Michael Böddeker: 3,5 Milliarden Euro. So viel Geld möchte der Bund geben, damit finanzschwache Kommunen damit marode Schuldgebäude sanieren. So lautete kürzlich die Einigung zwischen Bund und Ländern auf einen Nachtragshaushalt.
Hubertus Heil, Fraktionsvize der Sozialdemokraten im Bundestag, sagte dazu: "Das heißt, wir werden jetzt das Grundgesetz ändern, das Gesetz entsprechend anpassen, was die kommunale Infrastruktur betrifft und die Investitionen des Bundes, und das Ganze finanziell im Nachtragshaushalt auch unterlegen, und zwar in dieser Legislaturperiode, und im Frühjahr gehts los."
Allerdings gibt es da noch die Ebene der Landkreise, Städte und Gemeinden und da herrscht Uneinigkeit über das Geld vom Bund. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund, der findet die Finanzspritze gut und notwendig. Der Deutsche Landkreistag ist dagegen eher skeptisch. Zunächst hören wir dazu Kreistagspräsident Hans-Günter Henneke. Ihn habe ich gefragt, brauchen die Schulen Geld vom Bund für die Sanierung?
Hans-Günter Henneke: Die Schulen brauchen Geld für die Sanierung. Die Frage ist nicht, ob man überhaupt Geld braucht oder ob man kein Geld braucht, sondern auf welchem Wege Geld gegeben wird. Insofern sind wir nicht dagegen, dass hier Geld bereitgestellt wird, sondern wir sind dagegen, dass hier mit einer Verfassungsänderung eine neue Eingriffskompetenz des Bundes geschaffen werden soll, auf das Bildungswesen einzuwirken. Das widerspricht den bisherigen Prinzipien der Aufgabenverteilung im Bundesstaat völlig.
Bisher ist es so, dass der Bund Finanzhilfen nur für besonders bedeutsame Investitionen zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft im Bundesgebiet geben darf, wenn diese zwingend erforderlich sind und der Bund dafür Gesetzgebungskompetenzen hat. Das hat er im Bereich von Schule und Bildung in gar keiner Weise, und jetzt beabsichtigen die Koalitionspartner extra für diesen Fall – einmal soll es nur geschehen –, das Grundgesetz zu ändern, um soweit jetzt 3,5 Milliarden für Zwecke der kommunalen Bildungsinfrastruktur zur Verfügung zu stellen.
Wir sind also überhaupt nicht dagegen, dass Geld an den kommunalen Bereich fließt, nur wir sind dagegen, dass es mit Verwendungsauflagen geschieht. Also insofern wäre dem kommunalen Bereich sehr viel mehr geholfen, wenn man die Steuerverteilung zugunsten der Kommunen ändern würde.
"Öffnung für ein Einfallstor im Bereich kommunaler Bildungsinfrastruktur"
Böddeker: Das heißt also, Sie befürchten eine politische Einmischung möglicherweise?
Henneke: Wir haben klare Spielregeln im Bundesstaat, und diese klaren Spielregeln sehen vor, dass es einen einzigen Bereich gibt, aus dem sich der Bund völlig herauszuhalten hat, das ist der Bereich von Schule und schulischer Bildung, und hier wird jetzt sozusagen ein Einfallstor gesucht, und nur dieses Einfallstor lehnen wir ab.
Böddeker: Das ist also eine Befürchtung, die Sie haben. Könnten auch weitere Kosten auf Sie zukommen, ist das auch etwas, was Sie befürchten?
Henneke: Na ja, im Konkreten geht es ja darum, dass jetzt in dem Sanierungsprogramm Maßnahmen für Sanierung zur Verfügung gestellt werden sollen, also insoweit müssen eigene Mittel damit gebunden werden, aber Sanierung ist natürlich ein vernünftiger Zweck.
Wenn Sie aber die Grundgesetzregelung anschauen, die geplant ist, dann soll es heißen, dass der Bund eine Kompetenz bekommt für besonders bedeutsame Investitionen der finanzschwachen Gemeinden im Bereich der kommunalen Bildungsinfrastruktur, und da steht eben keinerlei Begrenzung auf Sanierung, sondern da steht eben sozusagen die Öffnung für ein Einfallstor im Bereich kommunaler Bildungsinfrastruktur, beschränkt allerdings auf finanzschwache Kommunen. Das passt strukturell in keiner Weise in unser Aufgabenverteilungssystem.
"Wir brauchen eine vernünftige Steuerausstattung der kommunalen Ebene"
Böddeker: Was wäre dann für Sie die Alternative, was wäre Ihr Wunsch?
Henneke: Ja, das, was wir brauchen, ist ganz einfach: Wir brauchen eine vernünftige Steuerausstattung der kommunalen Ebene, und innerhalb der kommunalen Ebene benötigen wir dann vernünftige Verteilungskriterien, und die können nachgesteuert werden durch Finanzausgleichsleistung der Länder.
Das ist alles völlig unspektakulär, und insofern möchten wir, dass es bei dem bisherigen überkommenen System bleibt, und wenn es da sozusagen Verteilungsschwächen gibt, weil einzelne Kommunen ihren Anspruch auf angemessene Finanzausstattung nicht befriedigt bekommen, dann ist das in erster Linie ein Verteilungsproblem, dass sich zwischen Land und Kommunen stellt, und zwischen Land und Kommunen stellt sich auch allein die Frage der Finanzierung von inneren und äußeren Schulangelegenheiten.
Also insofern ist es eine Sache, mit der der Bund gar nichts zu tun hat. Der Bund könnte dadurch am besten helfen, dass er eben mit den Ländern vereinbart, wie eine dauerhaft gesicherte kommunale Finanzausstattung hergestellt werden kann.
"So etwas wollen wir kein zweites Mal"
Böddeker: Was passiert eigentlich, wenn die Kommunen vielleicht doch anderer Meinung sein sollten als Sie vom Landkreistag und das Geld doch gerne annehmen würden?
Henneke: Ja, ja, wir haben uns ja auch nicht dagegen ausgesprochen, das Geld anzunehmen, sondern wir haben gesagt, so etwas wollen wir kein zweites Mal. Also ich gehe jetzt ganz sicher davon aus, diese Regelung ist zwischen Bund und Ländern im Dezember endgültig verabredet worden, sie wird auch so kommen.
Es liegen Gesetzentwürfe vor über Verteilungsschlüssel, wie viel Geld auf die jeweiligen Länder entfällt, und dann gehe ich davon aus, dass dann Projekte angemeldet werden, Länder wählen aus, welche Kommunen in Betracht kommen, dann werden Projekte angemeldet, die müssen mindestens 40.000 umfassen, und insofern werden diese 3,5 Milliarden Euro schon verbraucht werden. Nur, das ist nicht das, worum es uns geht.
Uns geht es darum, dass das Ganze sozusagen strukturell auf den richtigen Weg kommt und dass man hier nicht sozusagen für, ich sage jetzt mal, für ein Linsengericht dauerhaft sozusagen eigene Kompetenzen – in Anführungsstrichen – verkauft.
"Wir brauchen Verlässlichkeit auch bei Investitionen"
Böddeker: Das heißt, es soll keinen Präzedenzfall werden.
Henneke: Dieser Präzedenzfall mit den 3,5 Milliarden, da gehe ich davon aus, der wird eintreten, aber für die Zukunft muss es darum gehen, dass wir so etwas nie wieder machen, sondern dass wir eine dauerhaft gesicherte, klar strukturierte Finanzausstattung geben, damit man Investitionen auch planen kann.
Ich kann ja nicht im Staat davon ausgeht, dass man jetzt sagt, der Bund hat jetzt einmal einen Haushaltsüberschuss und stellt jetzt 3,5 Milliarden zur Verfügung und wartet dann darauf, dass das Geld so schnell wie möglich sozusagen in Beton gegossen wird, um uns dann gegebenenfalls vorzuwerfen, ihr habt die planerischen und sonstigen Ressourcen gar nicht geschaffen, sondern wir brauchen Verlässlichkeit auch bei Investitionen, und Verlässlichkeit bei Investitionen schafft man nur dadurch, wenn man selber eine angemessene Ausstattung mit Einnahmen hat und über seine eigenen Investitionen auch disponieren kann.
Böddeker: Soweit Hans-Günter Henneke, der Präsident des Deutschen Landkreistags. Er ist also eher skeptisch, was eine Finanzierung vom Bund angeht. Und gleich hören wir noch eine andere Seite, nämlich den Deutschen Städte- und Gemeindebund.
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