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Flugzeugabsturz von Smolensk
Propagandaschlacht überschattet Gedenkfeier

Der Absturz der polnischen Regierungsmaschine im russischen Smolensk ist in Polen bis heute ein Politikum: Anhänger des PiS-Parteivorsitzenden Jaroslaw Kaczynski glauben, die 96 Passagiere an Bord seien einem russischen Attentat zum Opfer gefallen. Die Opposition hält das für absurd - eine Propagandaschlacht tobt.

Von Florian Kellermann |
    Jaroslaw Kaczynski, Vorsitzender der Regierungspartei PiS, im polnischen Parlament.
    Jaroslaw Kaczynski, Vorsitzender der PiS-Regierungspartei, im Parlament. Er glaubt an ein Attentat auf den damaligen Präsidenten Lech Kaczynski und weiterer 96 Opfer beim Absturz einer Regierungsmaschine 2010. (imago/Eastnews)
    Die Feierlichkeiten beginnen schon am Morgen, die Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern werden Blumen für die verstorbenen Abgeordneten niederlegen. Zum Abschluss wird am späten Abend Jaroslaw Kaczynski sprechen. Der Vorsitzende der Regierungspartei PiS und der mächtigste polnische Politiker hat in Smolensk seinen Zwillingsbruder verloren, den damaligen Präsidenten Lech Kaczynski.
    Filme über den Unglückshergang
    Doch das Gedenken wird überschattet - durch eine Propagandaschlacht, die immer intensiver wird. Die rechtsliberale Oppositionspartei "Bürgerplattform" veröffentlichte schon gestern einen Film, der den Unglückshergang zeigen soll:
    "Am 10. April 2010 hätte das Flugzeug sieben Mal der Katastrophe ausweichen können. Doch die Piloten brachen alle Regeln und setzten den tragischen Flug fort. Warum?"
    Auch auf diese Frage hat der Abgeordnete der "Bürgerplattform" Marcin Kierwinski, der den Film präsentierte, eine Antwort:
    "Für mich es offensichtlich, dass die Besatzung unter starkem psychischen Druck stand. Vermutlich deshalb hat sie die Warnungen des Flugzeug-Sicherheitssystems ignoriert. Den Druck belegen die Aufzeichnungen des Flugschreibers aus dem Cockpit."
    PiS-Anhänger betrachten die Opfer als "Gefallene"
    Druck auf die Piloten: Damit verweist der Abgeordnete auf den Chef der Luftwaffe Andrzej Blasik, der sich im Cockpit befunden haben soll, und auf den prominentesten Passagier - auf Lech Kaczynski. Hat Blasik, auf Weisung des Präsidenten, die Landung trotz des dichten Nebels angeordnet?
    Eine Vermutung, die für die Regierungspartei PiS nicht nur falsch ist. Sie und ihre Anhänger sehen darin eine Verleumdung. Der Parteivorsitzende Jaroslaw Kaczynski bei seiner monatlichen Smolensk-Kundgebung im März:
    "Wir kommen schon seit fast sieben Jahre hierher. Immer wieder hat man versucht, uns zu stören, so wie jetzt. Aber wir wissen, dass wir gesiegt haben und siegen werden. Wir wissen, dass das, worum wir kämpfen, schon nahe ist: Dass der in Smolensk Gefallenen gedacht und die Wahrheit entdeckt wird."
    Vermutungen über Sprengladungen an Bord
    "Gefallen" sei sein Bruder also, meint Jaroslaw Kaczynski, gefallen wie ein Soldat. Immer wieder erklärte der PiS-Vorsitzende, das Unglück sei wahrscheinlich ein Attentat gewesen. Sprengladungen an Bord hätten das Flugzeug explodieren lassen.
    Der Verdacht fällt dabei auf den russischen Staat. Lech Kaczynski galt als Kreml-Kritiker. Und die Maschine vom Typ Tupolew 154 war wenige Monate vor dem Absturz zur Wartung in Russland. Da, so meinen PiS-Anhänger, seien die Sprengladungen eingebaut worden.
    Auf der Suche nach Sprengstoffspuren
    Die Staatsanwaltschaft lässt derzeit fast alle Opfer des Flugzeugunglücks exhumieren. Staatsanwalt Marek Pasionek vergangene Woche:
    "Unsere Ermittlungen sind bisher weltweit einmalig. Sie finden auf der Welt kein kriminalistisches Labor, das anbieten würde, Leichen, die exhumiert wurden, auf Sprengstoff zu untersuchen. Wir haben es immerhin schon geschafft, die Arbeit verschiedener Labors zu koordinieren und von allen anerkannte Methoden auszuarbeiten."
    Oppositionspolitiker sehen die Suche nach Sprengstoff-Spuren indes bereits als gescheitert an. Sonst, so meinen sie, hätte die Regierung ihren Erfolg längst bekannt gegeben.
    Polens Staatsanwaltschaft will russische Fluglotsen verklagen
    Tatsache ist, dass führende PiS-Politiker in den vergangenen Wochen etwas vorsichtiger formulieren. Verteidigungsminister Antoni Macierewicz sprach kürzlich nur noch von einem Hinterhalt, in den die Piloten gelockt worden seien.
    Dazu passt, dass die Staatsanwaltschaft jetzt die Fluglotsen in Smolensk anklagen will, weil sie den Piloten absichtlich falsche Informationen übermittelt hätten. Ein Vorwurf, der sich auch dann aufrecht erhalten lässt, wenn die Ermittler einräumen müssen, dass es an Bord keine Explosion gab.