Die syrische Regierung ist entschlossen, die Kämpfer des Islamischen States aus dem palästinensischen Flüchtlingslager Jarmuk bei Damaskus mit Gewalt zurückzudrängen. Der syrische Minister für nationale Versöhnung, Ali Haidar, erklärte:
"Diese Krise muss mit militärischen Mitteln gelöst werden. Dafür hat sich nicht die syrische Regierung entschieden, sondern dafür haben sich die Extremisten entschieden, die das Lager erobert haben. Wir haben versucht, die Krise auf versöhnliche Art und Weise zu lösen, aber wer die Versöhnung aufkündigt, muss dafür die Verantwortung übernehmen."
Haidar hatte vor seiner Stellungnahme mit dem palästinensischen Gesandten aus Ramallah, Ahmad Majdalani, darüber verhandelt, wie die verbliebenen 18.000 Palästinenser und Syrer aus dem Lager Jarmuk gerettet werden können. Die Truppen des Islamischen Staates kontrollieren mehr als die Hälfte des mittlerweile fast völlig verwüsteten Vororts von Damaskus. Den Zivilisten fehlt der Zugang zu Trinkwasser, Lebensmitteln und medizinischer Versorgung. Der PLO-Gesandte Majdalani sagte nach einer Zusammenkunft der Vertreter von 14 palästinensischen Gruppierungen in Damaskus:
"Mehr als 35 Prozent des gesamten Lagers sind jetzt unter Kontrolle der syrischen Regierung und der palästinensischen Volkskomitees."
PLO-Führung will Ende jeglicher Gewalt
Über die Haltung der Palästinensischen Befreiungsorganisation, PLO, zur Lösung des Konflikts um das Lager Jarmuk liegen widersprüchliche Informationen vor. Ahmad Majdalani, der von PLO-Chef Abbas von Ramallah aus nach Damaskus entsandt worden war, sprach sich für eine militärische Lösung gemeinsam mit der syrischen Armee aus. Die Palästinenser und die Truppen Assads planten in Jarmuk eine gemeinsame Militäroperation gegen den Islamischen Staat.
"Wir arbeiten sehr gut zusammen. Es gab ein Treffen der palästinensischen Fraktionen, und wir sind übereingekommen, dies als ein offenes Treffen zu verstehen, als eine politische Führung auf syrischem Boden. Wir haben vereinbart, weiterhin in Koordination mit der syrischen Führung vorzugehen. Wir haben auch vereinbart, einen gemeinsamen Arbeitsbereich von syrischen und palästinensischen Gruppen zu begründen, die über eine relevante militärische Präsenz in oder um das Lager verfügen, um mit dieser sauberen militärischen Operation fortzufahren."
Die PLO-Führung in Ramallah ließ dagegen verlauten, man arbeite auf ein Ende jeglicher Gewalt und bewaffneter Kämpfe in Jarmuk hin. Die PLO wolle verhindern, dass das Flüchtlingslager noch stärker zerstört werde. Die Palästinenser wollten nicht in eine militärische Operation hineingezogen werden. Ein PLO-Sprecher in Ramallah konnte auf Anfrage des ARD-Studios Tel Aviv nicht erklären, warum der Gesandte in Damaskus sich für die militärische Option ausgesprochen hat. Aus der Sicht von PLO-Chef Abbas gehe es darum, die verbliebenen Zivilisten aus Jarmuk zu retten und in Sicherheit zu bringen.
Solidarität in Gaza mit Bewohnern von Jarmuk
Das Flüchtlingslager Jarmuk ist im Krieg zwischen syrischen Regierungstruppen und IS-Kämpfern von zentraler strategischer Bedeutung. Es ist heute ein Vorort im Süden von Damaskus und liegt nur zehn Minuten vom Zentrum der syrischen Hauptstadt entfernt. Es war das größte palästinensische Flüchtlingslager in Syrien mit bis zu 180.000 Einwohnern. Jarmuk wurde erst 1957 gegründet. Dort fanden Palästinenser Zuflucht, die nach dem Unabhängigkeitskrieg Israels von 1948 aus ihrer Heimat vertrieben worden waren.
Im Gazastreifen und im Westjordanland zeigten Palästinenser gestern bei Demonstrationen ihre Solidarität mit den Bewohnern von Jarmuk. Palästinensische Gruppierungen erklärten in Gaza-Stadt, die Bewaffneten sollten sich aus Jarmuk zurückziehen und alle entführten Bewohner freilassen.