Die Idee klingt ähnlich wie vieles, das gerade erst auf dem Gipfel der EU-Innenminister auf Malta diskutiert wurde. Dort beschloss man, einen Ausbau der libyschen Küstenwache noch mehr als bisher zu unterstützen; es ging um eine Ertüchtigung des gescheiterten nordafrikanischen Staates, um Überlegungen, dort auch den Aufbau von so genannten Aufnahmekapazitäten für Flüchtlinge zu fördern. Und es ging auch um eine engere Zusammenarbeit mit anderen, stabileren nordafrikanischen Staaten wie Marokko oder Tunesien.
Trotzdem geht das, was der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann in der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" schreibt, noch einen entscheidenden Schritt weiter. Auch er meint neben Libyen vor allem Marokko und Tunesien, wenn er schreibt:
"Um die Schleuserbanden wirksamer zu bekämpfen, müssen wir ihnen die Geschäftsgrundlage entziehen, in dem die im Mittelmeer geretteten Flüchtlinge wieder zurückgebracht und zunächst in Nordafrika versorgt und betreut werden. Ein besserer Grenzschutz und ein paar Auffanglager reichen dafür aber nicht aus. Wir müssen die Transitländer darin unterstützen, Strukturen eines Aufnahmelandes zu entwickeln, und ihnen helfen, eigene funktionsfähige Asylsysteme aufzubauen."
Flüchtlinge gar nicht erst nach Europa zu bringen, sondern aus internationalen Mittelmeer-Gewässern nach Nordafrika zurückzuschicken – diese vor allem von Ungarn und Österreich in den Raum gestellte Idee hatten die Staats- und Regierungschefs in Europa sich zuletzt ausdrücklich nicht zu eigen gemacht. Die CSU verfolgt den Plan, länger schon propagiert ihn auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière, CDU, erst hinter vorgehaltener Hand, inzwischen offen. Er rief Ende Januar auf Malta erneut zu europäischer Solidarität bei der Flüchtlingsaufnahme auf und fügte hinzu:
"Und wenn die Zahl noch größer wird, dann muss ein drittes Rechtsregime entstehen, wo man dann mit anderen Verfahren und anderen Maßnahmen der Sache begegnet, und das kann dann auch heißen: andere Standards, andere Verfahren und Rückführung in sichere Orte außerhalb Europas."
Und er bekräftigte vor Journalisten, das könne auch bedeuten, auf dem Mittelmeer Aufgegriffene direkt zurückzuschicken.
Dass sich auch die SPD dem anschließt, ist mindestens in der Deutlichkeit neu. Ganz im Gegenteilt hatte der Parteivize Ralf Stegner eine entsprechende Passage in einem Positionspapier der CSU-Landesgruppe im Bundestag noch vor fünf Wochen mit den Worten kommentiert: "Wir haben humanitäre Verpflichtungen im Mittelmeer." Auch die SPD wolle Schleppern das Handwerk legen. Vorschläge der CSU liefen aber immer wieder darauf hinaus, das Grundrecht auf Asyl auszuhöhlen.
Dabei bezweifeln manche schon, ob die bloße Rückführung ohne Asylprüfung in Europa mit dem Völkerrecht vereinbar ist. Andere verlangen in den entsprechenden nordafrikanischen Staaten eine Aufnahme unter EU-Standards – auch was Asylverfahren betrifft.
Auswärtiges Amt spricht von KZ-ähnlichen Zuständen
Welche Standards Thomas Oppermann vorschweben, bleibt offen. Wichtig ist das, weil sich die meisten Beobachter einig sind, dass EU-konforme Bedingungen in absehbarer Zeit nicht zu erreichen sein werden. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen spricht in Zusammenhang mit Libyen von "der automatischen, oft willkürlichen Internierung von Flüchtlingen unter beklagenswerten Umständen", das Auswärtige Amt von KZ-ähnlichen Zuständen.
Die Innenpolitikerin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, sagt aber auch über Tunesien und Marokko:
"Ich kenne nur Kritiken von den UN beispielsweise, dass man in bestehende Lager nicht mal hineinkommt. Von daher glaube ich einfach nicht an vernünftige Lager. Mir kann keiner erzählen, dass die EU dort im Moment ein Asylsystem schaffen will, was innerhalb von drei Monaten oder – sagen wir mal - kürzester Zeit wirklich den Leuten eine Perspektive gibt."
Schleusern würde im Übrigen so auch nicht das Handwerk gelegt, weil diejenigen, die nach Europa kommen wollten, es weiterhin auf eigene Faust versuchen würden. Dagegen verweist Thomas Oppermann auf Bemühungen der deutschen Entwicklungshilfeagentur GIZ, unter anderem die marokkanische Regierung beim Aufbau eines eigenen Asylsystems zu beraten.