieses Jahres haben sich mehr Menschen auf den gefährlichen Weg gemacht als zur gleichen Zeit 2016. Das belegen Zahlen der Internationalen Organisation für Migration. Das heißt, dass die Zahlen nach dem zurückliegenden recht stürmischen Winter demnächst noch einmal steigen werden. Oberst Ashraf al-Badri sagt, dass seine Leute dennoch immer weniger Menschen bergen.
"Die Zahlen sinken immer weiter. Der Menschenschmuggel findet immer in der Nacht statt. Da ist die Sicht für uns null. Wir verfügen nicht über Nachtsichtgeräte und Wärmekameras, mit denen wir die Menschen nachts entdecken könnten. Und das wissen die Schmuggler. Daher können wir immer weniger Menschen retten."
Zehn-Punkte-Plan der EU
Während ihres Gipfeltreffens in Malta im Februar einigten sich die EU-Staaten auf einen Zehn-Punkte-Plan. Mit dem wollen sie die so genannte zentrale Mittelmeerroute schließen. Der Plan sieht auch eine stärkere Zusammenarbeit mit Libyen vor. So soll die libysche Küstenwache trainiert und ausgerüstet werden, damit sie illegale Überfahrten nach Europa verhindert. Flüchtlinge würden auf diese Weise zumindest in Libyen bleiben, aber künftig in "angemessenen Aufnahmeeinrichtungen" versorgt. Doch gerade erst klagte Fayes al-Sarraj, der Präsident der anerkannten libyschen Regierung, die EU habe bisher nur leere Versprechen abgegeben. Bisher habe sein Land viel zu wenig Geld von den Europäern erhalten. Nach dieser Kritik beschloss die EU-Kommission kurz vor Ostern, 90 Millionen Euro freizugeben. Das Geld sei für die Unterstützung der Flüchtlinge, für ein sogenanntes "verbessertes Migrationsmanagement" in Libyen und für Programme zur freiwilligen Rückkehr bestimmt.
Internationaler Besuch in Assikka, einem weiteren DC, einem Gefangenen-Zentrum in Tripolis. Die Insassen jubeln Martin Kobler zu. Der deutsche Diplomat ist UN-Sondergesandter für Libyen. Dicht an dicht sitzen die Gefangenen auf dem Boden, warten darauf, ihre Essensrationen zu bekommen. Wohl die meisten von ihnen haben seit Tagen nicht mehr geduscht, ihre Haut ist zum Teil von Schmutz verkrustet. Es stinkt. Unwürdige Verhältnisse. Immer wieder besucht UN-Mann Kobler, ein sportlich-schlanker Mann mit runder Brille, DCs in Libyen und kritisiert die Zustände. Sie seien schlimm bis desaströs. Kobler hält nichts davon, illegal nach Europa eingereiste Flüchtlinge nach Libyen abzuschieben, wie es manche in der EU wollen:
"Ich habe Verständnis dafür, dass man Flüchtlingsströme regulieren muss, aber Rückführung nach Libyen ist eine rote Linie zurzeit. Man kann Menschen nicht in Lager schicken, wo sie 0,5 Quadratmeter haben pro Person, wo sie in Schichten schlafen müssen oder im Stehen schlafen müssen, wo zehn Prozent der männlichen Insassen Zeichen von Unterernährung aufweisen, wo es keine hygienischen Verhältnisse gibt. Da kann man keine Leute abschieben. Alle Menschenrechtler sind sich ja einig."
UN-Sondergesandter Kobler gegen Abschiebung Illegaler
Ein vielleicht dreißigjähriger Mann in dem DC bestätigt Koblers Worte. Er ruft:
"Man behandelt uns hier wie Tiere!"
Unentwegt versucht Kobler seit anderthalb Jahren, die politischen Rivalen Libyens zusammenzubringen. Deshalb plädiert der UN-Sondergesandte auch für den Aufbau gesamt-nationaler Institutionen, einheitlicher libyscher Streitkräfte, damit die Sicherheit im Land schaffen. Und an den Grenzen. Kobler fordert auch ein funktionierendes Justizsystem, damit Insassen der Gefangenen-Zentren ein Gerichtsverfahren erhalten können. Ihnen wird illegale Einreise nach Libyen vorgeworfen. Kobler fordert, Institutionen zu schaffen in diesem bisher rechtsfreien Land. Erst dann könne auch internationale Hilfe greifen.
Kobler, der für seinen freundlichen, aber nachdrücklichen Eigensinn bekannt ist, arbeitet auch daran, dass Insassen der DCs in ihre Heimatländer zurückgebracht werden, sofern ihnen dort nicht noch Schlimmeres droht: politische Verfolgung zum Beispiel. So wurden in den zurückliegenden Monaten mehrfach Nigerianer aus Tripolis in ihre Heimat geflogen.
Letztlich ist es wohl nur eine Mischung aus verschiedenen Maßnahmen, die das Flüchtlingsproblem in Libyen und damit auch in Europa lösen kann. Langfristig sind in den Ländern, die die Menschen heute noch zu Hunderttausenden verlassen, Perspektiven zu schaffen. Nur weil ihre wirtschaftliche Lage oder die politischen Verhältnisse so schlecht sind, träumen ja so viele von einem besseren Leben in Europa.