Der Moderator im lombardischen Regionalfernsehen scheut sich nicht vor starken Worten: Er spricht vom "Krieg zwischen Norden und Süden" und meint damit den Streit über die Aufnahme von Bootsflüchtlingen, den Roberto Maroni angezettelt hat. Maroni ist Präsident der Lombardei und führender Politiker der ausländerfeindlichen Partei Lega Nord. Die dramatische Situation an den italienischen Küsten ist für ihn die Gelegenheit, sein politisches Profil zu schärfen. Seine Region werde keine weiteren Flüchtlinge mehr aufnehmen, verkündete er und drohte den lombardischen Bürgermeistern, die sich dieser Linie widersetzen, mit Budgetkürzungen:
"Wer noch Flüchtlinge aufnimmt, wird von der Region weniger Geld erhalten, als abschreckende Maßnahme. Was kann man sonst noch tun? Wir müssen die Flüchtlingsboote am Auslaufen hindern. Nicht mit Bomben, aber mit einer Seesperre. Und die Vereinten Nationen müssen in Libyen Flüchtlingslager schaffen, um die Menschen aufzunehmen, die ihr Leben riskieren, um nach Europa zu gelangen."
Die Verteilung der Bootsflüchtlinge, die in Italien an Land gehen, nimmt das Innenministerium vor. Berücksichtigt werden Einwohnerzahl und Wirtschaftsleistung der jeweiligen Region. Die Lombardei zeichnet sich im Gegensatz zu den Aussagen von Maroni aber nicht durch eine unverhältnismäßig starke Präsenz von Flüchtlingen in den Auffangzentren aus. Auf 100.000 Einwohner kommen weniger als 100 Flüchtlinge.
In den süditalienischen Regionen Sizilien, Kalabrien und Molise werden proportional zur Einwohnerzahl viel mehr Menschen betreut. Doch Roberto Maroni hat mit seiner harten Linie durchaus Rückhalt in der Bevölkerung.
"Er hat recht", sagt eine Frau, " ich weiß nicht, wieso diese Menschen nicht nach Spanien oder sonst wohin gehen, sondern alle zu uns kommen. Sie wollen ja gar nicht in Italien bleiben, sie wollen nach Schweden, nach Norwegen, aber am Ende bleiben sie hier hängen, weil sie kein Geld haben."
"Wir haben schon zu viele Einwanderer", sagt eine andere, " in ganz Italien, egal in welcher Region. Wir brauchen Hilfe von außen, Europa muss uns helfen."
Politiker der Lega Nord schüren die Angst der Bürger, weil sie Stimmen bringt. Doch manchmal geht der Schuss nach hinten los. Der Bauarbeiter Michele Togno hat genug von den Schreckensszenarien der Lega Nord:
"Es sind viele Flüchtlinge, ja, aber wenn sie sich anständig benehmen, hab ich nichts gegen ihre Aufnahme. Die Lombardei hat in der Geschichte viele Menschen aufgenommen, die sich in Not befanden. Denken wir nur an die Nachkriegszeit zurück."
Damals kamen vor allem Süditaliener in den Norden - auf der Suche nach Arbeit. Damals gab es aber auch großen Bedarf. Italiens Norden erlebte ein Wirtschaftswunder und die Arbeitsvermittler fingen die Menschen bereits am Bahnhof von Mailand ab, um sie unter Vertrag zu nehmen. Heute ist die Situation eine andere: Der Aufschwung kommt nur langsam und schlägt sich erst zaghaft in den Beschäftigungszahlen nieder.
Doch nicht alle Regionen Norditaliens reagieren mit Ablehnung auf das Quotensystem der Regierung. Friaul-Julisch-Venezien, ganz im Nordosten des Landes gelegen, ist zur Aufnahme bereit. Hier regieren die Linksdemokraten. Linda Tomasinsig, Bürgermeisterin von Gradisca dÌsonzo, fordert im Regionalfernsehen der Lombardei eine gemeinsame Lösung:
"Dieser Krieg zwischen Norden und Süden muss beendet werden. Italien ist aufgerufen, diese Krise zu meistern. Es handelt sich hier um eine menschliche Tragödie, und aus der kommen wir nur heraus, wenn wir uns gegenseitig unterstützen."
Regierungschef Matteo Renzi, dem sehr an seinem Bild als durchsetzungsfähiger Macher liegt, scheint die Flüchtlingsquoten für den Norden nicht neu verhandeln zu wollen. Er hat den Gemeinden in der Lombardei, die Flüchtlinge aufnehmen, stattdessen finanzielle Hilfe aus Rom versprochen.