Seit einigen Tagen ist die Flugzeugkatastrophe wieder ein wichtiges Thema in Russland. Denn bisher verschwunden geglaubte Radaraufnahmen vom Unglückstag seien aufgetaucht, die wichtige Erkenntnisse lieferten, so der russische General-Major Andrej Koban, Radarexperte der Luftwaffe:
"Mit Sicherheit lässt sich sagen: Bevor das Flugzeug auseinandergebrochen ist, hat sich ihm vom Osten her kein Flugkörper genähert. Wenn eine Rakete die malaysische Boeing getroffen hätte, die östlich vom Unglücksort abgeschossen worden ist, dann hätte das Radar sie entdeckt. Die technischen Möglichkeiten des Radars lassen jedoch keinen Schluss darüber zu, ob eine Rakete vom Süden oder vom Westen her abgefeuert wurde."
Russische Offizielle sollen ihren früheren Aussagen widersprechen
Mit anderen Worten: Die Rakete musste vom Süden oder vom Westen abgeschossen worden sein - und damit von Gebieten aus, die damals von der Ukraine kontrolliert wurden. Die pro-russischen Separatisten wären damit entlastet.Ukrainische Beobachter halten die neuen russischen Erkenntnisse jedoch für Propaganda. Russland wolle den Bericht, der heute veröffentlicht wird, im Voraus diskreditieren, meinen sie. Und weisen darauf hin, dass russische Offizielle ihren früheren Aussagen widersprechen. Denn vor zwei Jahren, kurz nach dem Unglück, hatten sie noch eine andere Erklärung für die Tragödie. Andrej Kartapolow, hochrangiger Mitarbeiter im Verteidigungsministerium, sagte damals:
"Die russische Beobachtung des Luftraums fixierte, wie ein Flugzeug der ukrainischen Streitkräfte an Höhe gewann und sich der malaysischen Boeing näherte. Vermutlich war das ein Flugzeug vom Typ Suchoj 25. Es befand sich zwischen drei und fünf Kilometer von der Boeing entfernt. Eine Suchoj 25 hat eine Luft-Luft-Rakete an Bord, die ein Ziel auf bis zu zwölf Kilometern treffen kann. Warum ein Kampfflugzeug im Flugkorridor einer Zivilmaschine unterwegs war, darauf hätte ich gerne eine Antwort."
"Der Sicherheitssrat sollte dringend reformiert werden"
Heute erklären russische Militärs dagegen, im Umkreis der Passagiermaschine habe sich kein weiteres Flugzeug befunden. Ukrainische Experten begnügen sich in den vergangenen Tagen damit, auf diese Widersprüche der russischen Erklärungsversuche hinzuweisen. Denn sie gehen davon aus, dass der Bericht, der heute veröffentlicht wird, ohnehin den prorussischen Separatisten die Verantwortung für den Flugzeugabsturz geben wird. Außenminister Pawlo Klimkin forderte wieder einmal den UN-Sicherheitsrat auf, ein internationales Untersuchungstribunal zu gründen. Und Staatspräsident Petro Poroschenko fügte hinzu:
"Der Sicherheitsrat ist angesichts der bewaffneten russischen Aggression gegen die Ukraine tatenlos geblieben, auch angesichts der Besetzung der Krim. Das hat es Moskau erlaubt, die Halbinsel als einen militärischen Vorposten zu nutzen, um Kräfte nach Syrien zu verlegen. All das unterstreicht, dass wir den Sicherheitsrat dringend reformieren sollten. Ein ständiges Mitglied des Rats sollte nicht mehr in der Lage sein, durch sein Veto den Rat am Handeln zu hindern."
Passagierflugzeug mit ukrainischer Militärmaschine verwechselt
Gleich, welche Argumente das Untersuchungsteam heute auch vorlegen wird: Der deutlichste Beweis dafür, wer vor über zwei Jahren das malaysische Passagierflug abschoss, ist für die Ukrainer weiterhin die damalige Berichterstattung im russischen Fernsehen. Im Fernsehsender Livenews, der über enge Kontakte zu den Separatisten verfügt, hieß es:
"Die Aufständischen teilen mit, dass es ihnen gelungen ist, noch ein Transportflugzeug der ukrainischen Luftwaffe abzuschießen. Das geschah über der Stadt Tores, die in der selbst ernannten Donezker Volksrepublik liegt. Eine Rakete traf das Flugzeug vom Typ Antonow 26, eine Explosion war zu hören, das Flugzeug kam in der Region Schachty zu Boden, abseits von Wohngebieten."
Ein anderes Flugzeug stürzte an jenem Tag nicht über der Ostukraine ab. Sehr wahrscheinlich meinten die Separatisten damals also das Passagierflugzeug– in der falschen Annahme, es habe sich um eine ukrainische Militärmaschine gehandelt.