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Flüchtlingspolitik in Äthiopien
Raus aus den Lagern

In den meisten Ländern Ostafrikas müssen Flüchtlinge aus den Nachbarländern in ausgewiesenen Camps bleiben. Eine Chance auf Integration, ein neues, normales Leben und eine neue Heimat gibt es dort nicht. Äthiopien hat begonnen, das zu ändern und bekommt dafür Unterstützung aus Europa.

Von Linda Staude | 02.02.2019
    Symbolbild: Flüchtlinge stehen zwischen Zelten in Äthiopien
    Flüchtlingscamp in Äthiopien. Eine neue Politik soll den Flüchtlingen bessere Perspektiven bieten. (dpa / World Vision / Lucy Murunga)
    Aus einem kleinen Café plärrt Musik über die heiße, staubige Straße. Kunden stöbern in Dutzenden Läden nach Zwiebeln und Karotten, nach Kleidung und Handys. Eine Einkaufsstraße wie in jedem anderen Dorf im kargen Norden Äthiopiens. Aber Mai-Aini ist ein Lager für Flüchtlinge - vor allem aus Eritrea. Wie Kobrom, der in seinem winzigen Geschäft Taschen und Rucksäcke anbietet.
    "Ich könnte auch woanders wohnen als im Lager. Man kriegt die Genehmigung, in die Stadt zu ziehen. Aber dafür braucht man mehr Geld zum Leben und die Ladenmiete. Das kann ich mir nicht leisten, aber möglich ist es."
    Politik der offenen Lager
    Kobrom ist seit gut zehn Jahren in Mai-Aini und kommt ganz gut über die Runden. Seine Waren kauft er in der Nachbarstadt, manchmal sogar in Addis Abeba. Zäune und Lagerzwang wie in den meisten anderen Ländern Ostafrikas gibt es nicht.
    "Äthiopien betreibt eine Politik der offenen Lager. Wenn Flüchtlinge zum Beispiel Familie außerhalb der Lager haben, bei der sie wohnen können, erlauben wir das. Bis jetzt galt das allerdings nur für Flüchtlinge aus Eritrea."
    Künftig sollen alle Flüchtlinge diese Chance bekommen, erklärt Mulugeta Zewdie vom äthiopischen Außenministerium. Das Parlament hat vor gut zwei Wochen ein Gesetz verabschiedet, dass sie sich eine Wohnung suchen dürfen – und einen Job. Für diese junge Frau aus dem Lager Hitsats das Wichtigste:
    "Wir brauchen Arbeit, hier in Äthiopien oder anderswo. Wir sind froh, dass wir hier leben dürfen, aber ohne Jobs gibt es keine Zukunft."
    Arbeit in Äthiopien statt Flucht nach Europa
    Langeweile und Hoffnungslosigkeit machen das Leben auch in den offenen Camps zur Hölle. Vor allem, weil die Menschen oft Jahre in ihnen festsitzen, sagt Benoit Haminyimana vom UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR.
    "Unsere Lager werden zu einer permanenten Einrichtung, weil es keine dauerhaften Lösungen für die Flüchtlinge gibt. Sie können nicht nach Hause zurück und erwarten nur, dass sie für eine Umsiedlung in Drittländer in Frage kommen." Also nach Europa oder in die USA. Das neue Gesetz soll ihnen eine Alternative bieten – wenn sie die erhofften Jobs finden.
    Überall in Äthiopien wird gebaut. Bürogebäude, Straßen – und Industrieparks für ausländische Investoren. Die sollen rund 100.000 Arbeitsplätze schaffen - ein Drittel davon reserviert für Flüchtlinge.
    "Dadurch wollen wir den Integrationsprozess fördern. Wir glauben, dass die Flüchtlinge integriert werden sollten", so Mulugeta Zewdie. Die EU unterstützt das Vorzeigeprojekt mit mehreren Millionen Euro an Krediten und Zuschüssen.
    Francisco Carreras von der EU-Delegation in Addis Abeba: "Beschäftigung für die Menschen zu schaffen, ist ein echter Beitrag zur Konfliktprävention, zu nachhaltiger Entwicklung und Wohlstand, aber auch zur Vermeidung von erzwungener Vertreibung und Migration der Bevölkerung".
    Das sogenannte Jobs Compact Programm reicht bei weitem nicht aus für die mittlerweile fast eine Million Flüchtlinge in Äthiopien. Aber es gibt Hoffnung. Tasfahiwad in Mai-Aini träumt im Moment zwar noch von einer Umsiedlung nach Europa oder Amerika, aber: "Ich bin gar nicht so wild auf Europa. Ich will nur arbeiten und ein gutes Leben haben."