Wolfgang Brenscheidt räumt seine Frustration offen ein. Sein Verband, der Deutsche Basketball Bund, kommt bei der Bewertung aller 26 olympischen Sommersportverbände auf den letzten Platz. Nun will der DBB-Generalsekretär die Gründe analysieren. "Es ist kurz und knapp gesagt sehr ernüchternd und auch sehr enttäuschend, aber auch hinzuzugesagt, bei Beobachtung der Realität in unserer Sportart auch eine große Überraschung an der Position zu stehen."
Brenscheidt irritiert vor allem die Bewertung des Kaderpotenzials durch die Kommission. In der Rangliste nach Disziplinen befindet sich das in diesem Jahre erstmals olympische 3x3 Basketball auf den Plätzen 101 und 102, danach kommt nur noch Synchronschwimmen. In den Rankings des Weltverbandes hingegen liegen die deutschen 3x3 Basketballer und Basketballerinnen auf Platz 6. Die Frauen haben zuletzt Silber bei der Europameisterschaft gewonnen.
"Das ist jetzt nichts, was sich der Verband selbst erfunden hat, sondern das sind die offiziellen Leistungsbilanzen des Weltverbandes. Dann wirft das natürlich Fragen für die gesamte Systematik und für die Bewertung der Kaderpotenziale auf. Das gilt es jetzt herauszuarbeiten."
Potas sollte Transparenz schaffen
Der Unmut ist groß. Dabei sollte Potas alles besser machen. 2016 als Kern der sogenannten Spitzensportreform vorgestellt, sollte es Antwort auf die einschlägige Kritik des Bundesrechnungshofs sein. Der hatte die jahrelange undurchsichtige Steuergeldverteilung an den Sport moniert. Potas sollte Transparenz schaffen und klare Förderkriterien.
Dafür bewertete eine Kommission anhand von 13 Hauptattributen, 36 Unterattributen und 130 Fragen die Sportverbände, um Erfolgsaussichten zu definieren. Am Ende des komplizierten Verfahrens steht ein Wert pro Verband. Potas hat nun entscheidende Bedeutung für die zukünftige Förderung des Verbandes, erklärt der Sportwissenschaftler Lutz Thieme.
"Das aus meiner Sicht eigentlich überraschende war, dass ja das BMI und der DOSB jetzt tatsächlich angekündigt haben, dass diese Potas-Ergebnisse auch unmittelbar über eine sogenannte Transformations-Formel sich in Euro und Cent in den Fördersummen der einzelnen Verbände niederschlagen. Und damit bekommt Potas natürlich nochmal ein ganz anderes Gewicht, weil vorher in nachfolgenden Aushandlungsprozessen eine schlechte Bewertung in Potas durchaus auch nochmal hinterfragt und vielleicht auch revidiert werden könnte. Das ist jetzt nicht mehr der Fall."
Neue Föderformel erst kurzfristig beschlossen
Die Verbandsförderung soll sich demnach aus zwei Komponenten zusammensetzen. In der ersten Rechnung werden zwei Drittel der Zuschüsse vergeben. Neben der aktuellen Förderung des Verbandes ist dabei der ermittelte Potas-Wert der Sportart relevant. Im zweiten Schritt werden die Erfolgsziele der Verbände für die kommenden Olympischen Spiele mit einberechnet. Erst kurzfristig scheinen sich DOSB und Bundesinnenministerium auf die neue Förderformel geeinigt zu haben.
"Wir haben keine Vorab-Informationen dazu erhalten, beziehungsweise die ersten Kenntnisse habe ich in der letzten Woche erhalten", erklärt Alfons Hölzl, Präsident des Deutschen Turner-Bundes. Der DTB hat mit der Rhythmischen Sportgymnastik Olympia verpasst. Jetzt landet die Disziplin im Potas-Ranking auf den hinteren Plätzen. Ähnlich wie der Basketball-Bund fürchtet Hölzl, dass es weniger Geld für die Disziplin gibt. Die Folgen wären weitreichend, auch für Olympia in Paris.
"Was die weitere Förderung anbelangt, was unser Programm anbelangt, werden wir erhebliche Abstriche machen müssen, die es völlig undenkbar erscheinen lassen, dass wir in Paris beispielsweise dabei sein könnten. Da frage ich mich, warum möchte man hier Sportarten, die Förderung für den Aufbau benötigen, warum möchte man denen mehr oder weniger den Stecker ziehen?"
Potas in Teilen nicht nachvollziehbar
Hölzl will im Gespräch mit Ministerium und DOSB jetzt auf Änderungen wirken. Denn Potas ist in Teilen nicht nachvollziehbar. Unklar bleibt, warum ein Verband von der Kommission eine bestimmte Bewertung erhielt. Unterstützung erhält Hölzl von Siegfried Kaidel. Einige Kriterien sollten überdacht werden, fordert der Präsidenten des Deutschen Ruderverbandes.
"Was hat zum Beispiel ein Good Governance Beauftragter mit einer Medaille oder Erreichung einer Medaille [zu tun]? Das kann ja Forderung vom BMI sein, das ist völlig legitim, da kann der Verband aufgefordert werden, ihr müsst das und das drin haben, das wollen wir - hat aber mit Potas-Bewertung nichts zu tun."
38,9 Millionen Euro an direkter Verbandsförderung hat das Bundesinnenministerium unter der Woche beschlossen. Die Förderbescheide gehen in den nächsten Tagen bei den Verbänden ein. Das Ministerium hat aber bereits angekündigt, dass die finanzielle Spreizung im deutschen Sport größer werde, Disziplinen mit weniger Erfolgspotenzial müssten mit weniger Geld rechnen.
Sportarten-Vielfalt bedroht
Diese Fokussierung auf Potas dürfte Konsequenzen haben für die Ausrichtung im deutschen Sport, so der Sportwissenschaftler Lutz Thieme. "Das Signal von Potas ist jetzt: Wir wollen Medaillen und unsere Steuerungsinstrumente sind auf Medaillengewinnen ausgelegt. Damit wird natürlich das Handeln der Verbände kanalisiert auf genau das - nämlich auf Medaillen. Zu den nächsten Olympischen Spielen kann auch kein Delegationschef mehr sagen: Ja, Medaillen sind uns nicht so wichtig, hauptsache unsere Athleten kommen gesund zurück, weil natürlich Medaillen die Währung sind, mit denen die Verbände, mit denen die Verbände konfrontiert sind. "
Potas und der Fokus auf Erfolg. Mit der Vielfalt an Sportarten könnte es dadurch im deutschen Sport bald vorbei sein.