Italien werde die Leichen von Hunderten Flüchtlingen bergen, die im April nach dem Kentern eines einzelnen Boots im Mittelmeer ums Leben gekommen waren, erklärte Regierungschef Matteo Renzi gestern in einem Fernsehinterview. Die ganze Welt solle sehen, was geschehen ist. Damit wolle er bewirken, "dass diejenigen, die vorgeben, nichts gesehen zu haben, damit aufhören". Renzi wandte sich damit gegen die vielen EU-Länder, die eine Quote zur Verteilung der vielen Flüchtlinge ablehnen.
Und die bleiben bei ihrer Ablehnung, die der ungarische Regierungschef Viktor Orban vielleicht am drastischen formuliert: "Was die EU-Kommission vorschlägt, grenzt an Wahnsinn", sagte der rechtskonservative Politiker bereits gestern in Straßburg, wo heute das EU-Parlament über den Aktionsplan zur Migrationspolitik mit Rat und Kommission debattiert. Die meisten Migranten seien Wirtschaftsflüchtlinge, die bessere Lebensbedingungen suchten, so Orban.
Frankreichs Staatspräsident François Hollande sagte in Berlin, eine Quote komme "nicht infrage". Auch Großbritannien ist dagegen.
Schulz: Ablehnung aus "nationalistischen Aspekten"
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) kritisierte im Südwestrundfunk EU-Mitgliedsstaaten, die sich mit den anderen nicht auf die vermehrte Aufnahme von Flüchtlingen einigen, und zwar "aus spezifischen nationalen Aspekten, zum Teil auch nationalistischen Aspekten".
Die Bundesregierung setzt trotz des Widerstandes Ungarns und anderer EU-Mitgliedstaaten weiterhin auf die Einführung einer Quote zur Verteilung der Flüchtlinge. "Jedes Land in Europa muss sich an diesem Elend beteiligen und seinen Beitrag bringen", sagte Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) im ARD-"Morgenmagazin". An dieser Frage entscheide sich, "ob wir handlungsfähig sind".
Die EU-Kommission hatte vergangene Woche vorgeschlagen, die Flüchtlinge anhand von vier Kriterien wie Wirtschaftsleistung und Arbeitslosenquote auf die EU-Staaten zu verteilen, auf Deutschland käme dann ein Anteil von 18,4 Prozent zu.
(bor/dk)