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Folgen der Coronakrise
"Die Wirtschaft hat nicht das Primat"

Gesundheit vor Wirtschaft: Die Coronakrise habe gezeigt, dass es manchmal notwendig sei, die Prioritäten anders zu setzen, so der Soziologe Harald Welzer im Dlf. Er stellte die Frage, warum die Gesellschaft dies nicht auch in anderen Bereichen tun könne - beispielsweise beim Klimaschutz.

Harald Welzer im Gespräch mit Karin Fischer |
Harald Welzer bei der phil.cologne 2019 Veranstaltung 'Könnte alles anders sein?
"Okay, was haben wir jetzt gelernt?" Der Soziologe Harald Welzer plädiert dafür, dass Intellektuelle in der neuartigen Situation wie der Corona-Krise nicht so tun sollten, als würden sie alle Antworten bereits kennen. (picture alliance / Geisler-Fotopress)
Viele Denker würden zu der Coronakrise genau das gleiche sagen, was sie ansonsten auch zu sagen hätten, kritisierte der Soziologe Harald Welzer im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Welzer nannte dabei explizit "Großdenker vom Typ Slavoj Žižek und Giorgio Agamben". "Und das erscheint mir ein bisschen wenig bei so einer tiefen Intervention in unseren Alltag", so Harald Welzer.
Kritik an der Rolle der Medien
Das Interessanteste an der gegenwärtigen Situation sei laut Harald Welzer gerade "das Stillstellen aller Perspektiven, aller Erwartungen, aller Zukunftsausbuchstabierungen". Es sei überhaupt nicht klar, wie es nach der Krise weitergehe. "Man weiß es einfach nicht." Der Soziologe kritisierte hier auch explizit die Rolle der Medien, die nach zu einfachen Erklärungsmustern suchen würden.
Harald Welzer ist ein deutscher Soziologe und Sozialpsychologe. Derzeit ist Welzer Direktor von 'Futurzwei - Stiftung Zukunftsfähigkeit'. Er lehrt an der Universität Sankt Gallen und hat eine Professor an der Universität Flensburg. Er ist Autor mehrerer Bestseller, unter anderem von "Alles könnte anders sein: Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen".
"Dabei ist es doch spannend gewesen, zu sehen, wie wir mit einer Situation umgehen, die wir nicht kennen. Was kann man denn daraus lernen? Und da gab es viel zu lernen! Was haben wir nicht alles über die Fleischindustrie gelernt? Oder über die Wertigkeit von Tätigkeiten in der Gesellschaft?", sagte Harald Welzer.
Außerdem habe man in der Krise gesehen, dass die Wirtschaft nicht das Primat gehabt habe: "Wir hatten eine gesellschaftliche Situation, in der die Gesundheit das Primat hatte und die Wirtschaft zurückstehen musste. Das ist doch etwas sehr Interessantes!"
Der Status quo ante? "Fürchterlich!"
"Ein solches Primat würde man in Bezug auf Klimaschutz radikal zurückweisen. Da sagt man immer: Die Wirtschaft muss funktionieren, erst dann können wir Klimaschutz machen. Dasselbe gilt für das Artensterben und alle ökologischen Fragen."
Vortrag des Soziologen und Politikwissenschaftlers Hartmut Rosa, Direktor des Max-Weber-Kollegs, an der Bauhaus-Universität Weimar.
Folgen der Coronakrise - Was in unserer Gesellschaft wirklich systemrelevant ist
Die Coronakrise sollte zum Anlass genommen werden, die Frage der Systemrelevanz neu zu stellen, sagte der Soziologe Hartmut Rosa im Dlf. Relevant sei nicht das Aufrechterhalten der Finanzmärkte, sondern ein gelingendes Leben.
Dabei sei es in klimapolitischer und ökologischer Hinsicht "das Fürchterlichste, was uns jetzt passieren könnte", wenn wir alle so schnell wie möglich in den Zustand von vorher zurückkehren wollten – "obwohl dieser Zustand ja alles andere als zielführend gewesen ist".
Es gebe laut Welzer gesellschaftliche Situationen, in denen es absolut notwendig sei, die Prioritäten anders zu setzen: "Warum kann man das nicht auch in Bezug auf andere Themenfelder tun, wenn es notwendig ist?"
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.