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Flüchtlingspolitik
Grenzkontrollen haben begonnen

Deutschland kontrolliert seit Sonntagabend zumindest sporadisch wieder die Grenze zu Österreich. Ob der Schritt Flüchtlinge aufhalten kann und ob er Eindruck auf die heute in Brüssel tagenden EU-Innenminister macht, bleibt offen. Der Zugverkehr von Österriech nach Deutschland wurde wieder aufgenommen.

    Grenzkontrollen an der deutsch-österreichische Grenze in Lindau (Bayern) am Abend des 13. September 2015
    Grenzkontrollen an der deutsch-österreichische Grenze in Lindau (Bayern) am Abend des 13. September 2015 (dpa / picture-alliance / Stefan Puchner)
    Deutschland setzte seine Ankündigung vom Sonntagnachmittag umgehend um. So richtete die Polizei im Grenzgebiet zu Österreich am Sonntagabend Kontrollpunkte ein. Es seien aber nur vereinzelt und stichprobenartig Fahrzeuge angehalten und überprüft worden, berichtete ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur von der Grenze bei Bad Reichenhall.
    Der Zugverkehr zwischen Deutschland und Österreich wurde derweil wieder aufgenommen. Die Züge seien ab 7.00 Uhr am Montag wieder gefahren, sagte ein Sprecher der Deutschen Bahn der Nachrichtenagentur AFP. Eine Ausnahme stelle die Strecke Salzburg-München dar. Dort sei der Verkehr noch nicht wieder angelaufen, da sich Menschen auf den Gleisen befänden. Auf Weisung der Bundesbehörden sei der Zugverkehr zwischen 19.00 Uhr am Sonntagabend und 7.00 Uhr am Montagmorgen unterbrochen gewesen.
    De Maizière will um Verteilung der Flüchtlinge "kämpfen"
    Heute treffen sich in Brüssel die EU-Innenminister, um über das weitere Vorgehen in der Flüchtlingskrise zu beraten. Konkret geht es um die Verteilung von 120.000 Flüchtlingen aus Griechenland, Italien und Ungarn auf andere EU-Länder. Dies hatte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker vorgeschlagen. Bei einer Sondersitzung der ständigen EU-Botschafter der Mitgliedstaaten in Brüssel zeigte sich am Sonntag, dass diese Frage weiter umstritten ist.
    Bundesinnenminister Thomas de Maizière gab sich allerdings vorsichtig optimistisch hinsichtlich eines Entgegenkommens der anderen EU-Staaten: "Das sieht nicht so schlecht aus, wie es vor der Sommerpause aussah. Aber ich halte nichts davon, vor Verhandlungen schon Wasserstandsmeldungen abzugeben. Wir werden kämpfen", sagte der CDU-Politiker am Sonntag in einem ARD-"Brennpunkt". Bundeskanzlerin Angela Merkel stimmte sich am Sonntagabend hierüber mit dem französischen Staatspräsidenten François Hollande ab.
    Grenzkontrollen nur vorübergehend
    Als Reaktion auf den Andrang Zehntausender Flüchtlinge hatte de Maizière am Sonntagabend angekündigt, dass Deutschland wieder Grenzkontrollen einführt. Schwerpunkt ist zunächst die Grenze zu Österreich. Zudem unterbrach die Deutsche Bahn den aus Österreich kommenden Zugverkehr bis zu diesem Montagmorgen um 7 Uhr.
    De Maizière ließ offen, wie lange Deutschland wieder Grenzkontrollen vornehmen wird. Die Rechtslage lasse nur vorübergehende Kontrollen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit zu, sagte er in der ARD.
    "Darum geht es hier. Und das wäre nicht gut, wenn wir vorher sagen würden, wir lange das geht. Das machen wir jetzt mal eine Weile." Der Zustrom von Flüchtlingen hatte am Wochenende noch einmal stark zugenommen. Viele Länder sehen die Belastungsgrenze erreicht. Allein nach München kamen am Samstag und Sonntag mindestens 16.500 Menschen. De Maizière begründete das deutsche Vorgehen mit dem Ziel, die Zuwanderung zu begrenzen und wieder zu einem geordneten Verfahren bei der Einreise zu kommen. "Das ist auch aus Sicherheitsgründen dringend erforderlich."
    Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Roger Lewentz (SPD/Innenminister Rheinland-Pfalz), sprach von einer "absoluten Notlösung". Die Rückkehr zu Kontrollen sei "kein Königsweg bei der Lösung der Flüchtlingsproblematik, verschafft uns aber Luft, um zu geordneten Verhältnissen zurückzukommen". Auch die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner wertete das Vorgehen nach einem Treffen der Unionsfraktionsvorsitzenden der Länder mit Kanzlerin Merkel in Berlin als Notlösung.
    Kritik an "nationalen Alleingängen"
    Deutliche Kritik kam von der SPD-Linken im Bundestag. "Wir brauchen jetzt schnell ein gemeinsames Vorgehen in Europa statt nationale Alleingänge", sagte ihr Sprecher Matthias Miersch. Auch Linkspartei und Grüne kritisierten das Vorgehen Deutschlands. "Grenzen kann man schließen, aber die Probleme löst man damit nicht", erklärte Linke-Fraktionschef Gregor Gysi.
    Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in Deutschland und Österreich warnte vor den Folgen für Flüchtlinge, die nun nicht mehr weiterkommen: "Flüchtlinge in Ungarn drohen im lebensgefährlichen Chaos zu versinken." Die ungarische Polizei versetzte Beamte in vier Regionen in Alarmbereitschaft. Ungarn will an diesem Dienstag seine Flüchtlingspolitik drastisch verschärfen und die Grenze praktisch schließen.
    (nch)