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Flughafen BER
Delius: Wowereit ist für Chaos verantwortlich

Wann auf dem Berliner Flughafen BER Flugzeuge starten und landen werden, ist ungewisser denn je. Jetzt sind die Baukosten abermals nach oben korrigiert worden. Neu aufgetretene Mängel müssen beseitigt werden. Dies sei eine außergewöhnliche Schlamperei, sagte Piraten-Politiker Martin Delius im DLF.

Martin Delius im Gespräch mit Christoph Heinemann |
    Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses des Berliner Abgeordnetenhauses zum Flughafen BER, Martin Delius (Piraten), blickt am 14.03.2014 im Abgeordnetenhaus in Berlin zu Beginn der Sitzung des Ausschusses in die Kamera des Fotografen. Foto: Kay Nietfeld/dpa
    Macht den Aufsichtsrat für die BER-Planungsschlampereien verantwortlich: Martin Delius von der Piratenpartei ist Vorsitzender des Flughafenuntersuchungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus. (dpa picture alliance / Kay Nietfeld)
    Christoph Heinemann: Frauenkirche und Zwinger in Dresden, das Brandenburger Tor, Schloss Neuschwanstein oder der Kölner Dom – das sind historische und kulturelle Wahrzeichen, die für Deutschland stehen. Wahrscheinlich ist auch bei diesen Bauvorhaben einiges schief gelaufen, aber vielleicht nicht ganz so viel wie bei den jüngsten Denkmalen der Schaffenskraft öffentlicher Hände: Stuttgart 21, die Elbphilharmonie in Hamburg oder die Baustelle BER in Berlin.
    Zur Erinnerung: Dort sollen eines Tages Flugzeuge starten und landen. Die Wochenzeitung "Die Zeit" berichtet über einen dramatischen Zeitdruck, denn wenn der Siemens-Konzern nicht sofort mit dem Bau einer Entrauchungsanlage beginnt, dann schaffen es die Ingenieure nicht mehr, Ende Oktober 2016 verfällt die Baugenehmigung. Und dann? – Bonjour Tristesse.
    Heute tagt der Aufsichtsrat und er sucht nach einer Antwort auf die Frage, ob die Arbeiten an dieser Entrauchungsanlage schon begonnen haben oder nicht. Bisher gibt es nämlich zwei Antworten, ja und nein. Und es geht um die zusätzlichen Kosten, vermutlich über eine Milliarde mehr.
    Am Telefon ist jetzt Martin Delius von der Piratenpartei. Er ist Vorsitzender des BER-Untersuchungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus. Guten Morgen.
    Martin Delius: Guten Morgen, Herr Heinemann.
    Heinemann: Herr Delius, wir schauen jetzt mal in die ganz ferne Zukunft. Wenn Archäologen in 2000 Jahren in Berlin-Schönefeld graben, werden sie dann eine große Baustellenruine finden?
    Delius: Ich glaube, sie werden eine Baustellenruine gar nicht von einem Flughafen unterscheiden können. Die Frage ist, welche Knochen sie oder wie viele Knochen sie denn da noch finden, ob es verlassen gewesen sein wird, oder benutzt gewesen sein wird. Das kann ich Ihnen aber nicht beantworten, denn die Glaskugel ist für mich auch sehr trübe.
    Heinemann: Aber die Hoffnung haben Sie nicht aufgegeben, dass da tatsächlich eines Tages Flugzeuge starten und landen werden?
    Delius: Ja, die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt man sehr schön. Die Wahrheit ist, dass es natürlich schon so ist, dass die öffentliche Hand ja jetzt auch schon sehr viel Geld in dieses Projekt gesteckt hat und die Bauruine sicherlich die schlechteste aller möglichen Ausgänge dieses Projektes wäre.
    "Es könnten am Ende sechs oder sieben Milliarden werden"
    Heinemann: Stichwort Geld. Wie teuer wird BER?
    Delius: Dass es teuer wird, das ist ja schon seit Monaten sicherlich jedem Interessierten bekannt. Dass es jetzt dann 5,4 statt 2,2 Milliarden Euro sein sollen, nach den neuesten Angaben aus der Geschäftsführung, das überrascht dementsprechend nicht. Es könnte durchaus auch sein, dass es am Ende über sechs oder sieben Milliarden werden.
    Heinemann: Da ist noch Luft nach oben?
    Delius: Da ist Luft nach oben, insbesondere wenn man sich die ganze Verkehrsanbindung, die Infrastruktur, die darum herum ja schon gebaut ist, mit einberechnet, die ja eigentlich auch zum Projekt gehört, aber dann bei den immer in der Presse ausgewiesenen Kosten nicht mit einbezogen wird.
    Heinemann: Herr Delius, wissen Sie, ob Siemens mit den Arbeiten für die Entrauchungsanlage schon begonnen hat oder nicht?
    Delius: Das weiß ich nicht. Ich war noch nicht an der Baustelle und habe die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefragt, wie weit sie denn so sind. Was ich aber mir gut vorstellen kann ist nämlich, dass die Angaben von Siemens darüber, dass immer noch nicht alle Unterlagen, die für die konkrete Ausgestaltung, also für den Baubeginn, wenn man das so nennen kann, dieser Anlage notwendig sind, zusammengestellt wurden von der Flughafengesellschaft.
    Heinemann: Siemens hat ja gesagt, die Planungs- und Bauunterlagen, die der Konzern vom Flughafen bekommen hat, die seien mangelhaft. Unter anderem die Nummerierung der Räume sei falsch und damit auch die Codierung aller elektronischen Geräte.
    Delius: Ja.
    Heinemann: Ist das "normale Schlamperei" oder typisch Berlin?
    Delius: Das ist schon eine außergewöhnliche Schlamperei, wenn man sich mal vor Augen führt, wie lange die Diskussion um diese Entrauchungsanlage schon geht. Die Idee, die Entrauchungsanlage, diesen Abschnitt 14, wie er auch genannt wird, in einzelne Teile zu unterteilen und damit leichter steuerbar zu machen, die ist nicht neu. Das wissen wir aus dem Untersuchungsausschuss, war schon Anfang 2012 im Gespräch, dort noch von der damaligen Geschäftsführung strikt abgelehnt, ist sie heute anscheinend die bestmögliche Lösung.
    "Das ist schon eine außergewöhnliche Schlamperei"
    Dafür muss man natürlich ein ganz klares Raumkonzept haben, denn ansonsten weiß man einfach nicht, wo man räumlich die Trennlinien einziehen muss, damit die Entrauchungsanlage funktioniert. Wenn das jetzt nicht möglich ist und wenn Hartmut Mehdorn dem Vernehmen nach das auch nicht für wichtig hält, dann ist das schon eine besondere Form von Schlamperei.
    Heinemann: Und dann war auch zu lesen, dass der Hauptkabelkanal des Flughafens, also der Kanal, durch den die wichtigsten Elektroleitungen verlaufen, sich bei laufendem Betrieb auf etwa 50 Grad aufheizt.
    Delius: Ja.
    Heinemann: Das konnte man nicht voraussehen?
    Delius: Nein, nein! Jetzt muss ich aufpassen, dass ich nicht zynisch werde.
    Heinemann: Ich auch!
    Delius: Natürlich hätte man das voraussehen können, und wenn man ordentliche Planungsleistungen beziehungsweise Planungsausführungsleistungen bekommen hätte, dann hätte man auch die Kabel nicht zusammengelegt, die nicht zusammen gehören. Es ist ja so, dass es da Niederstrom- und Starkstromkabel gibt, die einfach viel zu nahe aneinander liegen.
    Das sind Planungsschlampereien, die wir jetzt auch im Untersuchungsausschuss aufarbeiten. Ob das dann 50 Grad oder 80 Grad oder 40 Grad werden, ist am Ende gar nicht so wichtig. Wichtig ist, dass man weiß, wo die Kabel liegen. Das ist ja auch nicht immer gegeben.
    Heinemann: Wer ist für diese Schlampereien verantwortlich?
    Delius: Unser Erkenntnisstand ist gegenwärtig, dass man am ehesten das Controlling verantwortlich machen muss, denn Sie können sich vorstellen, aus einem Konstrukt zwischen Bauplanern, Baufirmen, dem Bauherrn, der Flughafengesellschaft, und den politischen Entscheidungen, die dann rundherum stehen und mal mehr oder weniger sinnvoll waren, ist das Controlling, das Schnittstellen-Management das entscheidende Glied, das darauf achten muss, dass die Informationen von A nach B gelangen, und das ist offensichtlich nicht passiert.
    Sie sprachen die Kabeltrassen an. Genau dort war es so, dass die Planer zwar Pläne gezeichnet haben, die aber ständig geändert werden mussten und nicht rechtzeitig für einen vertraglich zugesicherten Baubeginn dann von anderer Seite, nämlich der Flughafengesellschaft, fertiggestellt werden konnten, sodass Firmen einfach drauf losgebaut haben. Da hat ein Controlling völlig gefehlt und das ist auch über die Jahre nicht nachgesteuert worden, was am Ende wohl zu den großen Schwierigkeiten führen musste.
    Heinemann: Mein Sohnemann baut seine Legohäuser irgendwie organisierter auf. – Über dem Controlling thront der Aufsichtsrat. Der wird geleitet von einem gewissen Klaus Wowereit.
    Delius: Ja. Der ist bekannt.
    Inkonsequentes Handeln im Aufsichtsrat
    Heinemann: Und was hat der falsch gemacht?
    Delius: Zunächst ist es so: Klaus Wowereit hat das Projekt zu seinem Projekt gemacht und von großen Zukunftsfantasien geredet, der Hauptstadtflughafen, das Drehkreuz mit so und so vielen Millionen Passagieren, der tollste und modernste Flughafen Deutschlands und am besten Europas, und damit das Projekt in der Öffentlichkeit verkauft. Nichts davon ist wahr geworden, was auch daran liegt, dass man inkonsequent gehandelt hat im Aufsichtsrat, aber auch, was die politischen Entscheidungen angeht. Zum einen der Standort, der nicht sachgerecht entschieden worden ist. Der Flughafen hätte einfach woanders gebaut werden müssen nach allen sinnvollen Erkenntnissen. Zum anderen aber auch, wie man dann mit der geplatzten Privatisierung umgegangen ist.
    Es kann einfach nicht sein – und das war eine politische Entscheidung, die auch Klaus Wowereit maßgeblich mit herbeigeführt hat -, es kann nicht sein, dass, wenn man merkt, dass alle Firmen am Markt den Flughafen nicht für das Geld bauen können und wollen, das man selbst sich als Zielmarke gesetzt hat, dass man dann nicht reflektiert, dass vielleicht der Flughafen tatsächlich etwas mehr kostet, als man sich gedacht hat, und stattdessen sehr viele kleine Firmen zusammenholt, dann Nischenstellen-Probleme hat, die aber auch nicht angeht, weil man wieder zu knauserig ist, oder nicht genügend Geld in die Hand nehmen möchte. Das sind politische Entscheidungen, die am Ende zu dem Chaos in der Flughafengesellschaft und an der Baustelle geführt haben.
    Heinemann: Für die letzte Frage fehlt mir fast der Mut. Bitte um kurze Antwort. Wann wird auf BER gestartet und gelandet?
    Delius: Das kann ich Ihnen nicht beantworten.
    Heinemann: Ganz kurze Antwort war das. – Martin Delius von der Piratenpartei, der Vorsitzende des BER-Untersuchungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Delius: Ich bedanke mich!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.