So könne man die illegale Migration beenden und vielen Menschen Leid ersparen. Tauber warb erneut für ein gemeinsames Vorgehen. Man müsse eine Lösung für die Flüchtlingskrise unter Einbeziehung Griechenlands und der Balkanstaaten finden, nicht aber auf Kosten Athens.
Nach der Sicherung der EU-Außengrenze könne man dann über die Frage der Verteilung der Flüchtlinge in Europa wieder sprechen. Dies sei die richtige Reihenfolge, betonte Tauber. Die in Griechenland festsitzenden Migranten würden auf absehbare Zeit dort bleiben. Sollten die Balkanländer sich gemeinsam mit Österreich an einen Tisch setzten und eine Lösung finden, die alle in Europa einbezieht, könnte Deutschland auch Flüchtlinge aufnehmen, die auf dem Weg seien.
Das komplette Interview zum Nachlesen:
Tobias Armbrüster: Am Telefon ist jetzt Peter Tauber, der Generalsekretär der CDU. Schönen guten Morgen, Herr Tauber.
Peter Tauber: Schönen guten Morgen.
Armbrüster: Herr Tauber, Österreich nennt den alten Kurs in der Flüchtlingskrise inzwischen einen Fehler. Sieht die Kanzlerin das inzwischen auch so?
Tauber: Nein, ich glaube nicht. Denn wenn man sieht, was im letzten halben Jahr geschehen ist, was auch Ausgangspunkt der jetzt aktuellen Debatte war, dann sind wir ein gutes Stück vorangekommen. Nächste Woche findet der Europäische Rat unter Beteiligung der Türkei statt, diesmal mit allen 28 Ländern, die sich bemühen, die Außengrenze zu sichern. Und ich glaube, dass das nach wie vor der richtige Kurs ist. Auf den hat sich die CDU auch auf dem Parteitag verständigt und den sollte man konsequent weiterverfolgen.
Armbrüster: Aber im vergangenen September, da hat die Kanzlerin in einer ähnlichen Notsituation, in einer ähnlichen humanitären Krise gesagt, wir lassen die Flüchtlinge damals aus Budapest zu uns nach Deutschland kommen. Warum geht das jetzt nicht mehr?
Tauber: Ich finde die Situation, ehrlich gesagt, nicht vergleichbar, denn damals hat die ungarische Regierung den Menschen, die dort waren, Zugtickets verteilt und ihnen in Aussicht gestellt, dass sie weiterreisen können, und das auf einmal unterbunden. Und dann kam es zu Bildern, die mindestens so dramatisch waren wie das, was wir jetzt gerade in Griechenland sehen. Ich darf auch noch mal daran erinnern, dass es auf einer österreichischen Autobahn war, dass man einen LKW gefunden hat mit mehreren Dutzenden von Leichen. Und man dann gesagt hat, wir müssen auch was gegen das Schlepperunwesen tun. Das tun wir jetzt übrigens auch gemeinsam mit der NATO in der Ägäis. Die Bilder damals waren so dramatisch, dass auch unter dem Eindruck viele gesagt haben, wir müssen das jetzt tun. Und ich bin sehr froh, dass auch die meisten sagen, in solch einer extremen Situation zu helfen, das müssen wir immer wieder tun. Jetzt ist die Situation eine andere, weil einige Länder in Europa nicht die Bereitschaft haben, gemeinsam eine Lösung zu suchen, auf Kosten Griechenlands. Gerade die Balkan-Länder und Österreich versuchen, eine schnellere Lösung zu finden. Wir glauben, das wird nicht gelingen. Man darf Griechenland in so einer Situation nicht alleine lassen, sondern wir müssen es gemeinsam in Europa machen.
Armbrüster: Sigmar Gabriel von der SPD sagt, was wir zurzeit in Deutschland erleben, das ist das Gegenteil der Politik des letzten Jahres.
Tauber: Welche Wahrnehmung hat der Vizekanzler Gabriel?
Tauber: Ich muss beim Vizekanzler sowieso ab und zu mich mal fragen, welche Wahrnehmung er hat. Auch sein anderer Vorstoß vor einigen Tagen, den Eindruck zu erwecken, diese Große Koalition tue nicht genug für die Menschen im Land, den ich für völlig falsch halte, wenn man noch mal überlegt, was wir alles getan haben, von der Erhöhung des BAFöG über die Einführung der Mütterrente, 15 Milliarden mehr für Investitionen in die Infrastruktur. Da rate ich ihm dazu, sich die Wirklichkeit anzuschauen. Volker Kauder sagt zurecht auch immer, damit beginnt Politik eigentlich.
Armbrüster: Herr Tauber, es sieht ja nun so aus: Wir hatten im letzten Jahr, Sie haben es gesagt, Leute, Menschen, die mit einer hohen Erwartungshaltung Richtung Europa gereist waren, die erwartet haben, dass sie in Deutschland ankommen. Das haben wir doch jetzt in Idomeni im Grunde auch. Da sind Menschen, Tausende, die aus Syrien angekommen sind, aus Afghanistan, die in dieses Lager gehen mit der Erwartung, wir wollen nach Deutschland. Das ist das, was wir wissen, das ist das, wo wir unbedingt hin wollen, und wir wollen nicht zurück. Wo genau liegt der Unterschied? Warum kann man nicht zu diesen Menschen ebenfalls sagen, wir holen euch rein, wir sehen, ihr seid dort in einer humanitären Krise, und wir wollen diese Krise lösen?
Tauber: Es klappt nur gemeinsam in Europa
Tauber: Wir haben schon immer gesagt, es gibt keinen Anspruch auf Asyl in einem bestimmten europäischen Land. Dass Menschen vor Krieg und Terror fliehen und dass Deutschland im letzten halben Jahr vielen Menschen Zuflucht gegeben hat, aber wir auch erlebt haben, dass Menschen zu uns kamen, die nicht vor Krieg und Verfolgung fliehen, denen wir sagen müssen, ihr werdet schnell wieder in eure Heimatländer zurückgehen, das ist die differenzierte Wirklichkeit. Wir tun jetzt gut daran, gemeinsam in Europa unsere Außengrenzen zu schützen, weil das die Voraussetzung dafür ist, dass wir das Schlepperunwesen bekämpfen, damit die illegale Migration beenden, auch vielen Menschen Leid ersparen. Wenn man überlegt, dass immer noch durch die Schlepper mehrere hundert Menschen bereits dieses Jahr in der Ägäis ertrunken sind. Dann haben wir die Gelegenheit, nicht nur die Fluchtursachen zu bekämpfen, und das machen wir mit der Syrien-Konferenz und jetzt auch mit dem Waffenstillstand, der in Syrien hergestellt worden ist, den man weiter stärken muss. Und dann muss man den Weg zwischen Fluchtursachen bekämpfen, zwischen Menschen helfen, die schon bei uns sind, und sicherlich auch in Zukunft ein Ort zu sein, in dem Menschen Zuflucht finden können, den muss man gehen. Aber das geht nur gemeinsam in Europa. Und diesen Weg geht die Kanzlerin von Beginn an sehr konsequent bis heute.
Armbrüster: Könnte man dann ganz hart sagen, das was zurzeit in Idomeni passiert, das ist auch ein Exempel, das Angela Merkel statuieren will. So nach dem Motto, wenn einzelne EU-Mitglieder keine europäische Lösung wollen, dann sehen sie gerade an der mazedonischen Grenze in diesen Tagen das Ergebnis dieser Weigerung?
Tauber: Ich habe so ein bisschen den Eindruck, Angela Merkel hätte die mazedonische Grenze geschlossen. Das hat sie nicht, sondern wir sagen nach wie vor, es ist dringend notwendig, dass die Europäer gemeinsam ihre Außengrenze schützen, auch jetzt nicht auf außenvorlassens Griechenlands. Griechenland hat jetzt die Hotspots eingerichtet. Griechenland ist jetzt bereit, gemeinsam mit der Türkei die Seegrenze besser zu überwachen und zu schützen. Deswegen muss man eine Lösung unter Einbeziehung Griechenlands finden, natürlich auch unter Beteiligung der Balkan-Staaten, aber nicht auf Kosten Griechenlands. Das ist die deutsche Haltung.
Armbrüster: Und was genau soll mit den Menschen in Idomeni passieren?
Tauber: In Griechenland gibt es ja auch die Möglichkeit, Menschen unterzubringen. Wir haben jetzt auch gesagt, wir müssen kurzfristig noch mal helfen. Das ist auch notwendig. Dann muss man nach einer Sicherung der Außengrenze auch überlegen, wie man zu der Frage, wie Flüchtlinge in Europa verteilt werden, zurückkommt. Ich glaube aber, dass es richtig ist, dass man die richtige Reihenfolge einhält. Und dazu gehört, dass man erst die Sicherung der Außengrenzen sicherstellt.
Armbrüster: Das heißt, diesen Menschen in Idomeni, denen können Sie sagen, auf absehbare Zeit müsst ihr dort bleiben?
Tauber: So sieht die Situation momentan aus.
Armbrüster: Wie kann Deutschland damit leben?
Tauber: Deutschland hat im letzten Jahr mehrere hunderttausend Menschen aufgenommen und ihnen Zuflucht gewährt. Wir haben eine sehr intensive Debatte darüber, wie man jetzt sicherstellen kann, dass A die Verfahren schnell genug durchgeführt werden, B, dass bei denen, die mittelfristig bei uns bleiben werden, Integration gelingen kann in den Arbeitsmarkt, wie sie die deutsche Sprache lernen können. Aber natürlich auch, wie wir die, die nicht hier bleiben können, weil kein Asylgrund vorliegt oder sie nicht aus einem Bürgerkriegsland kommen, wieder in die Heimatländer zurückführen. Thomas de Maizière war dazu in Nordafrika. Das ist die deutsche Aufgabe, die wir haben. Und die Aufgabe Deutschlands in Europa ist, den Kurs der Kanzlerin zu unterstützen, jetzt eine gemeinsame europäische Lösung anzugehen.
Armbrüster: Aber wenn Sie jetzt sagen, die Menschen in Idomeni müssen weiter dort bleiben, wir lassen dieses Flüchtlingslager bestehen, auch wenn die Zustände dort so prekär sind, wie wir es sehen, dann muss man doch sagen, ist das eine deutliche Abkehr von der Politik des vergangenen Jahres. Dann ist das eine Kursänderung.
Tauber: Abschottung geschieht auf Kosten Griechenlands
Tauber: Wenn die Balkan-Länder gemeinsam mit Österreich, gemeinsam mit Griechenland und allen anderen in Europa sich an einen Tisch setzen und eine Lösung finden, die alle in Europa einbezieht, dann könnte Deutschland auch Flüchtlinge aufnehmen, die dann auf dem Weg wären. Das ist aber jetzt nicht der Punkt. Diese Länder haben sich zu einem Weg entschieden, der eine Abschottung bedeutet auf Kosten Griechenlands. Und ich glaube, dass das am Ende nicht gut ist für Europa, sondern wir müssen uns überlegen, wie schaffen wir es, eine gemeinsame Lösung zu finden. Diese Haltung hat Deutschland und ich finde die nach wie vor die richtige.
Armbrüster: Und was passiert, wenn es auf dem EU-Gipfel nächste Woche wieder keine Einigung gibt?
Tauber: Wissen Sie, ich habe keine Glaskugel hier stehen und ich glaube auch ein bisschen an die Vernunft in Europa. Das dauert manchmal, bis wir in Europa gemeinsame Lösungen hinbekommen, aber meistens gelingt es ja am Ende des Tages doch. Viele sehen die Bilder jetzt in Griechenland. Und ich hoffe, dass die Einsicht, dass wir das mit Griechenland gemeinsam lösen müssen und nicht auf Kosten Griechenlands, dass die auch woanders Einzug hält.
Armbrüster: Was machen Sie denn mit der Aufforderung des Bundeskanzlers von Österreich, Werner Faymann, der sagt, Deutschland soll eine Tagesquote festlegen und Flüchtlinge aus Idomeni ins Land holen?
Tauber: Neue Obergrenzen-Debatte ist unnötig
Tauber: Ja, die Debatte hatten wir halt schon. Wir haben schon über Obergrenzen und andere Fragen diskutiert. Auch der amtierende Präsident des Bundesverfassungsgerichts hat eine sehr klare Haltung dazu, was aufgrund der Basis unseres Asylrechts und auch des Grundrechts auf Asyl im Grundgesetz möglich ist. Die Debatte braucht man deswegen nicht noch mal neu führen. Sie führt ja auch nicht zu einer Lösung in dieser grundsätzlichen Frage, wie ist künftig das Asylrecht in Europa gestaltet, wie sichern die Europäer gemeinsam ihre Außengrenze. Diese Frage wird man ja trotzdem beantworten müssen und deswegen, glaube ich, ist das die vorrangige.
Armbrüster: Herr Tauber, könnten Sie sich ein solches Flüchtlingslager wie das in Idomeni auch an der deutsch-österreichischen Grenze vorstellen?
Tauber: Deutschland hat - und das ist etwas, finde ich, was viel zu kurz kommt - in der kurzen Zeit, in der im letzten Herbst und Winter so viele Menschen zu uns kamen, ja wirklich Erstaunliches geleistet. Wir haben es geschafft, mit den Erstaufnahmeeinrichtungen in den Ländern, aber teilweise dann auch mit den Unterbringungen in den Kommunen und dem großen Engagement auch der Zivilgesellschaft, es zu vermeiden, dass wir solche Flüchtlingslager bauen müssen. Ich finde, das zeigt auch die Stärke unseres Landes, das zeigt die hohe Bereitschaft, Menschen in Not zu helfen. Und ich glaube, dass wir bei diesem Prinzip im Umgang mit Flüchtlingen in unserem Land bleiben sollten. Die Strukturen dafür sind sehr gut. Wenn Sie jetzt auch die Bilder sehen, dann schafft es unsere Verwaltung ja, schaffen es die Ehrenamtlichen ja, mit den Flüchtlingen umzugehen, sie zu betreuen, und jetzt haben wir die nächsten Aufgaben innenpolitisch zu meistern. Ich glaube, die Frage stellt sich nicht.
Armbrüster: Da gibt es sicher noch weiteren Gesprächsbedarf. - Peter Tauber war das live hier bei uns im Deutschlandfunk, der Generalsekretär der CDU. Vielen Dank, Herr Tauber, für das Gespräch.
Tauber: Sehr gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.