Der menschliche Darm ist voll von Bakterien. Viele davon helfen uns bei der Verdauung. Doch in andere Teile des Körpers sollten sie besser nicht vordringen. Zellen in der Darmwand produzieren deshalb antibiotisch wirksame Schutzproteine, sogenannte Reg3-Lektine, die die Bakterien beim Kontakt mit der Darmschleimwand abtöten. Doch diese Abwehr kann versagen.
"Wenn diese Reg3-Lektine geschwächt sind, kommen die Bakterien näher an die Darmschleimwand hin. Dann können diese Bakterien direkt durch die Zellen der Darmwand migrieren. Und schließlich und endlich gelangen sie dann in den Blutkreislauf, in die Lymphknoten, und über diesen Weg kann es dann zur Migration in die Leber kommen."
Bernd Schnabl ist Gastroenterologe an der medizinischen Fakultät der University of California in San Diego. Seit Jahren erforscht er, wie chronischer Alkoholkonsum zu Leberzirrhosen führt. Eine Erkenntnis seiner Arbeit: Es ist nicht der Alkohol allein, der die Leberzellen vergiftet. Alkohol hemmt auch die Produktion der schützenden Reg3-Lektine im Darm. Damit können Bakterien leichter aus dem Darm über den Blutkreislauf in die Leber gelangen.
"Alkohol alleine wird wahrscheinlich viel weniger Schaden anrichten, wenn diese Darm-Leber-Achse, wie wir sie nennen, wenn die nicht vorhanden wäre. Also wenn diese Bakterien nicht aus dem Darm zur Leber wandern und dort zusätzlichen Schaden anrichten können."
Reg3-Lektine sind entscheidend
Wie enorm wichtig die Reg3-Lektine für den Schutz der Leber sind, hat Bernd Schnabl jetzt in Versuchen mit Mäusen nachgewiesen. Dafür züchtete er zum einen Mäuse, die bestimmte Reg3-Lektine im Darm gar nicht mehr bilden können.
"Wenn man diesen Mäusen chronisch Alkohol zuführt, dann kommt es letztendlich zur Überwucherung des Darmes mit Bakterien. Und das Entscheidende, was wir festgestellt haben, ist, dass diese Überwucherung direkt an der Darmschleimwand sich abspielt. Und letztendlich dadurch die Bakterien viel leichter in den Körper eindringen können."
Die Mäuse ohne die Reg3-Lektine entwickelten viel stärkere Leberschäden als eine Gruppe von normalen Kontrolltieren. Daneben züchtete Bernd Schnabl auch Mäuse, die besonders viel der Reg3-Lektine im Darm bilden, sodass deren Konzentration unter Alkoholeinfluss nicht so stark abnimmt. Hier fand der Forscher die erhoffte Bestätigung der wichtigen Schutzfunktion der Reg3-Lektine im Darm für die Leber.
"Diese Überwucherung an der Darmschleimhaut wird verhindert. Es wird eine Migration dieser Bakterien zur Leber verhindert. Und die Leber nach dieser chronischen Alkoholgabe ist letztendlich fast nicht geschädigt."
Hoffnung auf Produktion darmschützender Medikamente
Bernd Schnabl glaubt, dass diese Erkenntnisse aus den Versuchen mit den Mäusen sich auch auf den Menschen übertragen lassen.
"In der aktuellen Studie konnten wir auch zeigen, dass die Überwucherung der Bakterien direkt an der Darmschleimwand auch beim Menschen stattfindet, wenn diese Person chronisch Alkohol trinkt."
Bernd Schnabl hofft nun, Wirkstoffe zu finden, die die Produktion der schützenden Reg3-Lektine im Darm von Alkoholikern ankurbeln können.
"Idealerweise wollen wir Moleküle oder eine Medizin entwickeln, die direkt nach oraler Gabe die Reg3-Lektine stimuliert, dass man diese endogenen Antibiotika letztendlich überproduziert und dadurch diese bakterielle Überwucherung verhindert."
Das Beste zum Schutz der Leber wäre es, wenn Alkoholiker ganz auf den Alkohol verzichten würden. Aber das dürften viele der Süchtigen kaum schaffen. Ein darmschützendes Medikament wäre für sie die immerhin hilfreiche und vermutlich praktikablere Lösung.