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Flüchtlingspolitik
Kein Plan B für die Verteilung in Europa

Die EU-Innenminister beraten heute in der slowakischen Hauptstadt Bratislava über die Fluchtroute Mittelmeer und über die Verteilung der Flüchtlinge innerhalb Europas. EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos meinte, dass die Umverteilungszahlen noch immer sehr armselig seien. Dennoch setzt er auf die Umsetzung des Beschlusses.

Von Karin Bensch |
    Ein Foto der Hilfsorganisation SOS Mediterranee zeigt Flüchtlinge in einem sinkenden Schlauchboot vor Lampedusa.
    Ein Foto der Hilfsorganisation SOS Mediterranee zeigt Flüchtlinge, die später nach Lampedusa gebracht wurden. (picture alliance / dpa / SOS Mediterranee )
    "Das Mittelmeer, das ist sicherlich die Hauptmigrationsroute."
    Sagt Berndt Körner, stellvertretender Exekutivdirektor von Frontex. Frontex ist der europäische Dachverband der Grenzbeamten, die die EU-Außengrenzen in Zukunft besser schützen und mehr illegale Migranten rückführen soll. Das Mittelmeer ist deshalb eine Art "Flüchtlingsautobahn" geworden, weil Menschenschlepper dort Millionen verdienen, sagt Körner.
    "Weil sich halt die Umstände da aus Sicht der kriminellen Netzwerke dahinter als sehr zielführend erweisen."
    Alle Hotspots in Italien "voll funktionsfähig"
    Der wichtigste Weg führt von Libyen an der nordafrikanischen Küste nach Italien. Wird Italien nun zum zweiten Griechenland?
    Nein, sagt Migrationskommissar Avramopoulos der ARD in einem Exklusivinterview. Italien sei jetzt besser vorbereitet als zuvor. Alle Zentren, in denen neuankommende Flüchtlinge registriert werden, die sogenannten Hotspots, sind voll funktionsfähig, so Avramopoulos.
    Die meisten Menschen, die über die zentrale Mittelmeerroute kommen, stammen aus Westafrika. Aus Gambia und Nigeria. Oder aus Ostafrika, etwa aus Eritrea. Sie flüchten vor Diktatoren. Oder vor Armut und Perspektivlosigkeit. Zäune übers Mittelmeer bauen kann und will die EU nicht. Aber den Zustrom aus Afrika bremsen, das will sie schon. Und dazu braucht sie die afrikanischen Länder. Mit einigen gibt es bereits Kooperationen.
    "Ich stehe in Kontakt mit den Regierungen der Sahelzone und einigen in Nordafrika", sagt Migrationskommissar Avramopoulos. "Wenn wir es schaffen, dass die Herkunfts- und Transitländer voll mitmachen, dann wird sich die Lage im Mittelmeer verbessern", meint Avramopoulos, im Interview mit dem ARD-Hörfunk.
    Es gehe nicht nur darum die Zuwanderung, sondern auch die Fluchtursachen in den Griff zu bekommen. Dazu müsse man die afrikanischen Länder in ihrer Entwicklung unterstützen, meint Avramopoulos.
    Treffen der Innenminister in Bratislava
    Über die Fluchtroute Mittelmeer werden die Innenminister und die Kommission heute in der slowakischen Hauptstadt Bratislava beraten. Aber auch über ein weiteres Reizthema: Die Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU. Gerade die Slowakei hat sich lange gegen die Aufnahme von Flüchtlingen gesträubt, will Muslimen keinen Schutz gewähren und klagt sogar – wie auch Ungarn – gegen die mehrheitlich beschlossene Flüchtlingsverteilung vor dem Europäischen Gerichtshof.
    Und genau diese Slowakei hat nun für ein halbes Jahr den Vorsitz der EU-Staaten. Kann da bis Jahresende überhaupt irgendwas in Sachen Verteilung voran gehen? Dazu will sich Migrationskommissar Avramopoulos nicht äußern. Er gibt aber zu, dass die Umverteilungszahlen noch immer sehr armselig sind.
    Nach den neusten Zahlen der EU-Kommission sind seit September vergangenen Jahres gerade einmal gut 2.800 Flüchtlinge von Griechenland und Italien auf andere EU-Länder umverteilt worden. Rund 2.800 von vereinbarten 120.000. Die Slowaken und etliche andere EU-Länder wollen einfach nicht mehr Flüchtlinge aufnehmen. Wäre es also nicht an der Zeit die Strategie zu ändern? Im Moment haben wir keinen Plan B, sagt Migrationskommissar Avramopoulos.
    Es gehe vielmehr darum, das was die Mehrheit der EU-Länder beschlossen habe, nun auch umzusetzen. Es wird spannend, wie die Slowakei mit diesem Widerspruch in der Flüchtlingsverteilung umgehen wird.