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Folgen der US-Wahl
"Ein Europa ohne die NATO ist lebensgefährlich für uns"

Der künftige US-Präsident Trump hatte während des Wahlkampfes zentrale Aspekte des Verteidigungsbündnisses NATO infrage gestellt. Das berühre das Grundverhältnis der transatlantischen Beziehungen, sagte Karl-Georg Wellmann (CDU), Mitglied im Auswärtigen Ausschuss, im DLF. Europa brauche die NATO dringend.

Karl-Georg Wellmann im Gespräch mit Christiane Kaess |
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann
    Der CDU-Bundestagsabgeordnete Karl-Georg Wellmann (Imago)
    Christiane Kaess: Mitgehört am Telefon hat Karl-Georg Wellmann von der CDU. Er ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Guten Tag, Herr Wellmann.
    Karl-Georg Wellmann: Guten Tag, Frau Kaess.
    Kaess: Viel Entsetzen heute Morgen aus dem politischen Berlin. Ist es jetzt nicht an der Zeit, sich zu überlegen, wie gehen wir ganz konkret mit diesem Wahlsieg von Trump um?
    Wellmann: Ja, natürlich. Politik sollte man nicht aus dem Bauch oder dem Gefühl machen, sondern mit dem Kopf und dem Verstand. Insofern war das völlig richtig, was die Kanzlerin da gemacht hat. Allerdings ist es so, dass außenpolitisch wir ja sehr negative Signale empfangen hatten von Herrn Trump. Er hat gesagt, die NATO ist überflüssig, er hält Putin für einen großen Staatsmann. Das berührt das Grundverhältnis der transatlantischen Beziehungen. Die NATO ist unser Sicherheitsfundament. Worauf müssen wir uns da einlassen? Ein Europa ohne die NATO, ohne den Schutz der NATO ist lebensgefährlich für uns. Das heißt, da kommen viele Fragen. Die Frage, wird es so heiß gegessen, wie es im Wahlkampf gekocht wurde, oder muss man den Mann ernst nehmen. Das sind unbeantwortete Fragen. Aber eins ist ganz sicher: Wir müssen uns auf Europa zurückbesinnen. Europa muss funktionieren. Und insbesondere das Schicksal der osteuropäischen Staaten, Polens, der Balten, der Ukraine, ist Europa und nicht Amerika.
    "Sicherheit - die gibt es nicht zum Nulltarif"
    Kaess: Herr Wellmann, darauf können wir gleich noch ein bisschen näher eingehen. Sie haben von negativen Botschaften von der Seite von Trump gesprochen. Es gab die ja auch in umgekehrter Richtung. Deutsche Politiker haben Trump auch als Hassprediger bezeichnet. War das hilfreich?
    Wellmann: Na ja, das war eine menschlich verständliche Reaktion auf das, was Trump gemacht hat. Er hat sich ja ebenso frauenfeindlich wie rassistisch geäußert. Er hat die Gesellschaft gespalten, die amerikanische Gesellschaft. Er hat gegen Afroamerikaner gehetzt. Er hat Hispanics, er will ja Millionen von Mexikanern wieder deportieren aus dem Land.
    Kaess: Aber all das ist offenbar angekommen bei seinen Wählern.
    Wellmann: Ja, das ist richtig. Davon spreche ich ja, dass die tiefe Spaltung der Gesellschaft stattgefunden hat. Amerika hat sich viel zu wenig um die benachteiligten Klassen gekümmert, viel zu wenig ausgegeben zum Beispiel für Weiterbildung im beruflichen Bereich. Andererseits muss man wissen, Obama hat die Automobilindustrie gerettet nach der großen Finanzkrise in Amerika mit hohen Milliarden-Beträgen. Das ist ihm offenbar nicht gedankt worden. Aber eine große Aufgabe, die der neue Präsident haben wird, ist, diese Spaltung zu überwinden, und das geht nicht mit guten Worten, sondern mit Programmen, mit Entwicklungsprogrammen, mit Weiterbildung im beruflichen Bereich, aber auch Bildung insgesamt. Denn das, was wir da gesehen haben, ist nicht besonders erfreulich und es erinnert so manches an das, was wir ja auch bei letzten Landtagswahlen beobachten mussten.
    Kaess: Sie haben gerade schon kurz die Bedeutung für das transatlantische Verhältnis angesprochen und wir haben es gehört: Der Einwurf von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, Europa müsse jetzt besser für sich selber sorgen mit Blick auf die gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Wie soll das funktionieren?
    Wellmann: Das ist zunächst mal eine Geldfrage. Die Amerikaner geben deutlich über drei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung aus und wir gehen in vielen Fällen wie ganz selbstverständlich zu den Amerikanern, weil wir bestimmte Fähigkeiten nicht haben, und sagen, das müsst ihr uns stellen - strategischer Lufttransport zum Beispiel, große Transportflugzeuge und anderes. Wir geben 1,2 Prozent aus, wir, die reiche Bundesrepublik, und wir können nicht erwarten, dass der amerikanische Steuerzahler immer für uns einspringt. Das ist ein Thema, was auch bei Frau Clinton auf die Tagesordnung gekommen wäre. Wir müssen, wenn wir Sicherheit haben wollen - die gibt es nicht zum Nulltarif - deutlich mehr tun. Wir in Europa, und dazu gehört auch Deutschland als europäische Führungsmacht.
    "Es richtig, dass die Kanzlerin den Dialog angeboten hat"
    Kaess: Jetzt hat Trump gesagt, er könne sich vorstellen, mit Wladimir Putin gut auszukommen. Das könnte man jetzt positiv werten. Auf der anderen Seite sagen viele, in Trumps Äußerung kann man auch eine Aufforderung sehen an Russland, weiter zu destabilisieren. Wie sehen Sie das?
    Wellmann: Wenn Herr Trump im Wahlkampf gesagt hat, die NATO ist nicht wichtig, und wenn ein NATO-Staat wie einer der baltischen Staaten angegriffen würde von den Russen, dann würde er sich lange überlegen, ob er die Beistandsverpflichtung, die sich ja aus der NATO-Grundakte ergibt, erfüllt. Dann ist das lebensgefährlich, dann ist das eine Aufforderung, eine Ermutigung für andere, etwas zu tun.
    Er hat auch gesagt, was machen wir, wir Amerikaner eigentlich in Syrien und im Irak, das sollten wir doch den Russen ruhig überlassen. Auch das ist für uns eine sehr, sehr gefährliche Sache. Für die Amerikaner übrigens auch und darüber muss gesprochen werden. Deshalb ist es richtig, dass die Kanzlerin den Dialog angeboten hat, dass Herr Juncker, der Präsident, ihm geschrieben hat heute und sagt, er schlägt ein schnelles Gipfeltreffen vor. Und man muss sehen: Der hat ja bisher keine außenpolitischen Berater, der Trump, und ich glaube, er weiß selbst nicht, wo er außenpolitisch hin will. Das ist auch eine Chance, darüber muss gesprochen werden, und ein gutes Verhältnis zwischen Amerika und Russland, das ist schon in unserem Sinne. Das hat funktioniert, das hat im Iran funktioniert zur Abwehr der iranischen Atomrüstung, und die großen Fragen dieser Welt werden sich nur lösen, wenn es eine Verständigung gibt zwischen Amerikanern und Russen, nicht zulasten Dritter, aber über die Sicherheit in dieser großen Welt.
    "Wir haben zu wenig Führung gezeigt in Deutschland und in Europa"
    Kaess: Herr Wellmann, ich höre da raus, dass wir nach wie vor bei vielem, was Trump für uns bedeutet, noch im Dunkeln tappen. Schauen wir zuletzt noch kurz zum Schluss auf einen anderen Punkt: Die Reaktion der AfD, wir sind Präsident. Was sagt uns das für die Rechtspopulisten in Deutschland?
    Wellmann: Sie wittern Morgenluft. Allerdings sich mit jemandem gleichzumachen, der frauenfeindlich sich geäußert hat - das haben wir ja ständig gesehen -, rassistisch geäußert hat, der Gesellschaft gespalten hat, …
    Kaess: Und damit erfolgreich war.
    Wellmann: …, und damit erfolgreich war, ist ein Warnzeichen. Wir müssen besser werden. Wir haben zu wenig Führung gezeigt in Deutschland und in Europa. Das müssen wir ändern. Wir müssen besser kommunizieren, sagen, was wir getan haben schon gegen die Flüchtlingskrise, die wir tatsächlich bewältigt haben. Wir müssen auf die Ängste der Leute eingehen, auch in den Kommunen, in der Fläche, in Mecklenburg-Vorpommern, wo die ärztliche Versorgung zusammengebrochen ist. All dieser Themen müssen wir uns annehmen, damit die Leute wieder merken und den Eindruck kriegen, wir kümmern uns um sie und wir nehmen ihre Sorgen ernst, nicht nur in den reichen Metropolen mit Start-ups, sondern auch in der Fläche.
    Kaess: … sagt Karl-Georg Wellmann von der CDU, Mitglied im Auswärtigen Ausschuss. Danke für dieses Gespräch heute Mittag.
    Wellmann: Danke Ihnen! Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.