Raus mit den Hardakim – das sollen die Kinder ultraorthodoxen Soldaten entgegenschreien. So steht es auf Flugblättern, die in Bnei Brak hängen - einer Stadt, in der vor allem ultraorthodoxe Juden wohnen. Hardakim, das ist ein Schimpfwort, eine Mischung aus dem hebräischen Wort für ultraorthodoxe Juden und dem für Insekt – gemeint sind damit ultraorthodoxe Juden, die zur Armee gehen. Diese ultraorthodoxen Soldaten zu beschimpfen, sei religiöse Pflicht, heißt es auf den Flugblättern. Und: Jedes Kind unter 15 Jahren, das Soldaten beschimpft hat und festgenommen wird, solle 130 Euro bekommen. Wer dabei von der Polizei geschlagen wird, noch einmal gut 70 Euro extra. Flugblätter, die sich speziell an Kinder richten, so etwas beunruhigt Menschen wie Adi Glick. Ihre Familie ist ultraorthodox, ihr Mann Soldat.
"Ich habe keine Ahnung, wer diese Flugblätter verbreitet, aber diese Hetze und diese Aufrufe zum Mord können noch Menschenleben kosten. Ich persönlich habe Anrufe bekommen, die das Leben meines Mannes bedrohten."
Drastischer Protest
Drohungen sind häufig, berichten israelische Medien. Extremistische Ultraorthodoxe sind auch schon vor den Privathäusern von Generälen der Armee aufgetaucht, um zu protestieren. Und in Jerusalem sind vor ein paar Wochen Puppen verbrannt worden - die bekleidet waren wie ultraorthodoxe Soldaten. Eine Tat, die auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verurteilt hat.
"Ein bedauerlicher Vorfall. Israelische Soldaten beschützen alle, auch die Ultraorthodoxen, auch diese Leute. Ich erwarte und verlange, dass alle Führer diese verachtenswerte Tat verurteilen und ich verlange auch, dass die Polizei die Verantwortlichen findet."
Polizeichef: "Das sind arme Schweine"
Der Hintergrund für den ganzen Streit: Traditionell mussten die Ultraorthodoxen nicht in der Armee dienen, um sich ihren Thora-Studien widmen zu können - im Gegensatz zu fast allen anderen Israelis. Doch seit einigen Jahren bemüht sich der Staat, auch die ultraorthodoxen Männer mehr und mehr in die Armee einzugliedern, in geschlechtergetrennten Einheiten und weitgehend so, dass sie nach den Regeln ihrer Religion leben können – große Proteste waren dennoch die Folge. Netanjahus Regierung, die unter anderem aus Ultraorthodoxen und Siedlern besteht, verfolgt dieses Ziel momentan nicht mehr so intensiv. Extremistische Ultraorthodoxe, die die Armee ablehnen, versuchen teilweise mit allen Mitteln, andere Ultraorthodoxe davon abzuhalten, in der Armee zu dienen. Für den früheren Jerusalemer Polizeichef Aryeh Amit ist klar:
"Es gibt ein Phänomen: Ultraorthodoxe Soldaten, deren Leben die Hölle ist. Wenn Sie mich fragen, das sind arme Schweine, die zur Armee gegangen sind, denn weder die Armee, noch die Polizei, noch der Staat schützt sie. Und sie befinden sich in dieser Not, weil sie Wehrdienst leisten wollen."
Offener Aufruf zum Mord
Eli Ben Dahan ist Vizeverteidigungsminister in Israel , er gehört der religiösen Siedlerpartei jüdisches Heim an. Seine Standpunkte: In der Thora stehe nicht geschrieben, dass man keinen Wehrdienst leisten dürfe. Und: Dass ultraorthodoxe Soldaten nicht ausreichend geschützt werden, das sei vielleicht in der Vergangenheit so gewesen.
"Dieses Problem hat man tatsächlich seit langer Zeit, wenn nicht sogar seit Jahren nicht angegangen. Ich bin dem Thema auf den Grund gegangen und habe ein spezielles Team aufgestellt - bestehend aus Vertretern der Staatsanwaltschaft, der Armee und der Polizei, die jeder Klage nachgehen werden."
Immer wieder ermittelt die Polizei. Aber immer wieder werden Menschen bedroht, tauchen neue Flugblätter auf. Das Flugblatt aus Bnei Brak, das Kindern Geld für Beschimpfungen verspricht, ist nur ein Fall. Auch in Mea She'arim, einem ultraorthodoxen Viertel in Jerusalem hingen vor kurzem Flugblätter. Mit dem Aufruf, weibliche Soldaten umzubringen und lieber Selbstmord zu begehen, als Militärdienst zu leisten.