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Flugverkehr
Mehrfachknoten am Himmel und am Boden

Tausende Reiselustige erleben zu den Sommerferien am Flughafen eine Enttäuschung: Der Flieger kommt nicht, ist stark verspätet, landet woanders. Die Gründe für das aktuelle Chaos im Luftverkehr sind vielfältig - auch die Pleite von Air Berlin wirkt nach.

Von Dieter Nürnberger und Brigitte Scholtes |
    Ein Flugzeug beim Landevorgang am Flughafen Frankfurt vor düster grauem Himmel.
    Flugzeug am Flughafen Frankfurt (picture alliance / Fredrik von Erichsen )
    "Normale Katastrophe, oder? Also, auch nicht viel schlimmer als sonst, würde ich mal sagen. Wir haben Geduld. Wir wussten es vorher. Wir fliegen nach Sizilien."
    In Berlin und Brandenburg hat Anfang Juli die Ferienzeit begonnen. Und wie nicht anders zu erwarten, gab es am Berliner Flughafen Tegel einen regelrechten Ansturm - lange Schlangen vor den Check-in-Schaltern und den Sicherheitskontrollen, zusätzliche Flüge zu den beliebtesten Urlaubszielen. Und natürlich viele mehr oder weniger gestresste Passagiere:
    "Man hat schon zwei Tage vorher gepackt. Man muss ja auch noch arbeiten. Und dann ist man reisefertig. Wir sind auch früher losgefahren und dachten, dass das mit der Zeit auch ausreicht. Wir warten schon über eine halbe Stunde - ich schätze mal, hier warten 600 bis 700 Leute in der Schlange. Ich fliege hier jeden Monat ab, es ist das erste Mal, dass es so voll ist. Sehr schlecht organisiert, muss ich dazu sagen. Und das nennt sich dann Weltstadt-Flughafen, ja."
    Chaotischer Tag in Tegel
    An einem normalen Tag starten in Tegel rund 50.000 Passagiere. Doch zu Beginn der Sommerferien sind es rund 75.000. Ein chaotischer Tag an einem Flughafen, der längst an die Grenzen seiner Kapazitäten stößt. Was damit zusammenhängt, dass die Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens in Schönefeld bekanntlich auf sich warten lässt. Flughafensprecher Hannes Stefan Hönemann kennt die Situation des Mitte der 70er-Jahre gebauten Flughafens:
    "Ursprünglich war der Flughafen Tegel wirklich sehr viel kleiner. In den ersten Jahren ging es um Kapazitäten von jährlich sechs Millionen, jetzt sind wir hier in Tegel bei 22 Millionen Passagieren. Im vergangenen Jahr gab es einen kleinen Rückgang durch die Pleite von Air Berlin. In diesem Jahr werden wir aber wieder an die 22-Millionen-Grenze stoßen. Es wird immer enger in Tegel."
    Eine Reisende steht am 10.03.2017 mit zwei Rollkoffern vor einer Anzeigentafel im Terminal des Flughafen Tegel in Berlin. Die Gewerkschaft Verdi hatte die rund 2000 Beschäftigten des Bodenpersonals zum Streik aufgerufen.
    Terminal am Flughafen Tegel. (dpa/picture-alliance/Gregor Fischer)
    Die Pleite von Air Berlin im August vorigen Jahres hat Tegel relativ gut weggesteckt. Die Flughafengesellschaft musste zwar 2017 einen Rückgang beim Gewinn um rund sechs Prozent auf 112 Millionen Euro verkraften. Doch längst haben andere Fluggesellschaften die Air-Berlin-Flotte übernommen und in Tegel Quartier bezogen oder ihr Terrain erweitert: Die Lufthansa-Tochter Eurowings ebenso wie Easyjet oder Laudamotion.
    Trotzdem sorgt die Air-Berlin-Pleite noch heute für Unregelmäßigkeiten am Flughimmel und am Boden. Vor gut einem Monat war auch Niki Lauda in Tegel - der ehemalige Formel-1-Weltmeister hat zusammen mit Ryanair die Flotte von Niki, einer Unternehmenstochter von Air Berlin, gekauft, die er selbst einst gegründet hatte. Nun will Lauda unter dem neuen Namen Laudamotion wieder durchstarten - doch der Anfang verlief etwas holprig.
    "Die Situation ist so, dass wir in den ersten Wochen mit dem Check-in und solchen Dingen doch Probleme hatten. Das musste alles neu aufgestellt werden. Doch das Hauptproblem, welches wir alle haben, ist, dass derzeit dauernd Streiks in Frankreich stattfinden. Und das haut den ganzen Flugplan durcheinander. Die Passagiere hängen auf den Flughäfen herum und müssen warten."
    Viel Verspätungen und Flugausfälle
    Nun hat die neu gegründete Laudamotion derzeit gerade einmal knapp 20 Flugzeuge in Betrieb. Und doch sind die Probleme der kleinen Airline exemplarisch für den gesamten deutschen und europäischen Flugmarkt. Und in diesem Sommer ist es besonders schlimm: Verspätungen und Flugausfälle haben bereits für viele tausend unzufriedene oder sogar gestrandete Passagiere gesorgt.
    "Auch der Himmel stößt mal an seine Grenzen" - unter dieser Überschrift schaltete der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft BDL vor rund drei Wochen ganzseitige Anzeigen in verschiedenen überregionalen Tageszeitungen. Eine Entschuldigung für "lange Wartezeiten, zahlreiche Flugstreichungen und Unregelmäßigkeiten" im Luftverkehr in ganz Europa. Es ist eine Kapitulationserklärung einer kompletten Branche, deren Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow ist:
    "Das ist natürlich höchst ärgerlich für unsere Fluggäste. Aber es entspricht auch nicht unserem Qualitätsversprechen als Luftverkehrsbranche. Und darüber hinaus: Es ist natürlich auch für unsere Unternehmen höchst ärgerlich, denn diese Verspätungen bringen einen ganzen Flugplan durcheinander. Das führt dann zu Warteschleifen, zu höheren Kosten, zu Folgeverspätungen. Das ist nicht gut für uns alle. Und deswegen: Da muss sich etwas ändern."
    Die Zahlen sind eindeutig: Die Europäische Flugsicherung Eurocontrol bestätigt eine signifikante Zunahme der Verspätungen. Kamen im Mai 2017 die Maschinen im europäischen Luftverkehr mit einer durchschnittlichen Verspätung von rund elf Minuten an, waren es im Mai dieses Jahres schon rund 15 Minuten. Das ist der höchste Wert seit fünf Jahren.
    Airline Niki wird an Gründer Niki Lauda verkauft - Der damalige Fluglinienbetreiber und Pilot Niki Lauda winkt am 18.04.2010 nach der Landung des Testflugs mit einem A320 am Salzburger Flughafen aus dem Cockpit. 
    Niki Lauda ist mit Laudamotion wieder am Start. (Barbara Gindl/APA/dpa)
    Nicht nur Niki Lauda oder der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft müssen derzeit mit dem Ärger der Reisenden umgehen. Es trifft eigentlich alle Fluggesellschaften. Ein wichtiger Grund für die erkennbare Überlastung des Flugbetriebs liegt jedoch auch bei den Kunden: Die explodierende Nachfrage.
    Der Ansturm der Passagiere ist in diesem Jahr besonders hoch. So rechnet die internationale Luftverkehrsvereinigung IATA weltweit mit knapp 4,4 Milliarden Passagieren, das wären 6,5 Prozent mehr als 2017. Mitte März freute sich Lufthansa-Chef Carsten Spohr noch über das brummende Geschäft:
    "Ich habe so etwas in all den Jahren in der Branche noch nie gesehen: Es läuft überall zurzeit. Es läuft in Deutschland, es läuft von und nach Deutschland und Europa, es läuft sogar auf dem Südatlantik wieder, Nordatlantik, die Dollarverschiebung hat uns gezwungen, Point of Sales zu verschieben, aber das funktioniert. Asien ist zurück. Also ich glaube für unser Segment, gerade im Premium-Bereich, sind wir gut aufgestellt. Wer dieses Jahr nach Mallorca will, glaube ich, hat noch nie mehr Auswahl gehabt als im Sommer 2018.
    Luftfahrtbranche entschuldigt sich in Anzeigen
    Das aber war vor Beginn der Urlaubssaison. Inzwischen sind die Fluggesellschaften etwas demütiger geworden. Gerald Wissel, Luftfahrtberater von Airborne Consulting, wundert sich über den Slogan der Entschuldigungsanzeige "Stößt auch der Himmel an seine Grenzen". Der Luftraum sei nicht das eigentliche Problem, sagt Wissel. Natürlich gebe es gerade in der Hochsaison eine hohe Nachfrage und ein entsprechend hohes Angebot an Flügen. Aber:
    "Der andere Punkt ist eben, dass wir sehen, dass die Airlines immer knapper planen, und zwar sowohl was die Flugzeugkapazitäten angeht, aber eben auch, was Crews angeht. Es gibt rechtliche Rahmenbedingungen, über die darf man nicht hinweg, aber man kann natürlich die Grenzen nutzen. Und wir sehen halt momentan eine Tendenz, diese Grenzen sehr scharf zu nutzen, das heißt, das, was rechtlich alles möglich ist. Und am Ende des Tages bleibt eben keine Flexibilität, keine Reserven. Das heißt, wenn es im System denn irgendwo mal knackt, dann knackt es eben richtig."
    Und dieser Punkt ist offenbar längst erreicht. Die Fluggesellschaften finden dafür natürlich verschiedene Gründe: In einem eigenen Entschuldigungsschreiben an ihre Passagiere verwiesen die Lufthansa und Unternehmenstochter Eurowings auf Wetterkapriolen, Fluglotsenstreiks in einigen europäischen Ländern sowie Engpässe bei der Flugsicherung und bei der Flughafeninfrastruktur: "Unsere Pünktlichkeit ist aufgrund der aktuellen Beschränkungen des europäischen Luftraums auf ein für uns inakzeptables Niveau gesunken", hieß es etwa von der Kranich-Linie. Deren Anspruch ist ein anderer, versicherte Lufthansa-Chef Spohr noch im Mai bei der Hauptversammlung:
    "Der Kranich verspricht Leistung auf höchstem Niveau. Er verspricht Premium. Er steht für erstklassige Qualität. Für exzellenten Service, für technische Kompetenz unserer Piloten und Ingenieure. Er steht für Zuverlässigkeit und auch für Innovationsfreude. Und ganz wichtig: Der Kranich steht auch für Vertrauen."
    Luftfahrtexperte hält vieles für Ausflüchte
    Spohr verweist ebenso gern darauf, dass auch die Hersteller derzeit Schwierigkeiten bei der Lieferung neuer Flugzeuge hätten. Das seien Ausflüchte, meint Luftfahrtexperte Wissel:
    "Früher galt mal die Devise: Stabilität von Wachstum, also gerade die operative Stabilität. Ich habe so ein bisschen das Gefühl, dass diese Prämisse aufgekündigt worden ist, und dass man eben jetzt versucht Wachstum um jeden Preis."
    Und das habe vor allem einen Grund:
    "Wir haben einen brutalen Verdrängungswettbewerb nach wie vor im Markt. Und jeder versucht natürlich, durch entsprechende Kapazitäten im Markt und dann eben auch durch entsprechende Preise, die anderen zu verdrängen und sich sozusagen die Machtposition zu sichern."
    So bemüht sich etwa die Lufthansa, für ihre Tochter Eurowings in dem wachsenden Billigfliegermarkt einen guten Platz zu erkämpfen. Die Übernahme von 77 Flugzeugen der Air Berlin nach deren Insolvenz schien da eine gute Möglichkeit. Zu diesem Thema mochten dem Deutschlandfunk weder Lufthansa noch Eurowings Rede und Antwort stehen. Schriftlich teilte Eurowings mit:
    "Eurowings hat an erster Stelle dafür gesorgt, dass riesige Kapazitätsengpässe nach dem Aus von Air Berlin nicht zu einem Kollaps des Luftverkehrs geführt haben. Dabei haben wir 3.000 Mitarbeitern nach der größten Airline-Insolvenz Europas eine neue berufliche Zukunft ermöglicht. Die laufende Übergangsphase ist allerdings organisatorisch wie operativ ein Kraftakt, für den es keine Blaupause gibt."
    Ein Kraftakt, an dem sich Lufthansa und Eurowings offenbar verhoben hätten, meint Markus Wahl, Vorstand der Pilotenvereinigung Cockpit und selbst Lufthansa-Pilot:
    "Das klappt alles nicht so, wie die sich das vorstellen. Und eine Auswirkung davon ist ganz klar Pilotenmangel. Man hat gehofft, dass man die Kollegen von Air Berlin zu wahnsinnig günstigen Preisen mit gedrückten Löhnen zu der Hälfte des Geldes in den Lufthansa-Konzern oder bei Eurowings integrieren kann. Das ist schiefgegangen, viele Kollegen haben gesagt, das will ich nicht. Und jetzt steht man ohne Piloten da. Und ohne Piloten fliegen sich Flugzeuge nun mal nur sehr schwierig."
    Ein Airbus A321 mit dem neuen Logo der Lufthansa auf der Heckflosse steht am Flughafen München.
    Auch die Lufthansa hat zu kämpfen. (picture alliance / Sven Hoppe)
    Eurowings verweist auch darauf, dass die übernommenen Flugzeuge nicht so rasch zertifiziert werden könnten wie erhofft. Den plötzlichen Andrang kann das Luftfahrtbundesamt wohl so schnell nicht bewältigen. Doch es gebe auch weitere organisatorische Probleme, erklärt Markus Wahl. Denn auch wenn die Air-Berlin-Piloten bei Eurowings die gleichen Flugzeugtypen fliegen, schreibe der Gesetzgeber doch eine Umschulung vor:
    "Da kommen mehrere Faktoren zusammen. Zum einen natürlich einmal die reine Kapazität an Simulatoren, die man braucht, die Kapazität an Ausbildern, die bei Eurowings vorhanden sein muss, um neue Kollegen zu schulen. Und dann nicht zuletzt muss es auch von der Komplexität her machbar sein. Wenn man sagt, ok, da gibt es fünf Din A4-Ordner zu lernen, nur als Beispiel, und man versucht das alles in vier Stunden Simulatorzeit zu quetschen, dann kann das nicht funktionieren. Und ich glaube, diese Kombination der drei Faktoren macht es wahnsinnig schwierig. Und deswegen knirscht es da im Getriebe."
    Es knirscht aber auch im Getriebe der Bodenabfertigung. Lufthansa-Chef Carsten Spohr:
    "Insbesondere bei den Sicherheitskontrollen gibt es sichtbare Probleme. Passagiere verpassen teilweise zu Tausenden ihre Flüge, weil die Infrastruktur nicht ausreicht. Oder weil die Infrastruktur oder die Prozesse veraltet sind. Das benachbarte Ausland macht uns übrigens vor, wie man es besser machen kann: Zum Beispiel an den Flughäfen in Amsterdam oder in London. Dort gibt es deutlich effizientere Prozesse. Es ist nun mal so: Der Flug beginnt am Boden. Auch hier muss die Qualität stimmen. Wenn wir das nicht hinbekommen, verlieren wir Kunden, ob an andere Flughäfen oder an andere Länder."
    Dass da etwas geschehen muss, weiß auch Stefan Schulte, Chef des Frankfurter Flughafens Fraport:
    "Hier sind die Wartezeiten zu Spitzenzeiten einfach zu lang aufgrund der hohen Auslastung. Gerade an den Grenzkontrollen, also Ein- und Ausreise, brauchen wir mehr Bundespolizisten. Denn wenn wir jedes Jahr ein Wachstum haben - die Branche wächst so um drei bis vier Prozent pro Jahr - dann ist es vollkommen klar, dass wir das hier einfach nur abwickeln können, wenn sie auch mehr Schalter haben, vollbesetzte Schalter mit mehr Bundespolizisten. Wir versuchen gemeinsam mit der Bundespolizei schon, das Maximale auch an elektronischen Einreisen, also "easy pass", die elektronische Grenzkontrolle, da haben wir inzwischen 66 Gates in Frankfurt mit täglich mehr als 33.000 Nutzern."
    Kurzfristige Abhilfe erscheint unrealistisch
    Kurzfristige Abhilfe erscheint hier unrealistisch. Gerade weil Engpässe und Probleme sich addieren, auch Luftfahrtexperten nicht sagen können, welches denn nun der wichtigste Einzelfaktor ist, der zum Knoten im Luftverkehr führt, brauchen Fluggäste nicht mit einer schnellen Auflösung zu rechnen.
    Diesen Sommer dürfte deshalb Geduld angesagt sein. Die Lage könnte sich sogar noch verschlimmern. Die irische Fluggesellschaft Ryanair zum Beispiel verhandelt nun nach Jahren zwar mit den Piloten über einen Tarifvertrag. Doch sind von denen allenfalls zwei Drittel fest angestellt. Sie fordern bessere Arbeitsbedingungen und mehr Geld – und sie sind auch streikbereit.
    Die irischen Piloten haben Arbeitsniederlegungen ab Mitte Juli angekündigt. Das Kabinenpersonal des Billigfliegers will Ende Juli in halb Europa streiken, das wird sich auch nach Deutschland auswirken. Auch die deutsche Pilotenvereinigung Cockpit hat eine Urabstimmung eingeleitet. Man sehe noch keinen Fortschritt in den Verhandlungen mit Ryanair, erklärt Cockpit-Vorstand Wahl.
    "Teurer dürfe es, sodass Ryanair-Management, durch Verhandlungen auf gar keinen Fall werden. Ja, aber was sagt denn das? Das sagt doch einfach nur: Wir nennen das Kind jetzt anders, nämlich Tarifvertrag. Und der Rest ist Ryanair egal. So funktioniert das mit Tarifverträgen natürlich nicht. Den Status Quo einfach nur festzuschreiben, ist im Prinzip Betrug an den Mitarbeitern."
    Beim Bundesverband der Luftverkehrswirtschaft will man - nach der öffentlichen Entschuldigung per Zeitungsanzeige – nun alles daran setzen, dass sich - bei allen Unwägbarkeiten – die Situation entspannt. Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow verspricht, dass die Unternehmen auch kurzfristig noch Verbesserungen im Flugplan erreichen können.
    "Dass von den Unternehmen, da wo es möglich ist, auch Standby-Crews bereitgehalten werden. Gegebenenfalls auch eine Ersatzmaschine. Das können Sie nicht uferlos machen. Aber es wird auch am Boden mit zusätzlichem Personal versucht, die Prozesse - da wo sie zeitkritische Flüge haben – so zu beschleunigen, dass dann eben ein Flugzeug auch in einem Turnaround, das heißt, Fluggäste verlassen das Flugzeug, anschließend wird es neu "geladen", noch schneller funktioniert. Und da gehen die Unternehmen derzeit mit zusätzlichem Engagement ran."
    Forderungskatalog der Luftfahrtbranche
    Allerdings seien die Airlines, sagt von Randow, hier auf eine gute Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden angewiesen. Es gehe um mehr Flexibilität.
    "Dass der Versuch unternommen wird, einfach auf einer Strecke schneller zu fliegen. Um auf diese Art Verspätungsminuten wieder rauszuholen. Zweitens: Dass bei der Flugsicherung angefragt wird, ob eine verkürzte Flugstrecke zugewiesen werden kann. Drittens: Dass am Flughafen avisiert wird, hier ist ein zeitkritischer Flug, kann man durch die Zuweisung eines bestimmten Gates eine besonders schnelle Abwicklung am Boden erzeugen? Viertens: Wir haben natürlich auch Grenzen bei den Betriebszeiten. Wenn in den Tagesrandzeiten rigide dicht gemacht werden, können Sie verspätete Flüge nicht mehr abwickeln, Sie müssen an Ausweichflughäfen landen. Mit erheblich negativen Folgen auch für die Fluggäste."
    Den Kunden der Fluggesellschaften bleibt somit eigentlich nur die Hoffnung, dass das auch in vielen Zeitungsschlagzeilen schon beschworene Chaos am Himmel und am Boden in den Ferienwochen doch nicht so schlimm wird.
    Immerhin aber haben sie mehr Möglichkeiten denn je, sich zu wehren. Denn verspätet sich ein Flug signifikant oder fällt gar aus, stehen den Betroffenen laut EU-Fluggastrechte-Verordnung nicht nur Betreuungsleistungen wie Verpflegung, ein Hotelzimmer oder eine Ersatzbeförderung zu. Je nach Dauer der Verspätung kommt eventuell auch eine Entschädigung infrage. Die jeweiligen Summen in Euro sind in der Verordnung geregelt, sagt Oskar de Felice. Er ist Rechtsexperte bei Flightright, einem Fluggastrechteportal mit Sitz in Berlin:
    "Da geht es meist ab drei Stunden Verspätung los. Sie haben eine standardisierte Entschädigungszahlung von 250, 400 und 600 Euro. Das ist dann abhängig von der Strecke. Wenn sie Kurzstrecke fliegen - 250. Mittelstrecke - 400. Und wenn es außerhalb Europas geht - dann auch 600 Euro."
    Viele Airlines sträuben sich wegen der Fluggastrechte
    Doch viele Airlines sträuben sich gegen die Ansprüche der Passagiere, weshalb es längst mehrere Flugrechteportale in Deutschland gibt. Zu ihrem Geschäftsmodell gehört, dass sie bei erfolgreicher Klage gegen eine Airline in der Regel rund ein Viertel der Entschädigungssumme als Prämie einbehalten. Alternativ können sich Betroffene auch an die vom Bund anerkannte und kostenlos arbeitende Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr SÖP wenden. Doch ob Schlichtungsstelle oder Fluggastrechteportal - sie alle haben in diesem Jahr mehr zu tun als zuvor. Flightright-Rechtsexperte Oskar de Felice:
    "Wir sehen ganz klar, wenn man die erste Jahreshälfte 2017 mit 2018 vergleicht, dass sich durchschnittlich die Verspätungen und Stornierungen verdoppelt haben. Und bei einigen Airlines beziehungsweise auch Flughäfen in Kombination sogar verdreifacht haben. Und auch das merken wir: Stark betroffen sind die Lufthansa-Gruppe, hier vor allem Eurowings. Dann in großen Teilen auch Laudamotion, die einfach mit dem Übergang von Niki strukturell und planungsmäßig gar nicht hinterherkommen. Außerdem sehen wir ebenso bei einzelnen Airlines, wie etwa Easyjet, dass die auch einige Probleme haben, gerade diese neuen Strecken, die sie von der alten Air Berlin übernommen haben, ordentlich zu bedienen."
    Auf der Anzeigentafel am Flughafen Tegel ist am 14.12.2017 in Berlin der Flug der Air-Berlin-Tochter Niki nach Funchal (Madeira) gestrichen.
    Anzeigetafel, nachdem die Air-Berlin-Tochter Niki ihren Flugbetrieb eingestellt hatte. (dpa / Paul Zinken )
    Es könnte auch sein, dass einige Fluggäste ihre eigene Rolle in diesem Spiel um günstigste Preise und maximal ausgereizte Kapazitäten erkennen - und eine neue Form der Bescheidenheit aufbringen. Beispielsweise am inzwischen aus allen Nähten platzenden Flughafen Berlin-Tegel, wo der Ferienstart natürlich chaotisch war, dann aber doch - zumindest in den meisten Fällen - irgendwie klappte.
    "Ich staune immer wieder über Tegel. Wie die das alles bewältigen. Das ist enorm. Wenn ich das betrachte - im Ausland sieht es ja genauso schlimm aus. Und das sind größere Flughäfen."