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Flüchtlingspolitik
"Wir können unsere Gesellschaft nicht überfordern"

Der CSU-Politiker Max Straubinger hat sich von der Aussage Markus Söders, zwischen den Anschlägen in Paris und der Zuwanderung gebe es einen Zusammenhang, distanziert. "Terror ist das eine, die Zuwanderung das andere," sagte er im DLF. Dennoch dürfe man Menschen und Kommunen mit der Zuwanderung nicht überfordern.

Max Straubinger im Gespräch mit Dirk Müller |
    Der CSU-Politiker Max Straubinger bei einer Rede im Bundestag.
    Der CSU-Politiker Max Straubinger (imago/Metodi Popow)
    Die CSU bestehe auf eine Obergrenze für Flüchtlinge: "Wir haben begrenzte Aufnahmekapazitäten," so Straubinger. Auf konkrete Zahlen legte er sich nicht fest. Es müsse weiterhin denjenigen geholfen werden, die schutzbedürftig seien. Diejenigen, die keinen Anspruch auf Asyl hätten, müssten das Land jedoch wieder verlassen.

    Das Interview in voller Länge:
    Dirk Müller: Mitgehört hat der CSU-Politiker Max Straubinger, parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag. Guten Morgen.
    Max Straubinger: Herr Müller, guten Morgen!
    Müller: Herr Straubinger, wir folgen Armin Laschet und daraus erfolgt die Frage: Ist Markus Söder viel zu weit gegangen?
    Straubinger: Es wurde insistiert mit seiner Aussage, dass es einen Zusammenhang zwischen den Anschlägen und der massenhaften Zuwanderung geben könnte, und das ist ganz klargestellt worden, dass dies nicht der Fall ist. Das soll man auch nicht tun, sondern Terror ist das eine, die Zuwanderung ist das andere.
    Müller: Dann hat Markus Söder das völlig falsch verstanden, die Debatte in Bayern?
    Straubinger: Ich weiß es nicht, was Markus Söder insgesamt hiermit aufgefasst hat. Da müssen Sie Markus Söder selber fragen. Insgesamt gab es darüber natürlich jetzt diese Auseinandersetzung, wie Sie sie auch jetzt mit dem Herrn Laschet mit geführt haben. Ich glaube auch - und da bin ich konform mit Herrn Laschet -, dass zu viel Aufregung gemacht wird.
    Müller: Haben wir versucht, Herrn Söder anzufragen, haben leider eine Absage bekommen. Sie sind bei uns, Max Straubinger. Vielen Dank noch mal dafür. Obergrenze, das ist das nächste Stichwort mit Blick auch auf den CSU-Parteitag an diesem Wochenende. Ist das für Sie eine ganz klare politische Sache, ganz klare politische Forderung, die CSU besteht auf Obergrenzen?
    Straubinger: Das ist richtig. Das wird auch in unserem Leitantrag zum Ausdruck gebracht. Es geht letztlich darum, unsere Gesellschaft auch nicht zu überfordern. Wir stehen für Humanität, wir stehen für Hilfsbereitschaft, wir stehen auch für Aufnahme für bedrängte Menschen in der Welt, insbesondere wenn sie aus dem Bürgerkrieg kommen. Aber wir können auch nicht unsere Gesellschaft mit überfordern und das ist auch ein Prozess, den wir letztendlich gut in der Politik zu begleiten haben. Aber es geht auch darum, vor allen Dingen nur denen zu helfen, die tatsächlich hilfsbedürftig sind, die auch asylberechtigt sind. Aber genauso gehört zur Seite der Medaille des Asylrechts, die, die keine Aufnahme finden können in Deutschland, weil sie weder aus religiösen Gründen noch aus politischen Gründen verfolgt werden und auch nicht direkt dem Bürgerkrieg ausgesetzt sind, dass die auch wieder unser Land verlassen.
    Müller: Das ist ja weitestgehend, wenn wir das richtig verstanden haben, Konsens zwischen den Parteien, dass diejenigen, die nicht berechtigt sind, auch nicht in Deutschland bleiben sollen. Habe ich das falsch verstanden, dass die Obergrenze sich nicht auf diejenigen auch bezieht, die berechtigt sind?
    "Hier gilt es, natürlich die Kräfte zu stärken, die den IS in Schach halten"
    Straubinger: Natürlich wollen wir hier das eingrenzen, denn wir können nicht unsere Bürgerinnen und Bürger überfordern und auch nicht unsere Kommunen überfordern. Wir haben begrenzte Aufnahmekapazitäten und die Kommunen stöhnen. Vielfältigst müssen Turnhallen in Beschlag genommen werden. Damit kann möglicherweise nicht ein geregelter Sportunterricht erteilt werden beziehungsweise Vereine sind hier auch eingegrenzt in ihren Sportausübungen. Das muss mit den Bürgern dann auch mit diskutiert werden. Und zum Schluss geht es auch darum, passenden Wohnraum zu haben. Dies kann nicht von heute auf morgen alles geleistet und geschaffen werden.
    Müller: Damit wir uns besser, Herr Straubinger, orientieren können. Obergrenze: 800.000, vielleicht eine Million. Mehr als eine Million, die dieses Jahr mit großer Wahrscheinlichkeit zu uns kommen werden nach Deutschland. Wo ist die Grenze? Haben Sie eine Zahl im Kopf?
    Straubinger: Nein und das kann man auch an einer Zahl nicht festmachen. Denn es geht ja darum: Wie viele Menschen werden dann auch dauerhaft tatsächlich in Deutschland bleiben? Die Bundeskanzlerin an der Spitze und viele andere Staatschefs sind bemüht, die Krisensituationen im Nahen Osten zu entschärfen, dass auch Lösungen für Syrien gefunden werden, wie das derzeit die Außenminister in Wien hier versuchen, eine Lösung für Syrien zu finden. Und dann ist natürlich das entscheidende Moment, wenn der Bürgerkrieg beendet worden ist in Syrien, dass dann die Menschen aus Syrien auch wieder unser Land verlassen müssen, um dann in Syrien ihre Aufbauarbeit zu tätigen.
    Müller: Da sind sich aber einige nicht ganz sicher, ob der IS dabei mitspielen wird, plötzlich den Bürgerkrieg anzuhalten.
    Straubinger: Wir wissen nicht, was mit dem IS ist. Hier gilt es, natürlich die Kräfte zu stärken, die den IS in Schach halten beziehungsweise auch versuchen, den IS völlig auszuschalten aus der Gegend. Das ist mit eine Aufgabe der internationalen Politik.
    Müller: Herr Straubinger, kommen wir noch mal zu dieser Obergrenze. Sie sagen, man kann keine Zahl nennen, weil man ja nicht weiß, wie viele hier bleiben und wie viele noch kommen. Das heißt, die Obergrenze ist eine symbolische Forderung der CSU, weil die Partei es nicht weiter konkretisieren kann?
    Straubinger: Nein, das ist keine symbolische Forderung der CSU, sondern das ist Realitätspolitik dahingehend, dass wir die anpassen müssen nach der Integrationsfähigkeit auch unserer Gesellschaft.
    Müller: Wie wollen Sie das denn messen?
    Straubinger: Ich glaube nicht, dass wir dies so jetzt schon vollendet feststellen können und auch festhalten können in Zahlen, und ich halte auch wirklich nichts von Zahlendiskussionen. Hier werden etliche hunderttausend genannt. Aber was ist dann mit der Person, die über die 100.001 oder die 200.001 drüberkommt? Ist das dann closed shop? Das kann man so nicht festhalten. Das ist vielleicht, wenn ich die Diskussion von vorhin betrachte, mit Amerika anders. Niemand wird schwimmend versuchen, über den Atlantik zu kommen. In Europa ist es etwas anderes, dass die Engen, von der Türkei auf die Insel Lesbos zu kommen, einfach eine ganz andere Reichweite bedeutet, die die Menschen sich zutrauen, mit schlimmsten und kleinsten Booten und sonstiges zu überwinden.
    Müller: Herr Straubinger, wir haben nur noch ein paar Sekunden. Ich halte mal fest: Obergrenze sagt die CSU ja, wir wissen nur nicht, wo sie liegt?
    Straubinger: Das heißt nicht so, wir wissen nicht, wo sie liegt, sondern es geht um die Integrationsfähigkeit in unserer Gesellschaft. Das müssen wir mit den Bürgerinnen und Bürgern diskutieren.
    Müller: Bei uns heute Morgen der CSU-Politiker Max Straubinger, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag. Da klingelt schon der nächste Interviewpartner. Vielen Dank, Herr Straubinger. Einen schönen Tag Ihnen noch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.