Eigentum verpflichtet - und Eigentum verschafft auch Platz. Wer gut verdient, wer etwas besitzt, wohnt großzügiger und meist auch schöner. Wer dagegen wenig verdient, bewohnt eher dunklen und kleinen Raum – und mietet auch eher. Diese Annahmen liegen nahe – doch was sagt die Statistik dazu?
"Der Zusammenhang zwischen Lebenszufriedenheit und der Wohnsituation ist in vielen Studien gut dokumentiert", sagte Claus Michelsen vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung gegenüber dem Deutschlandfunk. "Die Wohnqualität ist in Schichten mit geringen Einkommen deutlich niedriger als bei Haushalten mit überdurchschnittlichen Einkommen." Wer wenig verdiene, weiche daher häufiger in den öffentlichen Raum aus – was durch die Corona-Maßnahmen allerdings erschwert wird.
Wer besitzt, hat Garten, wer mietet, hat maximal einen Balkon
Auch der Immobilienökonom Pekka Sagner vom Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln hat sich die entsprechenden Daten angesehen. Demnach hat immerhin die Mehrheit in Deutschland Zugang zu einem Balkon oder einer Terrasse – es sind mehr als vier Fünftel.
Allerdings: Einen eigenen Garten haben zwar 90 Prozent aller Eigentümer und Eigentümerinnen, unter Mietenden sind es aber deutlich weniger mit 40 Prozent. Pekka Sagner hat Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) aus dem Jahr 2018 ausgewertet.
Auch bei Balkonen sieht es ähnlich aus: Dreiviertel aller Mietwohnungen haben einen Balkon, bei Eigentum sind es 90 Prozent. "Diese Differenzen zwischen Mietern und Eigentümern sind auf die bewohnten Wohnungstypen zurückzuführen", erklärte Pekka Sagner gegenüber dem Dlf. Mieter wohnen typischerweise in Mehrfamilienhäusern, Eigentümer in freistehenden Ein- oder Zweifamilienhäusern oder Reihenhäusern.
Doch der Ökonom weist auch darauf hin: Ob Garten oder Balkon vorhanden seien, hänge auch vom Wohnort ab. In den Großstädten haben nur rund 35 Prozent der Einwohner Zugang zu einem eigenen Garten, in den kleineren Gemeinden seien es bis zu 90 Prozent.
Stadtmenschen wohnen kleiner - und können zudem nicht mehr alle urbanen Vorteile nutzen
Auch beim Platz in den Wohnungen gibt es erhebliche Unterschiede, sagt Claus Michelsen vom DIW. Es zeige sich, wer ein Eigenheim besitze – und das seien typischerweise die oberen Einkommensgruppen – der habe auch mehr Fläche zur Verfügung. "Dort stehen jedem Mitglied einer Familie rund 34 Quadratmeter Wohnfläche zur Verfügung - bei Mieterfamilien sind dies durchschnittlich zehn Quadratmeter weniger." Das bleibe in Coronazeiten nicht folgenlos: "Wer privat über größeren Freiraum genießt, dem schlägt die derzeitige Krise auch weniger auf das Gemüt", so Michelsen.
Er sieht in der Wohnsituation ein Problem für die Chancengerechtigkeit: Fehlende Möglichkeiten, sich aus dem Weg zu gehen, kein Zugang zu öffentlichen Flächen, Freizeiteinrichtungen und Bildungsangeboten beeinflussten die Lebenszufriedenheit, aber auch die Gesundheit der betroffenen Haushalte.
Auch zwischen Stadt und Land tun sich Unterschiede auf: Stadtmenschen wohnen kleiner und zahlen mehr für den Quadratmeter. Dies werde normalerweise in Kauf genommen – weil Arbeits- und Studienplätze nah und das Freizeitangebot hoch seien. Doch das, was Städte normalerweise beliebt mache, werde durch die Coronakrise obsolet, sagt der Immobilienökonom Sagner: "Eine Vielzahl der Umzüge geschieht berufsbedingt, die Nähe zum Arbeitsplatz ist somit ein entscheidendes Kriterium bei der Wohnungswahl - in der Coronakrise ist diese Distanz für viele Personen irrelevant geworden. Auch das Nutzen beliebter Freizeitangebote muss im Moment ausbleiben."
Mieterbund: Wohnungslose sind die Verlierer
Balkon oder nicht Balkon, große oder kleine Wohnung – für Wohnungslose ist das ein Luxusproblem. Darauf weist der deutsche Mieterbund hin. "Die Coronakrise macht sehr eindrücklich klar, wie wichtig ein angemessenes Dach über dem Kopf ist", erklärte Jutta Hartmann vom Mieterbund gegenüber dem Dlf. "Wohnen ist essentiell. Menschen, die kein angemessenes Dach über dem Kopf haben, in Sammelunterkünften leben müssen oder von Räumungen bedroht sind, leiden besonders." Denn sie seien dem Virus noch hilfloser ausgesetzt, als all jene, die sich gesichert ins Private zurückziehen können.
*Anmerkung der Redaktion: An dieser Stelle haben wir die Grafik aktualisiert, weil in der vorigen Fassung eine falsche Zahl für eine der fünf Kategorien angegeben war.