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Folgen der Pandemie
Die Steuerschätzung wird zum Blick in den Abgrund

Es wird wohl schlimmer als während der Finanzkrise: Die Steuerschätzer veröffentlichen am Donnerstag ihre Prognose. Bis 2024 rechnen sie beim Bund mit Mindereinnahmen von bis zu 170 Milliarden. Dazu kommen Mehrausgaben in dreistelliger Milliardenhöhe, Wirtschaftshilfen und Steuerstundungen.

Von Theo Geers | 12.05.2020
Olaf Scholz, (SPD) und Bundesminister der Finanzen, kommt zur Plenarsitzung des Deutschen Bundestages
Bundesfinanzminster Scholz (SPD) muss mit massiven Steuerausfällen rechnen (dpa / Michael Kappeler)
Die Steuerschätzer blicken in den Abgrund. Fest steht: Es wird schlimm, mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit sogar schlimmer als während der Finanzkrise. Damals prognostizierten die Steuerschätzer, dass Bund, Länder und Gemeinden 315 Milliarden Euro weniger an Steuern einnehmen würden als zuvor berechnet. Diese Ausfälle verteilten sich auf insgesamt vier Jahre. So desaströs könnten ihre Prognosen auch jetzt aufgrund der Corona-Pandemie ausfallen.
Denn inzwischen rechnet die Regierung damit, dass die Wirtschaft in diesem Jahr um mehr als 6 Prozent schrumpfen könnte. Dieser Einbruch ist stärker als 2009, bedeutet weniger Jobs und vor allem deutlich mehr Kurzarbeit als damals. Die Steuereinnahmen brechen deshalb massiver ein und auf breiter Front, rechnet Eckhard Rehberg, der Haushaltsexperte der Unionsfraktion, vor.
"Wenn wir wir jetzt bei über minus sechs Prozent sind, dann rechne ich allein mit Mindereinnahmen von 50 Milliarden und hochgerechnet bis 2024 rechnen wir beim Bund mit Steuermindereinnahmen von 150 bis 170 Milliarden."
Extremer Absturz der Gewerbesteuer befürchtet
Das wohlgemerkt nur beim Bund. Hinzu kommen die Steuerausfälle bei den Ländern und bei den Kommunen. Dort sieht es genau so trostlos aus, erklärt Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des deutschen Städte- und Gemeindebundes.
"Also, den Städten und Gemeinden droht ein extremer Absturz, insbesondere der Gewerbesteuer. Ich geh davon aus, dass die Kommunen zwischen 40 und 50 Milliarden Euro Steuereinnahmen weniger haben, Schwerpunkt Gewerbesteuer, aber auch bei den Gebühren. Sie wissen: Museen - alles ist zu. Die Kosten laufen weiter - es wird beispielslos sein.
Blick in den Flur einer Intensivstation. An der Eingangstür hängt ein STOP-Schild.
Ökonom - "Wirtschaft und Ethik zusammen betrachten"
Weitere Nebenwirkungen des Virus: Der Ökonom Dominik Enste warnte im Dlf, dass die Billionen, die für den Gesundheitsschutz ausgegeben werden, nicht mehr für Innovationen in der Wirtschaft zur Verfügung stünden.
Düstere Ahnungen für die Steuerschätzung
Schwierig ist die Prognose diesmal auch, weil die Steuerschätzer ihre Prognose immer aufgrund der aktuell gültigen Gesetzeslage abgeben. Wegen der Corona-Krise neu hinzugekommene Hilfen für Wirtschaft wie etwa Steuerstundungen sind derzeit aber in ihrer Wirkung für den Fiskus nur schwer abzuschätzen. Eine zweite Unsicherheit besteht darin, dass auch ansonsten vergleichsweise stabile Steuern wie etwa die Umsatzsteuer stärker schwanken, weil etwa Handelsgeschäfte oder das gesamte Hotel- und Gaststättengewerbe wochenlang geschlossen waren und nur schwer abzuschätzen ist, ob die ausgefallenen Umsätze und damit auch Steuern wenigstens teilweise noch aufgeholt werden können.
Die Ergebnisse der Steuerschätzung will Bundesfinanzminster Scholz am Donnerstag bekanntgeben. Die Anspannung ist diesmal groß und die Erwartungen eher klein, so Niedersachsens Ministerpräsident Stefan Weil:
"Da wird kein guter Tag werden – nicht für den Finanzminister, nicht für die Bürgermeister, die Ländräte, nicht für unsere Gesellschaft insgesamt."
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Kaufprämie für Neuwagen wäre ein "Dammbruch"
Denn mit den wegbrechenden Steuereinnahmen öffnet sich Schere weiter, weil Bund, Länder und Gemeinden Mehrausgaben in dreistelliger Milliardenhöhe bereits beschlossen haben – und ein teures Konjunkturprogramm im Juni noch hinzukommen soll.
"Wir werden als Staat nicht alles finanzieren können", warnt Unionshaushälter Eckard Rehberg dabei schon heute – und er denkt dabei ausdrücklich auch an die umstrittene Kaufprämie für Neuwagen. Für ihn wäre sie der Dammbruch. Wünsche auch anderer Branchen könnten dann kaum mehr abgeschlagen werden.