Für die Unterbringung von Flüchtlingen und deren Integration brauche es mehr Geld und Unterstützung, forderte die Präsidentin des Deutschen Städtetages, Eva Lohse, im DLF. Auf Dauer müsse die Zuwanderung gesteuert und reduziert werden. Lohse lobt aber den Kurs der Bundesregierung.
Von einer Obergrenze hält Eva Lohse nichts. Die Überlegungen der Bundesregierung für eine Reduzierung der Zuwanderung gingen in die richtige Richtung. "Auf Dauer können die Städte das nicht leisten, aber auch die aufnehmende Gesellschaft nicht", sagte die Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen.
Mangel an Wohnraum
Die Unterbringung von Flüchtlingen werde derzeit immer schwieriger, vor allem die Erstunterbringung. Man müsse Notaufnahmelager bauen, aber "das ist ja keine gute Lebensform". Zudem werde es so schwerer Menschen zu integrieren. Es brauche echten Wohnraum, der sich aber nicht von heute auf morgen bauen ließe.
Lohse forderte außerdem, Bund und Länder müssten mehr Geld zur Verfügung stellen, damit Unterbringung und Integration von Flüchtlingen gelingen könnten. Zudem forderte sie ein Mitspracherecht des Deutschen Städtetags bei der Erstellung eines geplanten Integrationskonzepts.
Das Interview in voller Länge:
Jochen Spengler: Am Telefon ist nun Eva Lohse. Sie ist die Oberbürgermeisterin von Ludwigshafen, CDU-Mitglied und Präsidentin des Deutschen Städtetages, in dem sich die deutschen Städte zusammengeschlossen haben. Guten Morgen, Frau Lohse.
Eva Lohse: Guten Morgen!
Spengler: Sie haben gerade eine Tagung des Städtetages in Schwerin. Die Frage ist: Ist die Grenze der Belastbarkeit für die deutschen Städte bei der Unterbringung der Flüchtlinge erreicht, oder haben sie noch Luft?
Lohse: Grundsätzlich möchten wir immer feststellen, dass Bund, Länder und Kommunen gemeinsam in der Verantwortung sind, Menschen, die flüchten müssen und die verfolgt sind, bei uns aufzunehmen, und wir übernehmen dieses auch gerne. Aber es stimmt: Wir sind schon an unserer Leistungsfähigkeit angelangt. Mehr als eine Million pro Jahr, das ist eine Kraftanstrengung, und manche Städte sind schon am Limit.
"Echter Wohnraum baut sich nicht von heute auf Morgen"
Spengler: Würden Sie sagen, das heißt dann Zuwanderung steuern, Grenzen dicht machen, oder zumindest wie Österreich nur noch eine bestimmte Anzahl von Flüchtlingen täglich hereinlassen?
Lohse: Nein. Wir würden sagen, Zuwanderung steuern ja und deutlich reduzieren. Alle Anstrengungen müssen unternommen werden, dass wir nicht jährlich eine Million Flüchtlinge erwarten. Das können wir auch nicht leisten. Deswegen gehen all die Überlegungen der Bundesregierung in die richtige Richtung, auch all das, was im Asylpaket II vereinbart wird. Wir müssen in der Tat reduzieren, weil auf Dauer können die Städte das nicht leisten, aber auch die aufnehmende Gesellschaft nicht.
Spengler: Was geht denn derzeit nur noch schwer oder gar nicht, die Unterbringung oder die Verpflegung oder die Betreuung oder die Ausbildung?
Lohse: Die Unterbringung, die Erstunterbringung wird schon immer schwieriger, weil wir schon lange nicht mehr dezentral unterbringen können. Wir müssen Notaufnahme-Einrichtungen bauen, und das ist ja keine gute Lebensform. Aber es wird natürlich dann auch immer schwieriger werden, die Menschen zu integrieren. Dann brauchen wir echten Wohnraum und der baut sich nicht von heute auf morgen. Deswegen wird natürlich die dauerhafte Integration schwieriger, je mehr Menschen zu uns kommen.
Einige Länder haben Mittel gekürzt
Spengler: Echter Wohnraum braucht Geld. Haben Sie genug Geld als Städte?
Lohse: Wir können wirklich diese Kosten alle nicht alleine stemmen. Es sind sehr hohe Kosten und wir haben Forderungen an Bund und Land, dass man uns nachhaltig unterstützt. Das sind einmal die Kosten für die Erstunterbringung, aber wir denken natürlich weiter. Wenn die Menschen mit Bleibeperspektive dann auch zu integrieren sind, dann fallen hohe Sozialkosten an. Wir brauchen eine Kostenerstattung für die Kosten der Unterkunft. Wir möchten hier 100 Prozent Erstattung vom Bund. Und wir brauchen Unterstützung natürlich beim Wohnungsbau, beim Bau der Kindergartenplätze, beim Bau der Schulen, die notwendig sind. Es fehlen circa 80.000 Kindergartenplätze, die müssen erst gebaut werden.
Spengler: Versorgen denn die Länder ihre Kommunen, ob jetzt in Bayern oder in Nordrhein-Westfalen, überall gleich gut oder gleich schlecht?
Lohse: Das ist sehr unterschiedlich. Das können wir sehr schön nachweisen an dem Betrag, den der Bund uns jetzt zukommen hat lassen: die 670 Euro. Es gab Bundesländer, die haben dies direkt durchgereicht. Andere Bundesländer haben im Gegenzug ihre eigenen Mittel gekürzt, sodass nicht mal das Geld ankam.
Spengler: Wer zum Beispiel?
Lohse: Zum Beispiel in Rheinland-Pfalz, mein Bundesland. Bei uns wurden die Landesbeiträge gekürzt nach dem Durchreichen des Bundesgeldes. Wir brauchen einfach wirklich das Geld, weil im Moment die Hauptlasten bei den Kommunen hängen bleiben.
"Mit Integrationsleistungen so schnell als möglich beginnen"
Spengler: Es ist auch immer wieder die Rede von einem Integrationsgesetz. Braucht man das, oder ist derzeit schon klar geregelt, wer wofür in der Flüchtlingsintegration zuständig ist?
Lohse: Das ist dem Grunde nach geregelt. Es wird sicherlich in einzelnen Gesetzen noch Sondervorschriften und weitergehende Vorschriften brauchen, die auf die Sondersituation zugeschnitten sind. Wir begrüßen sehr, dass Bund und Land festgelegt haben, dass es ein Integrationskonzept geben soll, aber wir fordern dringend, dass wir hierbei umfassend beteiligt werden als kommunale Spitzenverbände, wenn dieses Konzept erstellt wird.
Spengler: Das ist bislang noch nicht vorgesehen, dass Sie beteiligt werden?
Lohse: Nein, das ist noch nicht vorgesehen. Aber wir stellen diese Forderung auf und ich gehe davon aus, dass man erkennt, dass die Hauptlast der Integration bei den Kommunen liegt und dass man uns auch beteiligt.
Spengler: Wie kommt man denn eigentlich von der bloßen Aufnahme von Flüchtlingen zur Integration? Was ist da nötig?
Lohse: Das ist ja jetzt die ganz große Aufgabe, dass wir mit Integrationsleistungen so schnell als möglich beginnen. Das beginnt natürlich mit der Sprache, das geht weiter mit der Integration in den Arbeitsmarkt. Wir müssen die Kinder und Jugendlichen versorgen. Wir haben traumatisierte Frauen und Jugendliche, denen wir Hilfe zukommen lassen müssen. Und es geht vor allem auch um Wohnraum.
Spengler: Ein bunter Strauß von Aufgaben.
Lohse: Ja.
Spengler: Eva Lohse, danke schön! Sie ist die Präsidentin des Deutschen Städtetages. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag noch.
Lohse: Danke schön!
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