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"Exodus47"
Ein Flüchtlingsschiff und die Staatsgründung Israels

Vor 75 Jahren stoppte die britische Marine auf dem Mittelmeer das Flüchtlingsschiff „Exodus47“. An Bord waren 4.500 Holocaust-Überlebende auf dem Weg nach Palästina, damals britisches Mandatsgebiet. Sie wurden nach Deutschland zurückgebracht.

Von Alois Berger | 19.08.2022
Britische Soldaten mit weißen Helmen bahnen sich unter Anwendung von Tränengas ihren Weg auf dem Schiff. Mehrere tausend Juden waren am 11. Juli auf der "Exodus 1947" und anderen Schiffen von Frankreich aus ins unter britischem Mandat stehende Gelobte Land aufgebrochen. Bei dem Versuch, die britische Sperre um Palästina zu durchbrechen, wurde die Exodus am 18. Juli 1947 auf dem Mittelmeer von der britischen Armee gestoppt. Die "Exodus 1947" (vormals "Präsident Warfield") wurde anschließend von der britischen Marine in den Hafen von Haifa gebracht.
Britische Soldaten mit weißen Helmen bahnen sich unter Anwendung von Tränengas ihren Weg auf dem Schiff. (picture-alliance / dpa)
Als die völlig überladene "Exodus" vor 75 Jahren im Hafen von Haifa anlegte, sah man dem Schiff die Spuren des Kampfes deutlich an. Die Bordwände waren eingedrückt, die oberen Stockwerke zerstört und die 4.500 Passagiere, allesamt Überlebende des Holocaust, waren sichtlich mitgenommen, viele verletzt. Britische Kriegsschiffe hatten die Exodus 25 Kilometer vor der Küste Palästinas angegriffen und die Mannschaft überwältigt.

Jüdische Flüchtlinge wurden nach Deutschland deportiert

Cwi Chatkiewicz erzählt, dass seine Eltern damals auf dem Schiff waren. Er steht auf der Terrasse eines Restaurants in Haifa im Norden Israels und schaut auf den Hafen hinunter. Nur wenige Stunden durften seine Eltern damals im gelobten Land bleiben. Dann wurden sie zurückgebracht nach Deutschland, ein Trauma, sagt er, das sie lange verfolgt hat.

"So wie sie über die Verfolgung durch die Nationalsozialisten nicht gesprochen haben, so haben sie auch über die Exodus nicht viel geredet. Sie haben uns nur gesagt, dass sie gelitten haben auf der Exodus und dass es besser für uns ist, wenn wir nicht zu viel darüber wissen. Wir sollten nicht mitleiden."
Das legendäre Schiff Exodus im Hafen von Haifa, aufgenommen im Januar 1952
Das legendäre Schiff Exodus im Hafen von Haifa, aufgenommen im Januar 1952 (picture alliance / dpa / Cohen Fritz / Israeli Government Press Office)
Als sein Vater vor gut 30 Jahren starb, fand Cwi Chatkiewicz im Nachlass ein kleines rotes Büchlein, eng beschrieben in hebräischer Handschrift: das Tagebuch von David Chatkiewicz über die Irrfahrt im Sommer 1947.

"2. Juli: Wir verließen Deutschland um Mitternacht und fuhren mit mehreren Autos zur französischen Grenze. In Mühlhausen in Frankreich wurden wir mit Brot, Kaffee und Obst versorgt. Um 4 Uhr morgens fuhren wir mit dem Zug weiter. 6. Juli: Am Bahnhof Marseille holten uns Mitglieder der jüdischen Organisation Palmach mit Lastwagen ab und brachten uns in den Kibbuz Beit Meir bei Marseille. Die Frauen konnten die Nacht in den Häusern verbringen, die Männer schliefen im Freien. 7. Juli: Palmach-Mitglied Eliyahu versicherte uns, dass wir bald nach Israel reisen würden."
David Chatkiewicz war zuversichtlich. Der 7. Juli 1947 war sein 32. Geburtstag, und es sah so aus, als ob genau jetzt sein Traum in Erfüllung gehen würde: die Auswanderung nach Israel, in ein Land, das es bislang nur als Hoffnung gab, als Hoffnung auf ein neues Leben in Würde und ohne Verfolgung. 32 Jahre zuvor war Chatkiewicz in der ostpolnischen Stadt Łomża geboren worden. Als die deutschen Truppen 1939 in Polen einfielen, floh er in die Sowjetunion. Als er fünf Jahre später in seine polnische Heimat zurückkam, war da keine Heimat mehr. Die Nazis hatten alles Jüdische ausgelöscht, die Schtetl zerstört, die Verwandten ermordet. Die polnischen Nachbarn begegneten den Heimkehrern oft mit kalter Ablehnung. Als es dann noch zu antisemitischen Übergriffen kam, mit Dutzenden von Toten und Verletzten, zog Chatkiewicz weiter nach Westen, und nicht nur er. Rund 200.000 Juden flohen nach dem Krieg aus Osteuropa nach Deutschland. Sie wollten nicht zu den Deutschen, sie wollten unter den Schutz der US-Truppen. David Chatkiewicz landete schließlich in der Sedan-Kaserne in Ulm. Die Sedan-Kaserne war eines von rund 60 Auffanglagern der westlichen Siegermächte für verschleppte und vertriebene Juden in Deutschland.

Im Auffanglager der westlichen Siegermächte

David Chatkiewicz lernte dort seine jüdische Frau Mali kennen. Gemeinsam wollten sie nach Palästina, wie so viele Juden, die den Völkermord überlebt hatten und nun ausgerechnet in Deutschland gestrandet waren. Die Auffanglager waren für sie nichts anderes als der Warteraum für die Ausreise nach Amerika oder Palästina.

"9. Juli: Am Nachmittag wurden wir informiert, dass wir am Abend losfahren würden zum Hafen. Alle waren glücklich. 10. Juli: Um 11 Uhr kamen wir im Hafen von Sète an. Wir gingen an Bord eines Schiffes, das die Flagge von Honduras trug. Wir erhielten Visa für Kolumbien, die vom französischen Zoll akzeptiert wurden. 4.500 Menschen gingen an Bord, darunter 900 Kinder."

Die honduranische Flagge und die kolumbianischen Visa waren eine sehr durchschaubare Tarnung. Sie sollten es den französischen Beamten erleichtern, den Dampfer frei zu geben. Denn der britische Außenminister Ernest Bevin war eigens von London nach Paris gereist, um die französische Regierung dazu zu bringen, die Abfahrt des Schiffes nach Palästina zu verhindern.

"Die Briten verlangten, dass uns die französische Regierung vom Verlassen des Hafens abhält. Es war schwierig für die Schiffsbesatzung, ohne Lotsen aus dem Hafen zu fahren. Aber mit der Energie und dem Einsatz der jüdischen Seeleute legte das Schiff am 11. Juli um sechs Uhr morgens ab."
Ein historisches Farbfoto zeigt mehrere britische Kolonialbeamte neben Männern in arabischer Tracht vor einem Propellerflugzeug stehend
Der spätere König von Transjordanien, Emir Abdullah I. (zweiter von rechts) 2921 mit "Lawrence von Arabien", Lawrence, Thomas Edward (ganz links) und britischen Kolonialbeamten auf dem Flugplatz von Amman (picture alliance / akg-images)
Palästina stand seit 1917 unter britischer Herrschaft. Geographisch entsprach es in etwa dem Gebiet des heutigen Israel einschließlich Gazastreifen und Westjordanland. Als die Briten Palästina im ersten Weltkrieg von den Türken eroberten, lebten dort 66.000 Juden, das war rund ein Zehntel der Gesamtbevölkerung. 2.000 Jahre nach der Vertreibung durch die Römer träumten sie davon, in Palästina wieder einen jüdischen Staat aufzubauen. Die britische Regierung versprach zu Beginn, dabei zu helfen, und holte sich vom Völkerbund den ausdrücklichen Auftrag, in Palästina „die Einrichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk“ zu ermöglichen. Doch nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland stieg die Zahl der jüdischen Einwanderer aus Europa dramatisch an. Immer mehr Juden flohen vor der Verfolgung nach Palästina. Die Konflikte mit der arabischen Mehrheit häuften sich, wurden blutiger, es gab Tote und Verletzte. Die britische Regierung befürchtete einen Bürgerkrieg. Im Mai 1939 zog London die Notbremse. In einem Strategiepapier erklärte sie:

"Die Regierung Seiner Majestät verkündet jetzt unzweideutig, dass es nicht ihre Politik ist, aus Palästina einen jüdischen Staat werden zu lassen."

1939 sollte die Migration nach Palästina gestoppt werden

London begrenzte die Einwanderung auf 15.000 Juden pro Jahr. Nach fünf Jahren sollte die jüdische Migration nach Palästina endgültig gestoppt werden. Während die offiziellen jüdischen Organisationen protestierten, bereitete die paramilitärische Hagana, eine Art Volksmiliz der jüdischen Bevölkerung in Palästina, die verdeckte Einwanderung vor. Die Hagana kaufte alte Dampfer auf, um damit Überlebende des Holocaust von Europa nach Palästina zu bringen. Doch die Chancen, nach Palästina durchzukommen, waren gering. In den ersten beiden Jahren nach dem Krieg hatte die britische Marine fast 60 Schiffe auf dem Mittelmeer abgefangen. Nur fünf hatten es geschafft.

"11. Juli: Als wir den Hafen von Sète verließen, folgte uns sofort ein britisches Kriegsschiff. 13. Juli: Weitere Kriegsschiffe tauchten auf. Sie fragten, ob wir genug Wasser und Nahrung hätten und ob wir irgendwelche Hilfe bräuchten. Sie wollten wissen, warum wir unter honduranischer Flagge reisen. Wir beantworteten keine ihrer Fragen."
Am nächsten Tag ließ der 23-jährige Kapitän Aronowicz die Flagge von Honduras einholen und ein weißes Tuch mit blauem Davidstern aufziehen, die Fahne eines Landes, das es noch gar nicht gab. Passagiere und Crew sangen die Ha´Tikwa, die spätere Nationalhymne des Landes Israel. An der Reling wurde ein Schild befestigt mit dem neuen Namen des Schiffes: "Exodus 1947", in Anlehnung an die biblische Erzählung vom Auszug der Israeliten aus der ägyptischen Gefangenschaft. Drei Tage später zogen sich dunkle Wolken über der Exodus zusammen. David Chatkiewicz schrieb in sein Tagebuch:

"17. Juli:  Britische Schiffe kamen ganz nahe und informierten uns, dass sie den Befehl hätten, uns zu begleiten. Ein amerikanischer Priester, der mit uns reiste, rief ihnen zu, dass es nach internationalem Recht verboten sei, unserem Schiff auf offener See zu nahe zu kommen. Wir zählten zehn Kriegsschiffe, die uns verfolgten."

Britische Marine hat seit 1946 über 50.000 Juden auf dem Mittelmeer abgefangen

Kurz darauf glitt das Schiff an Zypern vorbei. Der Anblick der Insel legte sich bei vielen Passagieren schwer aufs Gemüt. Mehr als 10.000 Juden saßen dort bereits in britischen Gefangenenlagern. Insgesamt hatte die britische Marine seit 1946 gut 50.000 Juden auf dem Mittelmeer abgefangen.

"Die jungen Männer auf unserem Schiff bereiteten sich darauf vor, die britischen Soldaten vom Betreten des Schiffes abzuhalten. Konservendosen mit Fleisch, Milch und Fisch wurden ebenso an Bord gebracht wie Wasser und heißes Öl, um es auf die Soldaten zu gießen. Der Plan war, den Soldaten die Gewehre zu entreißen und ins Meer zu werfen. Am Abend wurden alle Luken geschlossen, um uns vor Tränengas zu schützen. Bis zur Küste waren es noch ungefähr 100 Kilometer."

Das britische Militär übernimmt die Kontrolle der "Exodus47"

In der Nacht wurden die Menschen auf der Exodus von zwei schweren Erschütterungen aus dem Schlaf gerissen. Die Briten hatten den Dampfer mit zwei Zerstörern in die Zange genommen. David Chatkiewicz notierte in seinem Tagebuch:

"Um 3 Uhr nachts griffen sie uns an. Unsere Leute warfen mit den Konservendosen und schütteten Wasser und heißes Öl auf die Soldaten. Vier von ihnen schafften es trotzdem, an Bord zu springen. Obwohl wir Angst hatten, kämpften wir bis 5 Uhr morgens. Dann ergaben wir uns, wir hatten viele Verletzte. Das Schiff sah aus wie ein Sieb."

Die Bilanz des Kampfes: drei Tote, rund 150 Verletzte. Die Briten übernahmen die Kontrolle über die schwer beschädigte Exodus und steuerten sie in den Hafen von Haifa. Die Verletzten wurden in ein Krankenhaus gebracht. Alle anderen mussten auf drei Transportschiffe umsteigen. Ein paar Stunden hatten sie das Land ihrer Sehnsucht vor Augen.

Von Haifa nach Marseille

"Wir konnten die schöne Stadt sehen, doch es wurde uns nicht erlaubt, die Küsten des Heiligen Landes zu betreten. Mit gebrochenem Herzen und ohne Möglichkeit, etwas zu tun, blieben wir in Gefangenschaft. An Land sahen wir Menschen, die blaue und weiße Fahnen schwenkten, aber die Polizei hielt sie davon ab, sich dem Hafenbereich zu nähern."

Am nächsten Morgen legten die drei Schiffe von Haifa ab. Sie fuhren nicht nach Zypern, sie fuhren an Zypern vorbei. London hatte beschlossen, den Juden zu zeigen, dass sich die Reise nach Jerusalem nicht lohnt, dass sie von nun an immer dort ankommen würden, wo sie zuvor mit viel Mühe aufgebrochen waren. Je näher die Passagiere Frankreich kamen, desto größer wurde ihre Wut. Nicht weit von Marseille ging das Schiff vor Anker. David Chatkiewicz hielt fest:

"29. Juli: Am Mittag kam ein kleines Boot mit Journalisten verschiedener Zeitungen heran. Sie sagten, dass die Passagiere, die vor uns angekommen waren, sich weigerten, von Bord zu gehen. Ein weiteres Boot mit jüdischen Männern kam auf uns zu. Sie rieten uns, unser Schiff ebenfalls nicht zu verlassen. Um 18 Uhr besuchte uns eine Delegation der französischen Regierung. Sie sagten, wir seien willkommen und dürften in Frankreich bleiben. Unser Wortführer erklärte, dass wir nach Israel wollten, sonst nirgendwohin. Er bat sie, allen zu erzählen, was uns die Briten angetan haben."

Proteste gegen " die KZ-Schiffe"

Kurz danach endet das Tagebuch. Die Tage an Bord vergingen quälend langsam. Am Ufer versammelten sich regelmäßig Demonstranten, die gegen die "KZ-Schiffe" protestierten, wie sie sie nannten. Die Artikel in den Zeitungen wurden länger und empörter, immer mehr internationale Blätter berichteten über die aus Palästina deportierten Juden. Nach dreieinhalb Wochen verlor die britische Regierung die Nerven. Sie ließ die Anker lichten und schickte die Schiffe wieder auf den Weg. Diesmal nach Hamburg, in die britische Besatzungszone in Deutschland. Ausgerechnet Deutschland. Die Schlagzeilen der internationalen Presse waren verheerend. Tenor: London zwingt die Überlebenden des Völkermords zurück ins Land der Mörder. Und es kam noch schlimmer. In Hamburg warteten Dutzende von Journalisten auf die Ankunft der Schiffe und sahen, wie britische Soldaten die Jüdinnen und Juden von den Schiffen prügelten. Verstörende Bilder gingen um die Welt, von britischen Soldaten, die auf Juden einschlagen, und gleichzeitig von britischen Offizieren, die sich um Verletzte kümmern, weinende Kinder trösten und alten Frauen beim Tragen ihres Koffers helfen. Denkt an Bergen-Belsen, schrien wütende Juden, als sie von Soldaten in vergitterte Züge gesperrt und in Internierungslager bei Lübeck eskortiert wurden.
Blick vom Ölberg auf Jerusalem und den Tempelberg (1947).
Im November 1947 beschloss die UN-Vollversammlung einen Teilungsplan für Palästina und rief zur Gründung eines jüdischen und eines arabischen Staates auf. (dpa / picture-alliance / akg /Philippe Joudiou)
Für London sei die Exodus ein Desaster gewesen, sagt der Schriftsteller und Politikwissenschaftler Rafael Seligmann: "Die ganze Welt konnte sehen, aha, die bringen sie wieder ins Land der Nazis. Das Aufbringen von Tausenden von KZ-Überlebenden und anderen Flüchtlingen und die Verbringung dieser Nazi-Opfer nach Deutschland hinter Stacheldraht, unter britischer Regie. Da hat man sich doch praktisch in die Tradition der Nazis gestellt. Das war für das Ansehen der britischen Regierung ein GAU."

Zwei Wochen nach den schlimmen Bildern von Hamburg erklärte London, man werde sich vollständig aus Palästina zurückziehen. Noch im November 1947 beschloss die UN-Vollversammlung einen Teilungsplan für Palästina und rief zur Gründung eines jüdischen und eines arabischen Staates auf. Die Juden jubelten, die arabischen Palästinenser waren entsetzt.
Proklamation der Unabhängigkeit des Staates Israel durch Ministerpräsident David Ben Gurion im Stadtmuseum von Tel Aviv am 14.5.1948.
Proklamation der Unabhängigkeit des Staates Israel durch Ministerpräsident David Ben Gurion im Stadtmuseum von Tel Aviv am 14.5.1948. (picture-alliance/dpa/akg-images)
Ein halbes Jahr später rief David Ben Gurion in Tel Aviv den Staat Israel aus. Fünf arabische Nachbarstaaten erklärten Israel sofort den Krieg, den Israel nach einem Jahr gewann. Die Ereignisse um die Exodus hätten den Weg bis zur Staatsgründung Israels abgekürzt, meint Rafael Seligmann:  

"Es hat den Beschluss zur Teilung Palästinas durch die Vollversammlung der Vereinten Nationen beschleunigt. Und vor allem in der öffentlichen Meinung der demokratischen Staaten war es ein enormer Erfolg."

Seligmann glaubt, dass die Untergrundorganisation Hagana das Scheitern der Exodus einplante, um die Welt aufzurütteln: "Im glücklichsten Fall hat man über 4.000 Leute nach Palästina geschafft und hat die Briten überlistet. Im ungünstigeren Fall hat man Märtyrer. Es war eine Schlacht um die öffentliche Meinung, vor allem in den Vereinigten Staaten und in den europäischen Staaten."

Als die Exodus in Frankreich ablegte, hatten die Briten bereits 50.000 Juden auf dem Mittelmeer abgefangen und in Zypern interniert. Die Welt aber hatte das kaum zur Kenntnis genommen, die meisten Länder hatten zwei Jahre nach dem Krieg eigene Probleme. Die Historikerin Jessica Posel hat auf Zypern eine Ausstellung über diese Zeit mit kuratiert. Für die Juden, die dort interniert waren, sei es ein Schock gewesen, sagt sie.

"Das waren Leute, die aus Konzentrationslagern befreit worden sind, die aus Verstecken befreit worden sind, also die  wirklich schon eine Tortur, eine Odyssee durch Europa hinter sich hatten. Und die jetzt sich erhofften, in Britisch-Palästina ein neues Leben starten zu können. Die überhaupt nicht damit rechneten, jetzt wieder in Lager zu kommen, auf engstem Raum aneinander gepfercht, zum Teil im Sommer in Zelten, der glühenden Hitze ausgesetzt."

Kurz vor der Staatsgründung Israels wurden die britischen Internierungslager geöffnet

Mit der Exodus-Tragödie rückten die britischen Lager in den Fokus der Weltöffentlichkeit - sowohl die Lager auf Zypern als auch die in Deutschland. Cwi Chatkiewicz, der Sohn von David und Mali Chatkiewicz, ist im November 1947 in der Admiral-Zimmermann-Kaserne in Wilhemshaven zur Welt gekommen - hinter hohen Mauern, bewacht von britischen Soldaten. Seine Mutter war eine von rund 50 Schwangeren auf der Exodus gewesen. Ein halbes Jahr war die Familie in der Kaserne eingesperrt, dann änderten die Briten ihre Politik. Kurz vor der Staatsgründung Israels wurden die Internierungslager geöffnet.

"Meine Eltern sind dann nach einigen Monaten mit mir erneut aufgebrochen nach Israel. Am 10. Oktober 1948 sind wir zum zweiten Mal dort angekommen. Andere Juden aus dem Lager in Wilhelmshaven sind sofort nach Öffnung der Tore losgefahren. Die ersten kamen noch am Tag vor der Unabhängigkeit Israels dort an."

Fast alle Passagiere der Exodus sind nach ihrer Freilassung nach Israel ausgewandert, so wie Hunderttausende andere europäische Juden. Auch Lea Goren, die als Zweijährige die Irrfahrt der Exodus mitgemacht hatte, reiste mit ihren Eltern wieder nach Südfrankreich und stieg dort erneut aufs Schiff.  An die Exodus kann sie sich nicht mehr erinnern, da war sie zu klein. Aber die zweite Ankunft in Israel hat sie noch in Erinnerung. Sie mussten monatelang in Zelten leben, erzählt sie, der junge Staat sei nicht vorbereitet gewesen auf so viele Einwanderer. Als ein Verwandter aus Deutschland nachkommen wollte, hätten ihre Eltern ihm abgeraten.

"Meine Eltern haben ihm geschrieben, komm nicht nach Israel. Wenn Du kannst, geh nach Amerika. Hier ist das Leben so hart, es gibt nichts, nur Krieg und eine Sprache, die wir nicht verstehen."

Das ist lange her. Wie Cwi Chatkiewicz lebt Lea Goren seit fast 75 Jahren in der Nähe von Haifa. Mehrmals im Jahr treffen sie sich mit anderen ehemaligen Passagieren der Exodus. Cwi Chatkiewicz hält Vorträge in ganz Israel über die dramatische Geschichte der "Exodus47". Damit sie nicht in Vergessenheit gerät.