Archiv

Flüchtlingspolitik
Keiner will den Schwarzen Peter

Beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stauen sich die Asylanträge - mittlerweile sind es über 300.000 an der Zahl. Wer ist dafür verantwortlich? Europaparlamentspräsident Schulz wirft Innenminister de Maizière Versagen vor. In Berlin haben Anwälte unterdessen Klage wegen sich hinziehender Registrierungsverfahren eingereicht.

    Der Eingang vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
    Der Eingang vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. (picture alliance / dpa Armin Weigel)
    Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat die Mitarbeiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Schutz genommen. Aus seiner Sicht arbeiten die Mitarbeiter dort seit "vielen Monaten unter höchster Belastung" - inklusive positiver Auswirkungen. Die Asylverfahren seien jetzt kürzer als zuletzt, so de Maizière.
    Forderungen nach ausgedehnteren Arbeitszeiten, etwa Wochenendeinsätzen beim BAMF, steht de Maizière aber offen gegenüber: "Es gibt Gespräche darüber, das auszuweiten und das unterstütze ich." Bis Ende November dieses Jahres stieg die Zahl der unbearbeiteten Asylanträge auf über 350.000. Darüber hinaus werden noch Hunderttausende weitere erwartet, weil viele Flüchtlinge noch keinen Antrag gestellt haben.
    Gestiegene Flüchtlingszahlen

    Seit Jahresbeginn sind in Deutschland etwa 965.000 Flüchtlinge registriert worden. Das geht aus neuen Zahlen des Bundesinnenministeriums hervor. Die ursprünglich erwartete Zahl von 800.000 Menschen wurde damit, wie erwartet, überschritten.

    Alleine im November wurden 206.000 Flüchtlinge registriert - so viele wie in keinem anderen Monat dieses Jahres. Es wird aber angenommen, dass die Dunkelziffer noch deutlich höher liegt, unter anderem weil Behörden auch bei der Registrierung Probleme haben oder sich Flüchtlinge nicht registrieren lassen.

    Die Zahl der Flüchtlinge ist zudem deutlich höher als die der bisher eingereichten Asylanträge. Das liegt unter anderem daran, dass zwischen der Registrierung und dem Stellen des Asylantrags mehrere Wochen vergehen können.
    Gleichzeitig warnte der Innenminister aber vor einem Schwarze-Peter-Spiel auf dem Rücken der BAMF-Mitarbeiter. De Maizière reagierte mit seiner Äußerung auf Kritik, die in den vergangenen Tagen laut geworden war. Führende SPD-Politiker aus den Ländern hatten Mehrarbeit für die Ministeriumsmitarbeiter gefordert, allen voran die die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD): "Zustände, die nicht tragbar sind" kritisiert und von den BAMF-Mitarbeitern mehr Einsatz verlangt.
    Angesichts des Antragsstaus beim Ministerium warf der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), de Maizière persönliche Verfehlungen vor: "Der Minister muss endlich das umsetzen, was die Bundesregierung beschlossen hat, dann laufen die Dinge auch besser", so Schulz. Gemeint seien unter anderem Verwaltungsvorschriften.
    Altmaier nimmt BAMF in Schutz
    Doch das BAMF und seine Mitarbeiter bekommen auch Rückendeckung. Der Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung, Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU), und Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) nahmen die Behörde, ihre Mitarbeiter und ihren neuen Präsidenten in Schutz: "Frank-Jürgen Weise ist jetzt einige Wochen im Amt, und es hat sich in dieser Zeit unglaublich viel bewegt", sagte Altmaier in der ARD.
    Auch CSU-Chef Horst Seehofer sieht das Grundproblem nicht beim Ministerium. Seiner Meinung nach ist die Bundesregierung Schuld an der aktuellen Lage. Dass es so viele unbearbeitete Asylanträge gebe sei "eine sehr, sehr trübe Angelegenheit". Aber "die Knappheit des Personals dort haben nicht die Mitarbeiter zu verantworten", so Seehofer.
    Infografik über den Ablauf eines Asylverfahrens.
    Ablauf eines Asylverfahrens. (picture-alliance / dpa-infografik)
    Klage gegen Behörde in Berlin
    Der Umgang der Behörden mit Flüchtlingen bereitet auch an anderer Stelle Probleme. In Berlin haben jetzt mehr als 40 Anwälte Klage eingereicht. Sie werfen dem Landesamt für Gesundheit und Soziales in der Hauptstadt Körperverletzung und Nötigung im Amt vor, weil Flüchtlinge nicht schnell genug registriert würden. Die Klage richtet sich gegen Sozialsenator Mario Czaja von der CDU und den Präsidenten des Landesamtes, Franz Allert. Seit Monaten warten auf dem Vorplatz der Aufnahmestelle in Berlin jeden Tag Asylsuchende auf ihre Registrierung und müssen teilweise sogar auf der Straße übernachten. Die Anwälte sprachen von einem systematischen Versagen der Behörden.
    (pr/tzi)