Dieser Beitrag ist Teil der Reihe: Frauen in Führungspositionen - Nur mit Quote oder was? (1/4)
Ein weiß getünchter, lichtdurchfluteter Raum mit hohen Decken, im Halbrund sitzen an diesem Nachmittag Studierende aus verschiedenen Teilen der Welt vor ihren aufgeklappten Laptops. Diskutiert wird auf Englisch mit dem Dozenten, der mit Headset vor einem Smartboard steht. Thema: profitable Wachstumsstrategien. Wer hier sitzt, will eine Karriere im Management und hat je nach Studiengang schon jahrelange Berufserfahrung im Bereich. Insgesamt stehen den Studierenden drei Ausbildungswege im Bereich Business an der European School of Management and Technology, kurz ESMT offen: allesamt teure Studiengänge. Bis zu 50.000 Euro verlangt die private Schule. Deshalb gibt es bereits Stipendien-Programme – und seit einigen Jahren auch spezielle Förderung für Frauen, erklärt Stefanie Kluth, Leiterin des Zulassungsbüros an der ESMT:
"Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass Frauen weniger Geld haben: Vielleicht geringere Einkommen, Ersparnisse sind so nicht da, oder sie wollen die in was anderes investieren. Ich weiß nicht, ob nicht auch eine Rolle spielt, dass Frauen dadurch, dass sie die Kinder bekommen, sich eher auch eine längere Auszeit nehmen oder dass sie eher in Teilzeit gehen und so weiter."
Frauen, die an der Schule einen anspruchsvollen Test bestanden haben, werden in die finanzielle Förderung aufgenommen. Das heißt: Ihnen wird ein Teil der Studiengebühren erlassen. Viele bekommen auch Unterstützung durch ihre Unternehmen oder nehmen einen Privatkredit auf – wie Nina Walter. Die 33-jährige Britin hat im vergangenen April den Executive MBA an der Berliner Schule abgeschlossen:
"Ohne Stipendium könnte ich das nicht machen. Natürlich ist ein MBA teuer, aber ohne Hilfe, es würde sehr schwierig sein."
Diversität in Unternehmen
Ziel der Frauen-Stipendien an der ESMT sei es, erzählt Stefanie Kluth aus dem Zulassungsbüro weiter, an der Schule den Anteil der weiblichen Studierenden zu erhöhen. Denn die werden zunehmend von Firmen nachgefragt, so ihre Erfahrung. Stichwort: Diversität. Schon bei der Auswahl der Studierenden achtet sie deshalb darauf, welches Profil die Bewerberinnen und Bewerber mitbringen:
"Wenn ich jetzt nur eine Art von Student hätte, vielleicht nur Ingenieure, die vielleicht alle so im Schnitt fünf bis sechs Jahre Berufserfahrung haben und Projekte gemacht haben und das alles nur Männer sind, dann ist das sicherlich schön für die, dass sie da einen Austausch haben und eine Gemeinsamkeit empfinden können. Aber das Interessantere lernt man doch von einer Person, die anders ist."
Gerade in konservativen Unternehmen sei dieser Diversitätsgedanke allerdings noch nicht angekommen, berichtet Andreas Bernhardt, Dozent und Chefcoach an der ESMT. Deshalb würden sich Frauen in Führungspositionen auch häufig anderen Herausforderungen stellen müssen als Männer. Es geht zum Beispiel um Durchsetzungsvermögen:
"Wenn Sie ein reines Männerteam übernehmen in einem sehr männlich geprägten Unternehmen, dass oftmals die Teams einen bestimmten Führungsstil gewohnt sind und Frauen nicht notwendigerweise diese ursprüngliche Führungskultur kopieren, sondern ein anderes Herangehen haben, oftmals auch mehr über Fragen führen, was eine sehr effektive Form des Führens ist, was aber in einer sehr männlich geprägten Kultur manchmal als Schwäche ausgelegt werden kann."
Spezielle Coachings für künftige Managerinnen
Hier gelte es, so Bernhardt weiter, die künftigen Managerinnen in ihrem Führungsstil zu bestärken. Ihnen Mittel an die Hand zu geben, sich trotzdem durchzusetzen und das Vertrauen von Kollegen und Mitarbeitern zu gewinnen. Das Handwerkszeug dafür bekommen Frauen an der ESMT seit diesem Jahr in speziellen Coachings. Hier lernen sie außerdem, selbstbewusster mit eigenen Stärken und Schwächen umzugehen und sich auf Stellen zu bewerben, auch wenn sie nicht alle gewünschten Kriterien schon erfüllen:
"Ein klassisches Muster, was ich häufig sehe, ist, dass Frauen erst versuchen, die Kompetenzen aufzubauen, um dann, wenn sie zu 100 Prozent fertig sind, die Rolle zu übernehmen. Männer sind dort mutiger und sagen schon bei 50 Prozent: ‚Ich würde gerne diese Stelle haben, es ist eine Herausforderung. Ich glaube, ich werde erfolgreich sein.‘ Da können Frauen in der Tat sich weiterentwickeln."
Weiblichere Führungsetagen
Auch beim Thema Netzwerken sollten Frauen mutiger sein, berichtet Bernhardt aus Erfahrungen. Er bestärke Studierende, vor allem strategische Kontakte in höhere Führungsebenen aufzunehmen, die für die eigene Karriere sinnvoll sein können. Der Berater für Führungskräfte glaubt fest daran, dass die Führungsetagen großer Firmen eines Tages weiblicher sein werden, "insbesondere dann, wenn diejenigen, die im Unternehmen Entscheidungen treffen, in die Forschung schauen, dass mehr Diversität definitiv bessere Unternehmenserfolge beschert. Es geht um die Unterschiedlichkeit im Denken, es geht um die Vielfalt der Ideengenerierung und die Vielfalt der Kompetenzen, die wir flexibel zusammenbringen."
Pessimistisch bleibt Andreas Bernhardt allerdings, wenn es um die Frage geht, wie schnell diese Erkenntnis sich unter den meist männlichen Vorständen der Unternehmen durchsetzen wird.