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Flugzeugabsturz
"Russland hätte sich distanzieren müssen"

Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn kritisiert den Kurs des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Asselborn sagte im Deutschlandfunk, Russland hätte mit einer Distanzierung von den Aktionen der Separatisten in der Ost-Ukraine viel gutmachen können. Putins unklarer Kurs mache Verhandlungen jedoch nahezu unmöglich.

Jean Asselborn im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Asselborn verteidigte den Kurs der Europäischen Union im Ukraine-Konflikt: "Wir haben gezielte Sanktionen ergriffen." Nun stehe die dritte Phase mit wirtschaftlichen und finanziellen Sanktionen bevor. Wenn Moskau weiter schwere Waffen im Donbass dulde - insbesondere nach dem Flugzeugabsturz vom 17. Juli, müsse der Weg der weiteren Sanktionen gegangen werden.
    Asselborn sagte jedoch, er sei nicht überzeugt, dass darin der Schlüssel zur Lösung der Probleme zwischen der EU und Russland liege. Mit Sanktionen könne man nicht die Welt regulieren und damit auch nicht den Konflikt mit Russland.
    "Separatisten per Knopfdruck ausschalten"
    Zwar habe der UNO-Sicherheitsrat inklusive Russland der Resolution für eine unabhängige Untersuchung des Flugzeugabsturzes in der Ost-Ukraine zugestimmt. Die Praxis sehe jedoch anders aus, so der luxemburgische Außenminister: "Putin wendet sich mit seinen Erklärungen nicht an jene, die die Aufklärung behindern." Dabei könne er die Separatisten per Knopfdruck ausschalten und politische Gespräche einleiten.
    "Russland hätte viel gutmachen können, wenn es sich distanziert hätte von den Separatisten." Er sei überzeugt, dass die russischen Verantwortlichen wüssten, wer die Schuldigen seien, so Asselborn. Unklar sei jedoch, was Russland wolle. Moskaus unklarer Kurs mache Verhandlungen schwierig, wenn nicht gar unmöglich.

    Das Gespräch in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: In Brüssel kommen heute die Außenminister der Europäischen Union zusammen, um über die Lage in der Ukraine zu beraten und auch über eine mögliche Verschärfung der Sanktionen gegen Moskau. Viele Politiker in Europa sehen einen solchen Schritt als überfällig an, nach dem Abschuss eines Passagierflugzeuges über dem Osten der Ukraine. Allgemein werden dafür in Europa Moskau-treue Separatisten verantwortlich gemacht.
    Am Telefon ist jetzt der Außenminister von Luxemburg, Jean Asselborn. Er ist zurzeit in New York und hat dort in der vergangenen Nacht an den Beratungen des Weltsicherheitsrates teilgenommen. Schönen guten Morgen, Herr Asselborn.
    Jean Asselborn: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Asselborn, macht sich die EU langsam lächerlich in diesem Konflikt?
    Asselborn: Ich verstehe jetzt Ihre Frage nicht richtig. Sie wissen, dass wir reagiert haben auf das, was bis jetzt geschehen ist in der Ukraine, auf der Krim. Wir haben nicht Russland sanktioniert, wir haben fokussierte gezielte Sanktionen ergriffen. Ich glaube, die dritte Phase, das heißt, wirtschaftlich-finanzielle Sanktionen, hängt an einem seidenen Faden. Keiner wünscht sie, aber wenn Moskau weiter schwere Waffen im Donbass erlaubt, duldet, das was nach dem 17. Juli geschehen ist, dann sehe ich keinen Ausweg mehr, dass wir auf diesen Weg gehen müssen. Das ist traurig, aber wahr.
    Armbrüster: Müssen wir denn nicht sagen, Herr Asselborn, die EU hat viel zu lange gewartet mit wirklich härteren Sanktionen?
    Asselborn: Wissen Sie, mit Sanktionen reguliert man ja nicht die Welt und auch nicht zwischen der Europäischen Union und Russland. Wir sind ja jetzt konfrontiert als internationale Gemeinschaft – und darum bin ich ja auch hier in New York gewesen – mit dem, was geschehen ist am 17. Juli. Das Problem, was man eigentlich herauskristallisieren kann, ist folgendes: Wir haben diese Resolution einstimmig angenommen jetzt. Das heißt, Russland ist auch einverstanden, China ist einverstanden, dass wir direkten, ungehinderten Zugang für die Untersuchung erlauben, dass die Leichen übergeben werden, dass die Blackbox ausgehändigt wird, dass auch die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Aber das ist die offizielle Sprache, die auch von russischer Seite herauskommt. Was aber, sagen wir mal, in der Praxis geschieht – und das ist ja auch das Problem, mit dem wir uns in der Europäischen Union auseinanderzusetzen haben, mit Russland im Ukraine-Konflikt -, sieht anders aus.
    Armbrüster: Kann man denn mit Putin noch verhandeln?
    Asselborn: Putin, das heißt Russland – das ist ja eigentlich dasselbe -, er macht Erklärungen, die eindeutig in die richtige Richtung zeigen. Er sagt, er, der Präsident Russlands, sei für uneingeschränkte Investigationen. Aber er wendet sich nicht direkt an jene, die dies erwiesenermaßen behindern wollen und auch behindern.
    Armbrüster: Aber ist nicht genau das das Problem, Herr Asselborn? Herr Putin sagt immer genau so viel, wie der Westen hören will, aber macht dann eigentlich doch immer, was er, was der Kreml eigentlich will.
    Asselborn: Ich gebe Ihnen Recht, dass Präsident Putin per Knopfdruck die Separatisten ausschalten könnte, dass er eine Feuerpause garantieren könnte, dass er politische Gespräche anstatt militärischer Aktionen fördern könnte. Das wäre ja auch, glaube ich, im Interesse Russlands. Ich weiß nicht – und das ist ja die große Frage, mit der wir uns alle auseinanderzusetzen haben -, was will Moskau. Was will Moskau auch mit diesen kriminellen Söldnern zum großen Teil? Ist es die Destabilisierung der Ostukraine nach der Annexion der Krim? Ist das wirklich die Machtpolitik, der sich Russland verschrieben hat, mit auf Gewalt setzen, mit auf Rechtlosigkeit basierenden Mitteln? Das macht, sagen wir mal, jede strategische Partnerschaft, die wir ja als Europäische Union mit Russland haben, jedes normale Verhältnis, das man aufgebaut hat in den letzten zehn Jahren zwischen der Europäischen Union und Russland, natürlich sehr, sehr schwierig, wenn nicht unmöglich. Will Russland dies wirklich? Ich kann mir das eigentlich auch im Interesse von Russland selbst nicht vorstellen, aber hier sind wir. Wissen Sie, im Kalten Krieg hatte man ja, wenn ich das so sagen darf, zwei Gesellschaftssysteme, die aufeinandergeprallt sind. Hier haben wir, so scheint es jetzt, den Respekt des internationalen Rechts gegen das Recht zur Gewalt, und das sind keine zwei Gesellschaftssysteme, sondern das sind zwei Einstellungen, wo die zweite immer zu Krieg führt, weil das Völkerrecht immer viruliert wird.
    Armbrüster: Und können, Herr Asselborn, nicht gerade in einer solchen Rolle härtere Wirtschaftssanktionen – und wir sprechen dann über Stufe III der Sanktionen -, können die nicht dann wirklich eine hilfreiche Rolle spielen, einfach um dem Kreml zu zeigen, bis hierher und nicht weiter, das hier ist unsere Position?
    Asselborn: Herr Armbrüster, wenn das die Lösung des Problems wäre und sein könnte, dann würde ich sagen, dann hätten wir das schon früher machen sollen. Aber ich glaube, jetzt nähern wir uns dem Punkt, wo wir es tun werden, wenn nicht wirklich in diesem Fall, der jetzt zur Lösung steht, nämlich wie verhält sich Russland nach dem Abschuss dieses Flugzeuges, wo 300 Menschen sinnlos gestorben sind, wie verhält sich Russland dann. Wenn hier Zweifel weiter bestehen, bin ich überzeugt, dass wir in eine dritte Phase kommen, und die dritte Phase wird dann heißen: die wirtschaftliche Abhängigkeit von der Europäischen Union zu Russland und auch umgedreht. Ich weiß, dass Russland vielleicht viel mehr von der Europäischen Union abhängt, wirtschaftlich gesehen, als umgedreht. Aber wir wissen auch, welchen Impact, das auf unsere Wirtschaft haben kann, energiepolitisch, aber auch allgemein wirtschaftlich. Ich bin nur nicht überzeugt – das sage ich jetzt, was ich spüre -, dass auch wenn wir in der dritten Phase sind, dass wir dann nicht den Schlüssel für eine Lösung zwischen dem Verhältnis zwischen der Europäischen Union und Russland wirklich gefunden haben.
    Armbrüster: Sie haben teilgenommen an den Sitzungen im Weltsicherheitsrat in der vergangenen Nacht zur Lage in der Ukraine. Wie war dort im Sicherheitsrat die Stimmung angesichts der Lage?
    Asselborn: Im Sicherheitsrat hat man ganz klar gespürt, dass die Aussagen Russlands zu dieser Resolution, für die sie ja gestimmt haben, dass das schon der richtige Weg ist. Dass aber andererseits Russland keine Größe zeigt, wirklich keine Größe zeigt, wenn es jetzt anfängt, die Ukraine dafür verantwortlich zu machen, weil das Flugzeug zu hoch geflogen wäre, oder weil irgendein Flugzeug in der Nähe gewesen wäre von diesem malaysischen Flugzeug, alles Ablenkungsmanöver. Ich glaube, Russland hätte hier viel, viel, viel gut machen können, wenn es sich distanziert hätte von den Separatisten. Ich bin überzeugt, dass Russland, die russischen Verantwortlichen wissen, wo das herkommt, wer das getan hat und wer auch Schuld daran hat. Ich sage nicht, dass Moskau das Flugzeug abgeschossen hat. Todsicher hat auch die Ukraine das Flugzeug nicht abgeschossen. Es sind die Separatisten, die dies gemacht haben, mit großer, großer Wahrscheinlichkeit. Und hier: Es tut mir wirklich leid, auch was ich gestern gehört habe, dass Russland nicht den Schritt macht, um sich zu distanzieren von den Separatisten. Das wäre der richtige Weg gewesen. Das wäre auch der Schlüssel gewesen, dass man international, auch zwischen der Europäischen Union und Russland wieder auf ein anderes Verhältnis gekommen wäre.
    Armbrüster: Der Außenminister von Luxemburg, Jean Asselborn, war das bei uns hier in den „Informationen am Morgen". Besten Dank, Herr Asselborn, für das Gespräch.
    Asselborn: Bitte, Herr Armbrüster.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.