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Flugreisen im Sommer
"Wir müssen uns auf lange Verspätungen einstellen"

Matthias Maas von der Gewerkschaft der Flugsicherung rechnet in diesem Sommer wieder mit starken Verspätungen im Flugverkehr. Grund dafür sei der Personalmangel bei den Fluglotsen, sagte er im Dlf. Der Spardruck sei groß - durch EU-Regulierungen und Airlines, die Flugsicherungsgebühren zu drücken versuchten.

Matthias Maas im Gespräch mit Stefan Heinlein |
Reisende warten im Terminal am Flughafen in Schönefeld auf den Aufruf zum Check in, einige schlafen
Warten auf den Flieger: Aus Fluglotsensicht werden die Verspätungen in diesem Sommer eher noch mehr im Vergleich zu 2018 (picture alliance/ dpa/ Paul Zinken)
Stefan Heinlein: Verspätungen und Flugausfälle – der vergangene Sommer wird vielen Reisenden noch in schlechter Erinnerung sein. Der Start in die schönsten Wochen des Jahres war oft ein Albtraum. Fast 30.000 Flüge wurden gestrichen. 2018 war aus Sicht der Passagiere nicht selten eine einzige Katastrophe.
"Dieser Chaossommer darf sich nicht noch einmal wiederholen", versprachen Spitzenvertreter aus Politik und Wirtschaft dann im Herbst. Man setzte sich gemeinsam an einen Tisch und vereinbarte ein ganzes Bündel an Maßnahmen, um den deutschen Luftverkehr wieder flott zu bekommen. Heute nun, sechs Monate später, soll Bilanz gezogen werden.
Am Telefon ist nun Matthias Maas. Er ist Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF). Guten Morgen, Herr Maas!
Matthias Maas: Schönen guten Morgen!
Heinlein: "Der Flugsommer 2019 - es wird besser, aber nicht gut. Wir haben Lufthansa-Chef Spohr gerade gehört. Teilen Sie diese Einschätzung?
Maas: Ich teile die Einschätzung teilweise. Ich bin mir sicher, dass die Flughäfen und die Fluggesellschaften, wie in Ihrem Bericht gerade gehört, natürlich Hausaufgaben gemacht haben, und die Probleme sind auch kurzfristiger zu lösen. Für den Bereich der Flugsicherung – und für den kann ich hauptsächlich eigentlich nur sprechen – muss ich leider sagen: In dem Bereich wird sich das eher verschlechtern gegenüber dem Vorjahr.
Heinlein: Wird sich der Chaossommer 2018 auch in diesem Jahr wiederholen oder sogar noch schlimmer werden?
Maas: Wie gesagt: Für den Bereich der Flugsicherung werden sich die Verspätungen erhöhen, aufgrund des Personalmangels. Der ist nicht so kurzfristig abzustellen. Inwieweit die Fluggesellschaften und die Flughäfen ihre Hausaufgaben gemacht haben und dort gute Verbesserungen erreichen, kann ich selbst nicht beurteilen. Ich wünsche es mir für die Kunden, für die Passagiere, aber wir müssen uns trotzdem wieder auf lange Verspätungen in diesem Sommer einstellen.
"Da wird ein sehr, sehr großer Spardruck auferlegt"
Heinlein: Wer ist denn verantwortlich, Herr Maas, für die verfehlte Personal- und Sparpolitik in Ihrem Bereich, im Bereich der Flugsicherung?
Maas: Na ja, als erstes natürlich die Geschäftsführung der DFS. Aber die wird natürlich auch getrieben von diesen EU-Regulierungen, die von Brüssel kommen, diese langen Regulierungsperioden für die Flugsicherung. Da wird ein sehr, sehr großer Spardruck auferlegt und das hat natürlich dazu geführt, dass in unserem Unternehmen, bei der Deutschen Flugsicherung über die Jahre 2013 hinaus – bis dahin haben wir gut ausgebildet – sehr, sehr die Ausbildung zurückgefahren wurde. Das ist das, was uns jetzt auf die Füße fällt, dass wir in den Jahren 2014 bis 2017 viel, viel zu wenig Nachwuchs ausgebildet haben.
Heinlein: Was ist denn der Grund, dass so wenige Leute Fluglotsen werden wollen? Denn die Gehälter, wenn ich richtig informiert bin, von Fluglotsen sind ja sehr üppig. Die Einstiegsgehälter liegen bei über 6000 Euro.
Maas: Ja, das hört sich alles sehr schön an. Aber es ist auch eine riesige Verantwortung und das Auswahlverfahren ist sehr, sehr kompliziert – nicht nur kompliziert, sondern auch schwierig. Sie müssen sich vorstellen: Wenn die Deutsche Flugsicherung für dieses Jahr 120 Fluglotsen beginnen lassen möchte mit der Ausbildung, braucht sie dafür ungefähr 5400 qualifizierte Bewerber, die durch so ein Auswahlverfahren gehen, das in der Regel eine Woche lang bei der Deutschen Luft- und Raumfahrt in Hamburg läuft. Die müssen das durchlaufen und von diesen 5400, wenn Sie viel Glück haben, bleiben wirklich 120 qualifizierte Kollegen übrig, die dann die Ausbildung anfangen können.
Heinlein: Wird dieser Mangel, dieser ständige Mangel an Fluglotsen, die hohe Belastung dann auch Ihrer Kollegen zu einem möglichen Sicherheitsproblem in der Fliegerei?
Maas: Nein, genau das nicht. Das will niemand. Das will weder die Firma, das will weder die Gewerkschaft, noch die Fluglotsen, auch nicht die Airlines und die Airports. Das ist, weshalb es dann zu diesen Verspätungen kommen kann. Man kann nicht unbeschränkt hier Flüge in diesen Verkehr hineindrücken und die Lotsen überlasten. Da muss man wirklich sagen, da gibt es eine rote Linie. Die darf, die soll, die kann nicht überschritten werden. Es soll auf jeden Fall sicher bleiben, und das ist mit Sicherheit auch im Interesse der Passagiere. Dann lieber etwas zu spät ankommen, wie einen unsicheren Flug zu haben.
"Wir kommen so langsam an unsere Grenzen"
Heinlein: Stichwort Überlastung. Der Mangel an Fluglotsen ist ja nur eine der Ursachen für die Probleme der deutschen Luftfahrt. So haben wir es gerade im Bericht aus Frankfurt gehört. Herr Maas, kommt die Luftfahrt insgesamt mittlerweile an ihre Grenzen? Wird es Zeit, da die Reißleine zu ziehen und weniger zu fliegen?
Maas: Das ist eine sehr schwere Frage. Es gibt mit Sicherheit noch technische Innovationen auch in der Flugsicherung, neuere Systeme, die man irgendwann in den nächsten Jahren einführen muss, um die Kapazität noch mal zu erhöhen. Alles in allem bin ich trotzdem der Meinung, wir kommen so langsam an unsere Grenzen heran. Persönlich weiß ich nicht, wie das dann weitergehen soll.
Es ist natürlich auch so, dass das Fliegen immer billiger wurde, und man sieht jetzt an manchen Fluggesellschaften – Air Berlin war der erste, Germania jetzt -, irgendwann bereinigt sich das System vielleicht auch ein bisschen selber. Es ist nun mal so: Wenn man ständig fliegt, auch Kurzstrecken fliegt in Deutschland, das belastet den Luftraum, das belastet auch die Umwelt. Vielleicht muss da doch ein Umdenken mal irgendwann einkehren.
Heinlein: Sie sagen es: Viele Probleme haben ihre Ursachen im wachsenden Kostendruck für die Fluglinien. Ist Fliegen insgesamt einfach zu preiswert geworden, um pünktlich und dann auch zuverlässig zu sein?
Maas: Das kann ich schlecht sagen, weil ich gehöre nicht zu der Seite der Fluggesellschaften, ob das da zu billig ist. Ich kann nur sagen, dass man immer mehr versucht, die Flugsicherungsgebühren, das heißt die Gebühren, die die Fluglotsen erhalten beziehungsweise die Deutsche Flugsicherung für die Flüge, die versucht man auch jährlich zu drücken. Das ist ziemlich schwierig. Zum einen soll die Deutsche Flugsicherung mehr Personal vorhalten, um mehr Kapazität zu geben. Sie soll bessere Systeme haben, um mehr Flugbewegungen durchführen zu können. Gleichzeitig sollen wir aber unsere Gebühren immer senken.
Sie müssen sich mal vorstellen: Für einen Flug, den Sie von Hamburg nach München machen, zahlt man pro Passagier oder zahlt die Airline pro Passagier ungefähr 3,70 Euro an die Deutsche Flugsicherung. Allein für die Kontrolle, dass Sie überhaupt in den Sicherheitsbereich kommen, die sogenannten Körperkontrollen, Handgepäckkontrollen, da zahlt die Fluglinie pro Passagier 6,60 Euro, fast doppelt so viel wie für den sicheren Flug von Hamburg nach München. Auch da muss man sagen, da sind vielleicht die Relationen noch nicht korrekt.
"Für umsonst geht das nicht"
Heinlein: Kann diese Rechnung der Fluglinien nicht aufgehen, wenn jemand für 15, 20, 30 Euro mit dem Billigflieger nach Mallorca fliegt und dann erwartet, dass sein Flug pünktlich ist?
Maas: Nein, das kann dann nicht aufgehen, zumindest nicht, wenn der ganze Flieger zu diesem Preis fliegen soll. Das geht einfach nicht. Die Sicherheit im Luftverkehr, die muss man sich natürlich auch schon ein paar Euro kosten lassen. Für umsonst geht das nicht. Und es jedes Jahr günstiger zu machen, geht auch nicht. Wenn der Verkehr gleichzeitig noch steigt, wenn alles noch verbessert werden soll, wie soll das funktionieren?
Heinlein: Ist diese reine Konzentration der Linien, vieler Linien auf Kosten und möglichst niedrige Preise der falsche Weg, um pünktlich und zuverlässig zu fliegen und einen Chaossommer wie im vergangenen Jahr zu verhindern?
Maas: Das ist mit Sicherheit der falsche Weg. Da hat allerdings zumindest bei vielen Fluglinien – ein paar Billig-Airlines will ich da mal rausnehmen – ein Umdenken stattgefunden. Da hat man auch uns gegenüber signalisiert, dass dieses Lobbying in Brüssel für immer niedrigere Flugsicherungsgebühren wohl doch nicht der richtige Weg war, sondern dass man vielleicht auch der Flugsicherung genug Geld zum Überleben lassen muss, dass sie auch einen guten Service anbieten kann.
"Es sind keine Sozialpartner eingeladen"
Heinlein: Umdenken bei manchen Fluglinien, sagen Sie, Herr Maas. Hat denn auch die deutsche Politik mittlerweile ein Bewusstsein dafür, dass es diese Probleme in der Branche gibt?
Maas: Ein geringes, sage ich mal. Nach dem ersten Luftfahrtgipfel sich hinzustellen und zu sagen, ja, wir werden jetzt nach Brüssel marschieren und dafür sorgen, dass die EU-Regulierungen anders gehandhabt werden, dass sie nicht mehr so einen langen Zeitraum haben, das war ein netter Ansatz. Passiert aus diesem 24-Punkte-Programm, zumindest was die Flugsicherung betrifft, ist aber auf politischer Seite so gut wie gar nichts, eher gar nichts, und ich habe auch deshalb für den heutigen Gipfel keine große Hoffnungen. Man wird wieder sagen, wir packen alle zusammen an, wir stellen uns dicht aneinander, wir kämpfen für einen sicheren und pünktlichen Luftverkehr, und dann wird das Ganze wieder von vorne losgehen.
Heinlein: Warum sind Sie eigentlich, die Gewerkschaft der Fluglotsen nicht eingeladen zu diesem Gipfel?
Maas: Es sind keine Sozialpartner eingeladen, weder die Gewerkschaft der Flugsicherung, noch die Vereinigung Cockpit für die Piloten, oder auch bodenseitig hier die Kollegen, die die Sicherheitsleute an den Flughäfen vertreten. Warum wissen wir so genau nicht. Es ist jetzt das zweite Mal. Wir haben das schon beim ersten Mal bemängelt. Es findet dann zumindest nach dem letzten Mal Wochen später ein kleiner B-Gipfel, wie ich ihn nenne, zusammen mit den Sozialpartnern statt und der Politik. Auch da wurde ein bis zwei Stunden geredet und man hat sich unsere Sorgen, unsere Nöte und unsere Vorschläge angehört. Allein geschehen ist auch da in den letzten fünf Monaten nichts, absolut gar nichts.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.