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Folgen der Trockenheit für Äcker und Wälder
"Dürre entsteht über sehr lange Zeiträume"

Es sei definitiv zu früh, die Dürrekatastrophe für die Landwirtschaft auszurufen, sagte der Klima-Experte Andreas Marx vom Helmoltz-Zentrum für Umweltforschung. Für die Wälder sieht seine Prognose jedoch nicht so optimistisch aus. Dort werde der Hitze-Stress der letzten Jahre wahrscheinlich weitergehen, so Marx.

Andreas Marx im Gespräch mit Uli Blumenthal |
Die Sonne strahlt durch Bäume in einem Waldstück.
Die Waldböden haben sich von den Dürren der Jahre 2018 und 2019 noch nicht erholt (imago/A. Friedrichs)
Die Trockenheit der letzten Wochen macht den Böden auf unseren Feldern, aber vor allem unseren Wäldern zu schaffen. Das Umweltforschungszentrum UFZ in Leipzig liefert mit dem Dürremonitor im Internet täglich flächendeckende Informationen zum Feuchtezustand der Böden in Deutschland. Vor allem im Osten und Süden zeigen die Karten eine schwere bis außergewöhnliche Dürre. Im Norden und Westen sieht es mit ungewöhnlich trocken bis schwerer Dürre ein bisschen besser aus. Dr. Andreas Marx vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung wagt einen Ausblick, was die aktuelle Trockenheit für Landwirtschaft und Wälder bedeuten kann.

Das vollständige Interview im Wortlaut
Uli Blumenthal: Wie angespannt ist die Situation in Deutschland jetzt und wird es nach 2018 und 2019 in diesem Jahr einen dritten Dürresommer gibt.
Andreas Marx: Der Dürremonitor liefert Ihnen den aktuellen Zustand. Das ist quasi die Einschätzung, wie trocken es aktuell mit dem ist, was man langjährig erwartet. Daraus kann man nicht unbedingt direkt Schäden ableiten. In der Landwirtschaft ist es klassischerweise so: Die Dürre muss über einen längeren Zeitraum wirken, um zu großen Schäden zu führen. Das hat man sehr eindrucksvoll 2018 und 2019 gesehen. 2018 war der Oberboden, das, was vor allem für die Landwirtschaft relevant ist, über die gesamte Vegetationsperiode viel zu trocken, und da haben wir sehr viele Kulturen gehabt, die große Ertragseinbußen gezeigt haben.
"Regional sehr unterschiedlich"
2019 war das in Deutschland schon zum Teil regional sehr unterschiedlich. Da war der Südwesten Deutschlands nur sehr wenig betroffen. Da war das Frühjahr schon trocken, aber über den Sommer hat es regelmäßig Niederschlag gegeben und das hat gereicht, um durchschnittliche Erträge und zum Teil sogar überdurchschnittliche Erträge zu erreichen. Das hatten wir im Nordosten Deutschlands in dem Maß nicht. Da war auch das Frühjahr trocken, es ist über den Sommer trocken geblieben, und da war es in einigen Kulturen so, dass die Ertragsausfälle noch schlimmer waren als 2018.
Das Bild zeigt die Hände eines Försters, die durch Borkenkäfer befallene Rinde halten.
Wenn die Borkenkäfer wieder ausschwärmen
Nicht nur in sächsischen Wäldern fehlt es derzeit an Wasser. Forstwirte überwachen den Feind der Nadelbäume, den Borkenkäfer, mit Fallen, die mit Duftstoffen präpariert sind. Denn wenn in einem Jahr ein Baum befallen ist, können es im Jahr drauf schon 400 sein, fürchtet Sachsens Forstminister.
Deswegen ist es so: Gerade für die Landwirtschaft und die Vegetationsperiode kann man Anfang 2020 noch nicht sagen, dass es unbedingt ein sehr schlimmes Jahr wird. Die Situation ist alles andere als optimal jetzt gerade zurzeit. Aber wenn es jetzt über die Sommermonate regelmäßig regnet, dann ist es durchaus möglich, dass es ein relativ normales Landwirtschaftsjahr wird.
"Gute Böden können wenig Niederschlag kompensieren"
Blumenthal: Wieviel Niederschläge braucht Deutschland, damit es, wie Sie es formuliert haben, 2020 ein relativ durchschnittliches Jahr wird?
Marx: Ja, es wird immer direkt auf die Niederschläge geguckt, und es ist auch viel in den Medien berichtet worden von dem sehr trockenen April. Das ist sehr kurz gegriffen. Das ist deswegen kurz gegriffen, weil Dürre über sehr lange Zeiträume entsteht. Das ist das eine. Der April-Niederschlag ist nicht wirklich das Maß, um das einzuschätzen.
Zum zweiten sind viele andere Faktoren, die mit reinspielen. Es ist Hitze und insgesamt die Temperaturen, die mit reinspielen. Wir haben in sommerlichen Hitzeperioden den Fakt, dass ungefähr sechs Liter pro Quadratmeter Wasser verdunsten können am Tag. Das haben wir in den Wintermonaten nicht. Da spielt die Verdunstung fast keine Rolle, so dass die Temperaturen mit betrachtet werden müssen. Wir haben aber natürlich auch unterschiedliche Bodenqualitäten. Ein sehr guter Boden, der sehr viel Ton enthält, der kann Wasser sehr lange speichern, während ein sandiger Boden das Wasser nicht gut speichern kann. Da läuft es quasi schnell wieder weg. Das erklärt, warum wir in Deutschland, wo wir Jahresniederschläge haben zwischen ungefähr 500 Liter pro Quadratmeter, zum Beispiel im mitteldeutschen Trockengebiet, und 2200 Millimeter Niederschlag im Alpenbereich, dass wir quasi über diese gesamte Spanne der Jahresniederschläge trotzdem ganz gut Landwirtschaft betreiben können, weil wir eine Situation haben, dass gerade da, wo wir sehr wenig Niederschlag haben, zum Teil sehr gute Böden sind, die das dann wieder kompensieren.
"Bei den Wäldern ist die Situation anders"
Blumenthal: Ist es dann richtig zu sagen, die vergangenen zwei Jahre haben den Boden ausgetrocknet, und die Frage ist, geht dieser Austrocknungsprozess weiter oder nicht? Aber wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist das die falsche Frage?
Marx: Das ist sehr davon abhängig, welchen Teil des Bodens man anschaut. In der Landwirtschaft ist es so: Da sind ja die Kulturen und Wurzeln nicht so tief. Wenn da Regen fällt und der Boden in den obersten 30 Zentimetern nass wird, dann kann das durchaus reichen. Wenn man jetzt aber zum Beispiel in die Wälder reinschaut, da ist die Situation anders. Da haben wir eine Situation: Wir haben in großen Teilen Deutschlands den Boden sehr stark ausgetrocknet. Sie haben aber gleichzeitig Bäume, die in einem relativ großen Volumen Wasser saugen können müssen, um sich komplett gut mit Wasser zu versorgen.
Das Problem ist jetzt: Über die Sommermonate lösen sich Dürren nur schwer auf. Das hängt damit zusammen, dass wir sehr viele Gewitterniederschläge haben, zumindest sehr viel mehr Gewitterniederschläge als im Winter. Das heißt, das Wasser fällt schneller vom Himmel, als es in den Boden infiltrieren kann, und das heißt, es läuft eher oberflächlich ab und es geht nicht so viel vom Wasser in den Boden rein.
Das zweite Problem ist einfach: Über die heißen Temperaturen im Sommer führt das häufig dazu, dass ein großer Teil des Niederschlagswassers dann auch wieder verdunstet. Deswegen muss man eigentlich davon ausgehen, dass 2020 der Stress zum Beispiel im Forst- und in Waldökosystemen erhalten bleibt, und vor allem auch, dass die Schadbilder, die wir 2018 und 2019 gesehen haben, auch 2020 im Wald wieder weitergehen werden, muss man sagen.
Ausgetrockneter Boden
"Das ist natürlich totaler Stress für die Vegetation"
An länger anhaltende Wetterlagen – wie derzeit ohne Regen – müssten wir uns in Folge des Klimawandels gewöhnen, sagte die Meteorologin Michaela Koschak im Dlf. Schon jetzt seien die Böden wieder bis in tiefere Schichten "sehr, sehr trocken".
Blumenthal: Bei den jetzt angekündigten Niederschlägen in den nächsten Tagen kann das Wasser auch in diese staubtrockenen Böden eindringen, oder fließt es eher oberirdisch nur wieder ab?
Marx: Man kann nicht sagen, dass das Wasser gar nicht in den Boden eindringt. Der Regen, der jetzt angekündigt ist, muss ja nicht unbedingt immer als Gewitterniederschlag mit großen Intensitäten fallen. Aber in jedem Fall kann man sagen, es wird zu wenig Niederschlag sein.
Zu wenig, um das einzuordnen: Wir hatten auch in der Kommunikation eine ganz schwierige Phase Februar/März 2020. Wir hatten in vielen Bereichen Deutschlands im Februar Niederschlagsmengen, die ungefähr das Zweieinhalbfache des Monatsniederschlages betragen haben. Und trotzdem war das zu wenig.
Das war deswegen zu wenig, weil man vollkommen unterschätzt, wie viele Liter Wasser unter jemandem in jeden Quadratmeter Boden reingehen. Wenn wir ein Wasserdefizit haben im dreistelligen Bereich, jenseits von 100 Litern, dann bedeutet das ja, um das wieder auszugleichen, müssen Sie diesen Niederschlag zusätzlich bekommen, und der muss auch noch in den Boden reingehen. Das ist der Grund. Wenn man den Gesamtboden anguckt, das was für Waldökosysteme relevant ist, da bräuchten wir jetzt über mehrere Monate überdurchschnittlichen Niederschlag. Da ist es definitiv so, dass jetzt ein paar Tage oder auch ein paar Wochen mit heftigem Niederschlag, auch mit stark überdurchschnittlichem Niederschlag nicht unbedingt hilfreich sind.
Blumenthal: Wenn Sie einen Blick in die Glaskugel werfen müssten, wie geht es weiter mit den Böden in diesem Jahr?
Marx: Was es gibt: Es gibt saisonale Vorhersagen des Wetters. Das macht man weltweit und das funktioniert sehr gut in Landstrichen wie zum Beispiel in Australien. Da haben Sie einen großen Kontinent, der ist ziemlich flach, außen herum ist Meer und Sie haben wenig geographische Erhebungen, Sie haben wenige Berge. Für Mitteleuropa sind diese saisonalen Vorhersagen äußerst schwierig. Vor dem Hintergrund ist es nicht abschätzbar, wie im Sommer das Wetter sein wird, und es ist auch für die Landwirtschaft deswegen nicht abschätzbar, wie das Jahr sich weiter entwickelt. Es ist definitiv zu früh, die Dürrekatastrophe für die Landwirtschaft auszurufen. Es ist nicht auszuschließen, dass es wieder große Ertragsverluste gibt, aber man kann nicht sagen, dass es wahrscheinlich so kommen wird.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.