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Flüchtlingspolitik
Asylgipfel in bayerischer Staatskanzlei

Wohlfahrtsverbände, Kirchen und Kommunen hatte der bayerische Ministerpräsident Seehofer in dieser Woche zu einem Asylgipfel geladen, um die Probleme in den überfüllten Aufnahmelagern für Flüchtlinge zu diskutieren.

Von Susanne Lettenbauer |
    Marcel Huber: "Dieser Gipfel ist ein Zeichen, er ist ein Zeichen für Toleranz."
    Amir Bibi: "Von Syrien bin ich in den Libanon gereist, von dort in die Türkei, dann nach Algerien und weiter nach Tunesien, und von dort nach Libyen. Von Libyen nach Italien dann mit dem Schiff."
    Die hellgrünen Augen von Amir Bibi schauen ängstlich und ein wenig trotzig in dieses fremde Deutschland. Während im fernen München der erste bayerische Asylgipfel bevorsteht, sitzt der Syrer in der Dienststelle der Bundespolizei Rosenheim auf einem harten Holzstuhl vor einem Beamten und einem Dolmetscher. Aus Damaskus stammt er, sagt er, er hat Familie dort, die wartet, dass er sich meldet. Bis vor Kurzem saß der Syrer noch in dem italienischen grünen Kleinbus, seinen kleinen schwarzen Cityrucksack auf dem Schoß. Dann kam die Polizei:
    "Ich bin aus zwei Gründen hier in Deutschland: die Stabilität und die Sicherheit. Und Arbeit. Bei uns in Damaskus gibt es keine Arbeit mehr, deshalb müssen wir nach Europa."
    Amir Bibi wird wenig später in seiner kurzen Hose und dem T-Shirt im Zug nach München sitzen, wie 5100 Flüchtlinge vor ihm in diesem Jahr. Wie alle unerlaubt Eingereisten soll er sich in Absprache mit dem Bundesamt für Migration in München melden, in der Bayernkaserne im Norden von Schwabing, sagt der Gruppenleiter der Bundespolizei in Rosenheim:
    "Also seit Neuestem schicken wir die Flüchtlinge wieder nach München, seit weil das ist ja seit letzter Woche wieder offen. Aber ob sie da ankommen, das ist das andere. Das können wir derzeit nicht sagen."
    Amir Bibi wird einer von derzeit rund 2000 Flüchtlingen in dem für 600 Personen ausgelegten Münchner Erstaufnahmelager sein, vielleicht ein Feldbett bekommen, vielleicht auch erst mal auf dem Boden schlafen. Ehrenamtliche der Inneren Mission werden nicht wissen, wohin mit ihm, weil schon die nächsten 100 unerlaubt Eingereisten vor der Tür stehen. Dann kommt ein Anruf aus Nürnberg, vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, dass weitere Flüchtlinge warten. Matratzen müssen organisiert werden, Essen und Kleidung.
    Asylgipfel ohne greifbare Ergebnisse
    Bayerns neuer Staatskanzleichef Marcel Huber knetet die Hände, während er von den mageren, nahezu inexistenten Ergebnissen des ersten Asylgipfels in dieser Woche berichtet.
    "Wir müssen handeln, wir müssen schnell handeln, wie es hier von einigen eingefordert wurde, und ich bin auch froh darüber, dass anerkannt wurde, dass wir momentan im Krisenmodus sind, wie Sie es so schön formuliert haben."
    In der Geschäftsstelle des Bayerischen Roten Kreuzes hat Geschäftsführer Leonhard Stärk einen Krisenstab eingerichtet. Alle Wohlfahrtsverbände werden von dort koordiniert.
    "Unser Problem ist, dass wir kritisieren, dass die Staatsregierung zu lange gewartet hat mit der Einrichtung von Erstaufnahmelagern. Das war vor Jahren schon klar, dass diese Reduzierung ... Es gab ja mehrere Einrichtungen hier in Bayern, man hätte sich eigentlich drauf einrichten müssen."
    Während Staatsminister Huber noch versucht, den Asylgipfel irgendwie zu einem Erfolg zu erklären, ist der Chef der Arbeiterwohlfahrt Thomas Beyer längst schon wieder unterwegs zum Flüchtlingslager. Ministerpräsident Horst Seehofer habe nichts Neues anbieten können, so Beyer:
    "Es bringt nichts, auch sehr ernsthaft und in einer guten Atmosphäre zweieinhalb Stunden zu sprechen, wenn es nicht konkrete Folgen hat. Wenn unisono der Präsident des Deutschen Städtetags fordert eine Aufstockung der Sozialberatung, wenn die Kirchen das massiv fordern, wenn's die Träger begründet darstellen, dann ist das ein allererster Schritt."
    Flüchtlingspolitik am Abgrund
    Gabi Schmidt: "Also ein Asylgipfel, der über dem Abgrund stattfindet ... Wissen Sie, vor gut einer Woche waren in Zirndorf über Nacht zweihundert Leute vor der Tür gestanden, und nachts war niemand mehr da, die haben auf der Straße geschlafen. Da hat man davor gewarnt. Und ein Gipfel zu einer Zeit, die einfach zu spät ist, wo jeder eigentlich die Ärmel hochkrempeln müsste, ein Arbeitseinsatz hätte das sein müssen."
    Freie-Wähler-Sozialexpertin Gabi Schmidt aus Mittelfranken, Abgeordnete für den Stimmkreis, in dem das zentrale Erstaufnahmelager Zirndorf liegt, sieht die Uhr in der Flüchtlingspolitik längst auf Viertel nach zwölf. Der Freistaat habe sich viel zu spät für die Flüchtlinge eingesetzt. Ja genau, sagt die Landtags-Grüne Ulrike Gote. Kurz vor ihrer Rede hat sich der Ministerpräsident in die Reihen der Abgeordneten gesetzt, später ist er ganz verschwunden:
    "Sie Herr Ministerpräsident ... Jetzt ist er ganz weg, oder wo hat er sich nun versteckt?"
    Seehofer ist dünnhäutig geworden. Später wird er die "Gesprächsbereitschaft" mit der Opposition aufkündigen. Bayern wolle sich vor der Verantwortung drücken, kritisiert Freie Wähler-Sozialexpertin Schmidt:
    "Wenn ich heute die Diskussion sehe, dass wir nur über Italien sprechen, über die EU und den Bund sprechen, dann verwundert es mich sehr, weil im Bund ist die CSU ein Teil der Regierung, sie sind im Europaparlament vertreten, es war zumindest in allen Wahlflyern dringestanden, dass man mitbestimmt und mitregiert."
    Vor einigen Tagen wurden Flüchtlinge aus München einfach weiter Richtung Mannheim in Hessen geschickt, in der Hand nur das Zugticket. Man solle die Grenzen schließen, heißt es aus der CSU. Wahlweise auch: Die Italiener dürften die Flüchtlinge nicht einfach weiterschicken nach Deutschland. Bayern greift zu einem bewährten Argument: Es gehe um eine Bundesangelegenheit. Jetzt sei Berlin gefragt.