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Flüchtlingspolitik
"Was Merkel entschieden hat, war richtig"

"Grottenfalsch" sei ein Bericht der "Bild-Zeitung", demzufolge Unionsmitglieder die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin kritisieren - das sagte Unionsfraktionschef Volker Kauder im DLF. Angela Merkel habe in einer Notlage richtig entschieden - und er selbst die Kanzlerin bereits öffentlich verteidigt.

Volker Kauder im Gespräch mit Jürgen Zurheide |
    Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder (CDU), spricht am 10.12.2014 in Köln (Nordrhein-Westfalen) beim Bundesparteitag der CDU.
    Unionsfraktionschef Volker Kauder (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    "Ich stehe zu dem, was die Kanzlerin gemacht hat und was wir in der Koalition vereinbart haben", sagte Kauder im Interview mit dem DLF. Die "Bild"-Zeitung hatte über Unions-interne Kritik an der Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin berichtet und dabei auch Kauders Namen genannt. Er selbst habe früh darauf hingewiesen, "dass das, was Kanzelerin vor 14 Tagen entschieden hat, aus einer ganz konkreten Situation heraus, Menschen in Notlage nach Deutschland kommen zu lassen, richtig war und richtig ist und richtig bleibt".
    Auch die Wiedereinführung von Grenzkontrollen verteidigte der Unions-Fraktionsvorsitzende: "Es war nötig, weil einige in Europa nicht mitspielen, dass wir unsere Grenzen nicht zumachen, aber Kontrollen einführen um zu sehen, dass die Registrierung stattfindet. Auch das ist völlig richtig und da gab es auch keine Irritationen in der CDU."
    "Am Grundrecht auf Asyl kann nichts verändert werden"
    Auf die von der Regierung geplante Verschärfung des Asylrechts angesprochen, sagte Kauder: "Ich habe sehr frühzeitig darauf hingewiesen, dass am Grundrecht auf Asyl nichts verändert werden kann." Auch die Position in der Fraktion sei klar: "Wir müssen die Menschen, die zu uns kommen, und einen Asylgrund haben, aufnehmen."
    Der Unionspolitiker nimmt derzeit in New York an einer globalen Konferenz zur Religionsfreiheit teil. Zu den insgesamt 300 Teilnehmern zählen Parlamentarier aus 48 Staaten, aber auch Repräsentanten von Regierungen und Nichtregierungsorganisationen. Dort nehme er wahr, so Kauder, wie Deutschland wegen der Aufnahmen von Flüchtlingen derzeit "als moralische Instanz gehandelt" werde. Dies nehme Ausmaße an, "das ist einem fast schon peinlich", sagte Kauder.
    Taten des IS: "Religionen müssen Verantwortung übernehmen"
    Die auf der Konferenz verhandelten Berichte zeigten, wie sehr die Brutalität der Verfolgung zugenommen habe", so Kauder mit Blick auf den sogenannten "Islamischen Staat". Als ein zentraler Ansatz der Konferenz zeichne sich bereits ab, dass "jede Religionsgruppe die Verantwortung für das übernehmen muss, was in ihrem Namen geschieht". Dies habe insbesondere das Beispiel der nigerianischen Terrormiliz Boko Haram offenbart.
    Auch der Einsatz für Religionsfreiheit im eigenen Land sei aber wichtig: So berichteten in Deutschland lebende Juden zurecht, dass es für sie schwer geworden sei. Zu immer wieder aufflammenden Protesten gegen den Bau von Moscheen sagte Kauder: "Zur Religionsfreiheit gehört, dass jede Gruppe ihre Gotteshäuser bauen darf und öffentlich ihren Glauben bekennen darf. Und dazu gehört natürlich, dass Moslems ihre Moscheen bauen dürfen, völlig klar."

    Das Interview in voller Länge:
    Jürgen Zurheide: In mindestens 100 Ländern dieser Welt werden Christen benachteiligt und verfolgt, und dieses Schicksal ist nicht nur Christen vorbehalten. An vielen Orten der Welt werden Menschen wegen ihrer Religion mindestens diskriminiert, wenn nicht schlimmer behandelt. In New York kommen jetzt in diesen Tagen Politiker aus aller Welt zusammen, und denen geht es im Wesentlichen darum, neue Impulse zu geben, an dieser schwierigen Situation etwas zu ändern. Einer davon ist Volker Kauder, der Fraktionschef der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und den haben wir jetzt am Telefon, und ich sage Guten Tag nach New York!
    Volker Kauder: Guten Tag nach Deutschland!
    Zurheide: Zunächst einmal, Herr Kauder, Verfolgung wegen Religion in der Welt – das hat zugenommen, das ist leider die eindeutige Erkenntnis auch dieser Konferenz?
    Kauder: Ja, und wir müssen leider konstatieren, auch auf dieser Konferenz, dass die Brutalität der Verfolgung zugenommen hat, und da steht natürlich vor allem ISIS im Irak und in Syrien.
    "Niemand kann behaupten, dass seine Religion die allein selig bringende ist"
    Zurheide: Das sind die ganz schlimmen Auswüchse, die entsetzlichen Auswüchse, aber es gibt eben auch unterhalb der Schwelle immer noch Länder - ich denke da jetzt zum Beispiel an die Türkei -, wo es ja Christen überhaupt nicht nur nicht gut geht, sondern wo sie aktiv behindert werden, und das in einem NATO-Partnerland. Das ist auch nicht hinnehmbar, oder?
    Kauder: Da haben Sie völlig recht, das mahnen wir auch immer wieder an. Die Türkei reagiert darauf sehr schnell verschnupft, ich habe auch heute Morgen den türkischen Botschafter hier bei der UNO auf das Thema angesprochen, da wird dann wenig Verständnis gezeigt. Aber das Interessante an dieser Konferenz hier in New York, die auf unsere Initiative entstanden ist, ist, dass über 150 Abgeordnete aus der ganzen Welt hier sind und berichten, welche Initiativen es gibt, natürlich auch der Eintritt für Religionsfreiheit im eigenen Land, das gehört auch dazu. Auch wir in Deutschland haben ja eine Konferenz gemacht von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion über jüdisches Leben in Deutschland, wo Juden zu Recht darauf hinweisen, dass es für sie manchmal schwer geworden ist.
    Zurheide: Welche neuen Ideen gibt es denn, gibt es irgendwo Hoffnung oder Licht am Ende des Tunnels?
    Kauder: Es gab zwei bemerkenswerte Statements: Das war einmal Ayatollah Mustapha aus dem Iran, der darauf hingewiesen hat, man müsse nicht den Koran neu formulieren, aber man müsse die Interpretation in die heutige Zeit hineintragen, der ein bewegendes Statement dafür gegeben hat, dass niemand behaupten kann, seine Religion sei die allein selig bringende, es gelte auch für seine – das war bemerkenswert. Und das Zweite, ein neuer Ansatz, den ich auch auf meinen Besuchen beispielsweise in Jordanien erlebt habe, war der Erzbischof Onaiyekan aus Nigeria, der gesagt hat, Boko Haram kann nicht bekämpft werden von den Christen in Nigeria, sondern das müssten schon die muslimischen Glaubensführer selber machen. Das war ein großer Beifall dafür, dass also jede Religionsgruppe Verantwortung dafür übernehmen muss, was in ihrem Namen geschieht, und dass dort mehr getan werden muss. Und einer der ganz Aktiven aus Norwegen, der Kollege Raja, der dort im Parlament ist – selber Muslime, aus Bangladesh kam mit seinen Eltern –, hat gesagt, es ist schwer für Muslime, in Europa zu leben, aber es ist noch schwerer für Christen, in islamischen Staaten zu leben. Also es wird hier sehr intensiv diskutiert, und das Ergebnis, kann man jetzt schon sagen, heißt: Wir müssen mehr darüber reden, Transparenz schaffen und uns zusammentun in den nationalen Parlamenten, um Missstände anzuprangern.
    "Religion ist kein Grund, jemand zurückzuweisen"
    Zurheide: Ich will das nicht vergleichen, aber Sie haben es gerade angesprochen: Auch für Muslime ist es gelegentlich hier bei uns nicht immer ganz leicht, wir haben auch Kämpfe um Moscheen gehabt, da müssten Sie als Christ auch sagen, das geht gar nicht, oder?
    Kauder: Ich bin viel unterwegs in Deutschland zum Thema Religionsfreiheit und verfolgte Christen, und da weise ich jeden Abend darauf hin, dass zur Religionsfreiheit gehört, dass jede Gruppe ihre Gotteshäuser bauen darf, dass sie öffentlich ihren Glauben bekennen darf, und dazu gehört natürlich, dass die Muslime das Recht haben, Moscheen in Deutschland zu bauen, ja, völlig klar.
    Zurheide: Übrigens, wo wir bei diesem Thema sind, muss man natürlich auch fragen, wenn dann Länder der europäischen Gemeinschaft Flüchtlinge zurückweisen, weil sie die falsche Religion haben, das geht dann auch nicht, oder wie sehen Sie das?
    Kauder: Nein, die Religion ist kein Grund, jemand zurückzuweisen. Das Einzige ist, dass wir unterscheiden müssen zwischen denen, die Asylrecht haben nach unserem Recht, und denjenigen, die kein Asylrecht bekommen. Die Religionszugehörigkeit darf keine Rolle spielen.
    Zurheide: Wenn wir da übrigens dann beim Thema gerade sind: Es tobt ja hier eine heftige Debatte in der Bundesrepublik, das kriegen Sie auch bis nach New York mit, dass das Asylrecht möglicherweise verschärft werden muss – ist das in diesem Kontext, auch wie Sie es da gerade jetzt in New York diskutieren, eigentlich richtig, glauben Sie, dass das gemacht werden muss?
    "Das Lob für Deutschland ist einem fast schon peinlich"
    Kauder: Ich habe sehr frühzeitig darauf hingewiesen, dass am Grundrecht auf Asyl nichts verändert werden kann, dass wir das auch nicht wollen, und hier in New York wird regelmäßig in diesen zwei Tagen unter großem Beifall Deutschland als die moralische Instanz in der Welt dargestellt, weil wir so viele Flüchtlinge aufnehmen. Wir kommen uns hier in New York vor, wir können uns das gar nicht vorstellen, in jedem zweiten Satz wird darauf hingewiesen, was Deutschland macht, ist großartig, kein anderes Land. Wir werden hier hoch gelobt, das ist einem fast schon peinlich.
    Zurheide: Dabei hat es ja in dieser Woche auch so in Ihrer eigenen Partei die ein oder andere Irritation gegeben über die wechselnden Botschaften, die die Kanzlerin möglicherweise gegeben hat – erst zu sagen, ja, wir sind in dieser humanitären Notlage bereit aufzunehmen und dann machen wir die Grenzen doch wieder zu. Gab es da Kritik, oder wie sehen Sie das?
    Kauder: Also ich habe zunächst einmal ganz früh darauf hingewiesen, dass das, was die Kanzlerin vor 14 Tagen entschieden hat, aus einer ganz konkreten Situation heraus, menschlichen Notlage heraus, Flüchtlinge nach Deutschland kommen zu lassen, richtig war und richtig ist und auch richtig bleibt. Ich hab die Kanzlerin darin unterstützt, und wir haben dann in der Koalition vereinbart, dass wir etwas mehr Ruhe in die Bewegung bringen müssen und dass wir wieder zu den Regeln kommen müssen, die in Europa gelten: Registrierung beispielsweise, Außengrenzen schützen. Und dafür war es notwendig, weil einige in Europa nicht mitspielen, dass wir unsere Grenzen jetzt nicht zumachen, aber dann Grenzen Kontrollen einführen, um zu sehen, dass die Registrierung stattfindet. Und auch dieses ist völlig richtig, und da gibt es auch keine Irritation bei uns in der CDU. Es gab eine Meldung in einer Tageszeitung, dass wir die Kanzlerin nicht unterstützen, da wurde auch ich beispielhaft genannt. Grottenfalsch die Aussage, denn zu dem Zeitpunkt, wo ich angeblich geschwiegen habe, habe ich öffentlich in der ARD die Position der Kanzlerin und ihre Politik verteidigt, also das war völlig falsch. Nein, es gibt für mich überhaupt kein Vertun und kein Rütteln, ich stehe zu dem, was die Kanzlerin gemacht hat und was wir jetzt als gemeinsame Position in der Koalition vereinbart haben.
    "Der angebliche Christenclub nimmt großzügig Muslime auf"
    Zurheide: Und wie viel Grummeln gibt es in der Fraktion, die dann doch eher auf CSU-Linie sind, denn die waren ja da etwas anders positioniert?
    Kauder: Ja, da gibt es natürlich den ein oder anderen, wie es halt so ist in einer großen Fraktion und großen Volkspartei, der da auch eine etwas differenzierte Meinung hat. Es gab ja auch schon die ein oder andere kleinere öffentliche Äußerung, aber ich sage Ihnen, wir haben ja auch hier in New York Kolleginnen und Kollegen dabei, die durch die Bank sagen, das, was die Bundeskanzlerin gemacht hat, ist richtig, und das, was wir jetzt vereinbart haben, ist richtig. Also ich würde mal sagen, die Position in unserer Fraktion ist klar: Wir müssen die Menschen, die zu uns kommen und einen Asylgrund haben, aufnehmen. Und es ist vielleicht auch eine Botschaft. Der sogenannte, von manchen, von der Türkei immer wieder genannte, der angebliche Christenclub, der nimmt großzügig Muslime auf, die in Not sind, während die islamischen Staaten da bisher noch keinen Zucker getan haben.
    Zurheide: Das war Volker Kauder, der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, aus New York. Wir haben dieses Interview kurz vor der Sendung aufgezeichnet, trotzdem herzlichen Dank!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.