Hochbetrieb am Check-in eins des Schweizer Großflughafens Zürich-Kloten: Knapp 25 Millionen Passagiere wurden im vergangenen Jahr abgefertigt, fast drei Millionen mehr als 2010. Mehr Passagiere – das bedeutet aber auch Vorkehrungen zu einem Mehr an Sicherheit:
"Die Entflechtung des Ostkonzeptes ist nötig, weil sich derzeit die An- und Abflüge des Ostkonzeptes mehrfach kreuzen. Und in der Luftfahrt sind sich kreuzende An- und Abflugwege nicht so gerne gesehen. Und deshalb haben wir eine Entflechtung beantragt."
Erklärt Sonja Zöchling, Sprecherin der Flughafen Zürich AG. Mit der Beantragung der Entflechtung ist allerdings auch das deutsche Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung befasst. Schließlich führen derzeit über 80 Prozent aller rund 130.000 Landeanflüge pro Jahr über deutsches Grenzgebiet – und dort lässt die geplante "Entflechtung des Ostkonzeptes" die Alarmglocken schrillen. Mehr Sicherheit sei grundsätzlich zu begrüßen, meint Martin Kistler, Landrat des baden-württembergischen Landkreises Waldshut-Tiengen in Grenznähe zur Schweiz:
"Allerdings, und das ist das, was wir kritisch sehen und sehr infrage stellen: Ob das mit zusätzlichen Belastungen für unsere Landkreise verbunden sein muss. Also gibt es eine Steigerung des Sicherheitsniveaus nur mit zusätzlichen Belastungen für die süddeutsche Region? Das kann aus unserer Sicht nicht sein."
Konkret: Die "Entflechtung des Ostkonzeptes" soll laut vorliegendem Antrag nur während der so genannten Sperrzeiten greifen. Nach einer einseitigen Rechtsverordnung Deutschlands dürfen Flugzeuge im Anflug nach Zürich nur zwischen sieben und 21 Uhr über deutsches Grenzgebiet einschweben. In den Sperrzeiten außerhalb dieses Zeitfensters müssen sie über die Schweiz anfliegen. In dieses Zeitfenster fällt auch die beantragte Ostentflechtung, in der Anflüge über Deutschland eigentlich nicht zulässig sind. Aber, so Sonja Zöchling von der Flughafen Zürich AG:
"Sämtliche Landungen gehen beim Ostkonzept, die letzten 80 Kilometer, über Schweizer Gebiet. Die Anflüge passieren schon in Süddeutschland. Aber da sind die Flugzeuge noch hoch."
Das aber ist der Knackpunkt: Landeanflug in den nächtlichen Sperrzeiten nur 80 Kilometer vor Zürich über der Schweiz, der Rest selbst nachts über Süddeutschland – das wäre, so Landrat Martin Kistler, aus Sicht der betroffenen baden-württembergischen Landkreise eine unliebsame Neuerung...
"...weil nämlich die Reihung der Flugzeuge von Norden her erfolgt, nämlich über unsere drei Landkreise. Und das hat aus unserer Sicht zwei negative Konsequenzen: Zum einen wird damit endgültig die Nordausrichtung des Züricher Flughafens zementiert, Richtung Deutschland, Richtung Südbaden. Und der zweite Punkt: Dass die Schweiz damit quasi während der ganzen Betriebszeit den Flughafen von Norden her anfliegt, also über unsere Gebiete."
Sonja Zöchling von der Flughafen Zürich AG setzt dem entgegen:
"Wir gehen davon aus, dass die Lärmbelastung nicht so groß verändert wird."
Allerdings:
"Man kann nie sagen, es wird nicht lauter, auch bei uns in der Schweiz nicht, weil die Hauptlärmbelastung , die findet nach wie vor unmittelbar auf dem Flughafen, auf Schweizer Gebiet statt."
Dem baden-württembergischen Verkehrsministerium dagegen geht's um den Fluglärm über deutschem Gebiet:
"Es ist so, dass die Befürchtung im Raum steht, dass dieses neue Betriebsreglement erheblich mehr Lärm für die Region Südbaden mit sich bringt. Es geht um Flugrouten. Es geht um Flughöhen. Und unsere Befürchtung ist, dass dies der Staatsvertrag durch die Hintertür ist."
Sagt Grünen-Staatssekretärin Gisela Splett – und spricht jenen Staatsvertrag an, den die Bundesregierung vor über zweieinhalb Jahren mit der Schweizer Bundesregierung ausgehandelt hatte. Im deutschen Bundestag wurde das Vertragswerk allerdings nie ratifiziert. Zu groß waren die Proteste aus der Region gegen die Inhalte: Denn der Staatsvertragsentwurf gestand dem Flughafen Zürich zu, die absolute Zahl der Anflüge über Deutschland unbegrenzt auszuweiten; lediglich die nächtlichen Sperrzeiten sollten ausgeweitet werden.
Nach dem der Staatsvertrag seit Jahren auf Eis liegt, stelle nun das Ostentflechtungs-Konzept möglicherweise nichts anderes als eine Ausweitung der Anflüge über Deutschland durch die Hintertür dar, sagen Kritiker wie Staatssekretärin Gisela Splett. Sie sieht nun das Bundesverkehrsministerium in der Pflicht.