Muhammed Qadeer ist glücklich. Als einer der ersten durfte er vor ein paar Tagen das Abschiebelager verlassen. Ein Jahr lang saß der junge Pakistani hier in Haft, wie in einem Gefängnis. Früher, vor der Krise, hatte Muhammed Qadeer schon jahrelang legal in Griechenland gelebt und gearbeitet; doch dann war seine Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen; die Polizei schnappte ihn und steckte ihn ins Abschiebelager. Nun ist er wieder frei:
"Die letzten zwei Tage habe ich Arbeit gesucht, aber nichts gefunden. Ich werd jetzt mal zu meinem früheren Boss gehen; vielleicht hat der etwas. Ansonsten kann ich in drei, vier Monaten bei der Ernte helfen - und dann werde ich gehen."
Ob zurück nach Pakistan oder in ein anderes Land - das weiß Muhammed Qadeer noch nicht. Jetzt ist er erst einmal froh, dass er wieder auf freiem Fuß ist. Wilde Hunde streunen um das Abschiebelager Amygdaleza nördlich von Athen. Auf der anderen Seite der hohen Zäune und Mauern sind nach wie vor fast 2.000 Männer, Frauen und auch Kinder zusammengepfercht und eingesperrt:
"Lasst uns frei! Macht das Tor auf", ruft einer aus dem Lager heraus. Wer illegal nach Griechenland einreist und von der Polizei erwischt wird, den steckten die griechischen Behörden bislang in diese überfüllten Lager. Dort sollten sie auf ihre Abschiebung warten, aber nur selten schoben die Behörden tatsächlich Flüchtlinge ab; für viele Menschen wurden die Abschiebelager zur vorläufigen Endstation.
30 Lager werden geräumt
Gleich nachdem er sein neues Amt angetreten hatte, sagte der neue Staatssekretär Giannis Panousis von der griechischen Linkspartei Syriza, er schäme sich für diese Zustände. Kurzerhand hat die neue Regierung die Behörden angewiesen, nach und nach alle 30 Abschiebelager in Griechenland zu räumen. Der Chef der Ausländerpolizei für die Region Athen, Ioannis Fragkiskos, klingt selbst noch etwas erstaunt:
"Die neuen Regeln sind genau das Gegenteil von denen, die bislang galten: Bislang mussten die Flüchtlinge festgenommen werden, wenn sie aufgegriffen wurden. Jetzt aber bekommen sie eine Aufenthaltsberechtigung für sechs Monate."
Der Polizeichef steht zu der neuen Regelung:
"Das ist natürlich positiv aus humanitärer Sicht, denn es war ja gar nicht abzusehen, wie lange die hier noch festgehalten werden. Aber wir müssen sehen, wie das neue System jetzt wirkt."
Unklar ist nämlich, wo die vielen tausend Flüchtlinge unterkommen sollen, die bislang in den Abschiebelagern gefangen sind. Die griechische Regierung will neue Heime für Flüchtlinge einrichten, aber zum einen fehlt das Geld und zum anderen wehren sich vielerorts Anwohner gegen solche Pläne. Die Migrations-Expertin Eleni Chrisochoou meint, an der ablehnenden Haltung gegen Wohnheime für Flüchtlinge habe auch die bisherige Praxis der Abschiebelager Schuld:
"Damit wird geradezu ein Klima des Terrors geschaffen. Die Leute denken, dass die Menschen hier im Lager Kriminelle sind, dass die uns ausrauben wollen. Und alle beschweren sich und fühlen sich unsicher."
Wohin mit den Flüchtlingen?
Sie appelliert an ihre Mitmenschen, Verständnis für die Flüchtlinge zu zeigen. Doch Verständnis allein wird nicht reichen. Nur die wenigsten Flüchtlinge kommen im griechischen Alltag so gut zurecht wie der bereits freigelassene Mohammed Qadeer aus Pakistan, der jetzt fließend Griechisch spricht und jetzt händeringend Arbeit sucht:
"Das ist das einzige Problem. Mit den Griechen komme ich gut klar, das sind gute Leute. Aber es gibt kein Geld."
Einige griechische Journalisten haben bereits beobachtet: Die meisten der jetzt frei gelassenen Flüchtlinge wissen nicht, wo sie hinsollen, weil sich niemand um sie kümmert. Sie wollen am liebsten weiterziehen nach England, nach Deutschland oder Schweden, dorthin, wo es Arbeit gibt. Zunächst aber fahren sie in die großen Städte wie Athen oder Patras - und dort vor allem in die Stadtviertel, in denen ohnehin schon viele Flüchtlinge leben. Das wird neue soziale Probleme bringen, auf die Griechenland nicht vorbereitet ist, warnen Zeitungskommentatoren in Athen.