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Folgen des Christchurch-Attentats
"Ich freue mich, meine Waffe abzugeben"

Der rechtsextreme Anschlag von Christchurch mit 51 Toten im März hat Konsequenzen: Tausende Neuseeländer geben derzeit freiwillig ihre halbautomatischen Waffen ab, bevor ihr Besitz illegal wird. Und die Regierung plant weitere Verschärfungen des Waffenrechts, darunter einen Charaktertest.

Von Annika Sepeur | 27.07.2019
Ein neuseeländischer Waffenbesitzer mit Disney-World-Pullover auf dem Weg zur Abgabe seiner Waffe in Christchurch
Ein neuseeländischer Waffenbesitzer auf dem Weg zur Abgabe seiner Waffe in Christchurch (Getty Images/Kai Schwoerer)
"Das Gesetz hat sich verändert und ich kann verstehen, dass sich alle so sicherer fühlen", sagt Waffen-Rückgeber Greg Southon. "Also ja, ich wollte es erledigen und meine Waffe abgeben."
"Eigentlich wollte ich meine Waffe nicht abgeben, aber es war kein Erbstück, nichts Antikes, nur eine Schusswaffe", so Nathan Hall, ebenfalls Waffen-Rückgeber. Jetzt besorge ich mir eine mit einem Magazin, das noch erlaubt ist."
Schnelle Konsequenzen nach dem Christchurch-Anschlag
Christchurch, Neuseeland – die Stadt, in der der mutmaßliche rechtsextreme Attentäter im März während der Freitagsgebete in zwei Moscheen 51 Menschen tötete. Sie ist jetzt einer der Orte, an dem Besitzer begonnen haben, ihre halbautomatischen Waffen abzugeben, mehr oder weniger freiwillig. Denn der Anschlag hatte schnelle Konsequenzen zur Folge. Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern:
"Was in Bezug auf Schusswaffen als 'normal' gilt, wurde neu definiert. Es gibt eine neue Haltung. Die gefährlichsten Waffen werden jetzt aus dem Umlauf genommen. Letztendlich weil weite Teile der Gesellschaft sich darin einig sind, dass dies der richtige Weg ist, um uns allen mehr Sicherheit zu geben."
Halb-automatische Waffen, wie sie der Täter nutzte, sind jetzt verboten. Ein halbes Jahr lang haben die Neuseeländer Zeit, ihre Waffen freiwillig abzugeben. Nach dieser Frist droht demjenigen, der sie illegal besitzt, eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren.
Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern spricht auf einer Pressekonferenz in Christchurch
Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern auf einer Pressekonferenz in Christchurch (AFP/ Mary Melville)
Für Landwirte und Jäger sind Waffen wichtig
Waffen besitzen zu dürfen, das hatte in Neuseeland noch nie etwas Identitätsstiftendes. Es gab einfach die Möglichkeit, meint zum Beispiel Farooq Kassibawi bei Radio New Zealand:
"Ich habe einen engen Freund bei den Ereignissen in Christchurch verloren. Ehrlich gesagt sehe ich keinen Grund, warum solche Waffen erlaubt sein sollten. Als sie noch erlaubt waren, habe ich auch eine gekauft, das fühlte sich cool an. Ich besitze meine Waffe jetzt seit einem Jahr. Ich habe aber eigentlich keine große Verwendung für eine taktische Waffe. Ich freue mich, sie abzugeben und damit helfen zu können."
Eine wichtige Rolle spielen Waffen allerdings bei Landwirten und Jägern, in diesem Land der weiten und reichhaltigen Natur. In Waipu, einem kleinen Ort zwei Autostunden nördlich von Auckland, begann in den vergangenen Tagen das erste Waffen-Einsammeln jenseits der Städte, im ländlichen Neuseeland. Die Polizei hat in der Lokalzeitung eine Anzeige geschaltet, um die Menschen darauf aufmerksam zu machen. Ob das Wirkung zeigt? Die Betreiberin der Lokalzeitung, Marilyn Cox, kann sich nur an eine einzige Rückmeldung erinnern:
"Ein Mann hat angerufen, der eine halbautomatische Waffe besitzt. Er sagte, er nutze sie, um Wildschweine zu schießen. Und es stimmt, wir haben gerade viele Wildschweine, die sind zu einer ganz schönen Plage geworden."
Auch Jeff Badwell vom Supermarkt in Waipu ist skeptisch, wie die Landwirte in der Umgebung auf das Waffenverbot reagieren:
"Ich denke, die meisten Leute nutzen die Waffen, damit es auf ihren Farmen friedlich bleibt - mit Beutelratten, Hasen, Pfauen und was da noch alles so aufeinandertrifft."
Weitere Verschärfungen des Waffenrechts in Planung
Doch von dem Verbot halbautomatischer Waffen gibt es kein Zurück mehr: Premierministerin Jacinda Ardern sprach in einer ersten Zwischenbilanz davon, dass die Neuseeländer schon mehr als 3.200 Waffen abgegeben haben, dazu kommen noch hunderte Teile an Zubehör. Die Regierung habe im Gegenzug Ausgleichszahlungen von umgerechnet 3,6 Millionen Euro auf den Weg gebracht.
Schätzungen zufolge sind in Neuseeland 1,2 Millionen Schusswaffen im Umlauf. Und die neuseeländische Regierung bereitet schon weitere Verschärfungen der Gesetze vor: Premierministerin Ardern will so verhindern, dass weiterhin erlaubte Waffen in falsche Hände geraten:
"Mit dem nächsten Waffengesetz werden wir ein Register für alle Waffen und deren Besitzer einführen. Wir werden die Regeln, um eine Waffenlizenz zu bekommen und sie zu behalten, verschärfen. Wir werden die Regeln für Waffenhändler verschärfen. Künftig werden Lizenzen bereits alle fünf Jahre erneuert werden müssen. Wir werden in dem Gesetz außerdem verankern, dass es ein Privileg ist, eine Waffe zu besitzen. Es ist verbunden mit der Auflage für Besitzer nachzuweisen, dass sie in hohem Maße verantwortungsvoll und sicher handeln."
Das neue Waffenrecht soll im August ins Parlament eingebracht und bis Ende des Jahres verabschiedet werden. Es sieht außerdem vor, dass sich Antragsteller für eine Lizenz künftig einem Charaktertest unterziehen müssen. Ausländer, die sich weniger als ein Jahr in Neuseeland aufhalten, sollen keine Waffen mehr kaufen dürfen. Touristen, die für Jagd-Reisen ins Land kommen, sollen Waffen mieten oder ihre eigenen bei der Polizei registrieren lassen müssen.
Waffengeschäft will Outlet eröffnen
Die Interessenvertretung der Besitzer lizensierter Schusswaffen in Neuseeland kritisiert, ein Register aufzubauen und zu pflegen sei teuer. Sie verweist auf vergleichbare Beispiele aus Kanada und Australien, die sich als uneffektiv erwiesen hätten.
Wie unterschiedlich die Perspektiven auf den Besitz von Waffen sein können, zeigt auch diese Entwicklung: Noch nicht einmal ein halbes Jahr nach dem Attentat in Christchurch, plant David Tipple, Betreiber des Geschäfts, in dem der mutmaßliche Attentäter seine Waffen gekauft haben soll, genau dort im August einen Outlet-Store zu eröffnen:
"Wir betreiben ein rechtmäßiges Geschäft, in dem wir ein rechtmäßiges Produkt an rechtmäßige Waffenbesitzer verkaufen."
Gemeindevertreter Mark Peters hätte sich mehr Sensibilität gewünscht:
"Ich hätte mich über Gespräche mit der Gemeinde gefreut, bei denen entweder Interessenvertreter der Waffenbesitzer oder der Betreiber des Geschäftes selbst auf die Anwohner zugegangen wäre und gefragt hätte, was haltet ihr davon, wenn wir in Eure Gemeinde kommen."
Das Besitzen von Waffen - es bleibt in Neuseeland nach dem Attentat von Christchurch kontrovers, das werden auch strengere Gesetze erst einmal nicht ändern können.