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Flüchtlingspolitik
Merkel dämpft Hoffnung auf schnelle Ergebnisse

Bei einem Treffen in Prag versuchen heute die Regierungschefs der Visegrad-Staaten - Tschechien, Slowakei, Polen und Ungarn -, Angela Merkel zu einem Kursschwenk in der Flüchtlingspolitik zu bewegen. Zudem stößt Merkels Forderung, die Flüchtlingsströme zumindest auch über europäische Kontingentlösungen zu mildern, auf offene Ablehnung.

Von Stephan Detjen |
    Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
    Deutschland und Europa – das ist Merkels Botschaft – müssen sich auf das Leben mit kurzfristig unlösbaren Krisen einstimmen. (pa/dpa/Stache)
    Irgendwie sollen auch noch deutsch-israelische Regierungskonsultationen in den Terminkalender der Kanzlerin vor dem schicksalsträchtigen EU-Gipfel am Donnerstag passen. Morgen kommt der israelischen Premierminister Netanjahu mit mehreren Ministern zur seit Langem verabredeten Begegnung der Kabinette aus beiden Ländern nach Berlin.
    Wo sollen auch die Probleme Israels in diesen Tagen noch Platz finden in der Agenda der Kanzlerin, könnte man fragen. Aber vielleicht ist ja gerade das Treffen mit dem in Nahostkonflikt gestählten Netanjahu eine passenden Einstimmung für das, was Angela Merkel in Brüssel bevorsteht.
    Steht sie tatsächlich so isoliert auf der europäischen Bühne, wie ihre Kritiker und skeptische Beobachter meinen? Die Telefondrähte im Kanzleramt jedenfalls glühen in diesen Tagen, beteuert Kanzleramtschef Peter Altmaier:
    "Wir sind im engen Gespräch mit vielen Freunden, die wir innerhalb und außerhalb der Europäischen Union haben."
    Zerfall der europäischen Solidarität in der Flüchtlingskrise schreitet voran
    Am Abend vor dem Gipfel wird auch der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, noch einmal zu einem Gespräch mit der Kanzlerin nach Berlin kommen. "So viel an europäischer Gemeinsamkeit wie noch irgend möglich" ist das politische Mantra, das beide in diesen Tagen allerorten wiederholen. Doch der Zerfall der europäischen Solidarität in der Flüchtlingskrise schreitet voran. In Prag treffen sich in diesen Stunden die Staaten der Visegrad Gruppe – Tschechien, Slowakei, Polen und Ungarn -, um über die Abriegelung der Balkanroute zu beraten.
    "Wenn ein Land versucht, alleine seine Interessen durchzusetzen, wird es am Ende seinen Interessen am meisten schaden", warnt Kanzleramtschef Altmaier. Doch auch Merkels Forderung, die Flüchtlingsströme zumindest auch über europäische Kontingentlösungen zu mildern, stößt auf offene Ablehnung.
    Am Samstag erteilte der französische Staatspräsident Manuel Valls der Kanzlerin eine offene Absage am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz. Am Vorabend hatte der britische Premier Cameron Merkel bei einem Treffen in Hamburg mitgeteilt, was der britische Botschafter in Berlin Sebastian Wood am Sonntag auch im Deutschlandfunk Interview der Woche der deutschen Öffentlichkeit erklärte:
    "Wenn wir selbst an einem Umverteilungsprogramm teilnehmen würden, gäbe es nach unserer Ansicht das Risiko, dass sich noch mehr Leute auf den Weg nach Europa machen, weil die Anziehungskraft von Großbritannien, wie hier auf Deutschland, ganz groß ist."
    Deutschland und Europa brauchen einen langen Atem
    Im Kanzleramt würde man es schon als Erfolg feiern, wenn Großbritannien seine finanziellen Unterstützungszusagen an die Türkei einlöst und Frankreich jene 30.000 Flüchtlinge beherbergt, zu deren Aufnahme sich Paris verpflichtet hat. Die wichtigste Rolle bei der versprochenen Reduzierung der Flüchtlingszahlen spielt aus Sicht Angela Merkel ohnehin längst die Türkei.
    "Es hat sich viel getan in letzter Zeit", heißt es im Kanzleramt. NATO Schiffe seien auf dem Weg, um die Türkei und Griechenland bei der Kontrolle der Seegrenzen zu unterstützen. Die Lebensbedingungen in den türkischen Flüchtlingslagern hätten sich spürbar verbessert. Zugleich dämpft Merkel vorsorglich jede Hoffnung auf schnelle Ergebnisse ihrer Politik. Bei der Begegnung mit der polnischen Premierministerin Szydlo zog Merkel in der vergangenen Woche einmal mehr eine große, historische Parallele:
    "Ich glaube auch, dass wir nicht nach sechs oder sieben Monaten sagen können, etwas ist gescheitert oder nicht gescheitert. Wir wissen beide aus der Geschichte, dass manche Aufgaben sehr sehr lange dauern können. Wir haben die wunderbare Erfahrung der Deutschen Einheit gemacht, wir haben gesehen, wie Solidarnosc uns geholfen hat. Und viele haben damals auch nicht geglaubt, dass man etwas lösen kann und trotzdem ist es gelungen."
    Deutschland und Europa – das ist Merkels Botschaft – brauchen einen lange Atem, müssen sich auf das Leben mit kurzfristig unlösbaren Krisen einstimmen. Auch das vielleicht eine neue Gemeinsamkeit bei der morgigen Begegnung mit dem israelischen Regierungschef.