Archiv

Folgen des Handelsstreits
"Die Konjunkturdelle geht auch auf die Entwicklung in China zurück"

China sei in den vergangenen Jahren ein Wachstumsmotor für die Weltwirtschaft gewesen, sagte der Ökonom und "Wirtschaftsweise" Lars Feld im Dlf. Diese Funktion könne das Land wegen des Handelsstreits mit den USA derzeit nicht wahrnehmen. Die aktuelle Wachstumsschwäche Deutschlands hänge damit zusammen.

Lars Feld im Gespräch mit Jörg Münchenberg |
Der Wirtschaftswissenschaftler Lars Feld
Der Wirtschaftswissenschaftler Lars Feld ist Mitglied des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung - bekannt als Rat der Wirtschaftsweisen (picture alliance / dpa / Sebastian Gollnow)
Jörg Münchenberg: Immerhin sie reden noch miteinander. Das muss, angesichts des sich verschärfenden Handelskonflikts zwischen China und den USA, schon als Fortschritt angesehen werden. Der US-Präsident versucht es mit einer Art Doppelstrategie: Einerseits maximaler Druck, um Peking zu Zugeständnissen in Sachen Marktöffnung und Expansionsstrategie zu zwingen. Gleichzeitig bietet er die ausgestreckte Hand in Form von weiteren Gesprächen an, was aber zunächst nichts an der Brisanz dieses Handelskonflikts ändert, der auch die globale Wirtschaft bedroht. – Am Telefon ist nun Lars Feld, Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg und zugleich einer der fünf Wirtschaftsweisen. Herr Feld, einen schönen guten Morgen!
Lars Feld: Guten Morgen!
Münchenberg: Herr Feld, ist dieser Handelskonflikt noch ein Konflikt, oder befinden sich die USA und China nicht längst in einem regelrechten Handelskrieg?
Feld: Ich bin vorsichtig, das Wort Handelskrieg zu verwenden, weil wir damit ja die Situation beschreiben, die es vor dem zweiten Weltkrieg gegeben hat. Und von den Zoll-Niveaus, von den Einschränkungen des Handels, die es damals gab, sind wir noch weit entfernt. Aber der Handelskonflikt zwischen China und den USA läuft auf eine Eskalation gegenwärtig hinaus, so dass man sich sehr wohl große Sorgen machen muss.
Münchenberg: Manche sagen, das sei auch eine Schlacht um die Führung der Welt, ausgetragen letztlich mit den Mitteln der Ökonomie. Würden Sie da zustimmen?
Feld: Ja, da stimme ich zu. Man muss schon sehen, dass hinter diesem Handelskonflikt die geostrategische Rivalität zwischen den USA und China steht, insbesondere im asiatischen Raum, aber vielleicht sogar darüber hinaus. Das wird angefeuert aus chinesisch nationalistischen Kreisen, die die Geschichte ihres Landes begreifen als eine Dominanz über Jahrtausende, die nur im 19. Jahrhundert bis ins 20. Jahrhundert eine empfindliche Delle erlebt hat. Die überkommt man jetzt, diese Phase, und steigt wieder auf zur dominanten Nation. Das ist häufig die Vorstellung in China und die USA befürchten zu Recht, dass China versucht, seine Interessenssphären in Asien deutlich weiter auszudehnen und damit auch Verbündete betrifft.
"Lieber wirtschaftlicher Druck als bewaffneter Konflikt"
Münchenberg: Ist die Antwort aus den USA die richtige, sprich Strafzölle auf chinesische Importe?
Feld: Na ja. Die Frage ist, was bisher in den Gesprächen zwischen China und den USA vor Donald Trump erreicht worden ist, und das war herzlich wenig, sowohl im Hinblick auf die Öffnung des Landes als auch im Hinblick auf die Hoffnung, dass sich mit der bisherigen Öffnung auch eine politische Liberalisierung verbinden würde. Und auch drittens: Expansionstendenzen beispielsweise im Südchinesischen Meer hat sich China nicht ausreden lassen. Von daher musste irgendetwas passieren und die USA haben nun diesen Weg gewählt. Wir werden am Ende erst sehen, ob er zum Erfolg führt oder nicht.
Münchenberg: Aber noch mal: ist es das richtige Druckmittel?
Feld: Mir ist zurzeit lieber, die Vereinigten Staaten fangen im wirtschaftlichen Bereich an, Druckmittel aufzubauen, als dass es irgendwann zu bewaffneten Konflikten kommt.
"Die USA haben mehr Druckmittel"
Münchenberg: Nun halten sich die USA ja noch weitere Strafzölle auf chinesische Importe offen. Das heißt auch, dieser Konflikt kann noch weiter eskalieren.
Feld: Ja, sehr wohl, wobei hier auch eine deutliche Asymmetrie zu erkennen ist. Die USA haben insofern mehr Druckmittel in den Händen, als China mehr nach USA exportiert, als es aus den USA importiert, so dass die USA auch deutlich mehr Produkte, zumindest in Werten gerechnet, in Milliardenhöhe mit Zöllen belegen kann.
Münchenberg: Das heißt, die USA sitzen am längeren Hebel?
Feld: Derzeit ist das der Fall, ganz genau.
Münchenberg: Wie gefährlich ist dieser Handelskonflikt trotzdem für die globale Wirtschaft? Kann man das jetzt schon absehen?
Feld: Einerseits sorgt der Handelskonflikt für ein erhebliches Maß an Unsicherheit, und Unsicherheit ist für Investoren immer Gift. Das ist die eine Seite, die sicher ungünstige konjunkturelle Auswirkungen haben wird.
Und die andere Seite: China ist in den vergangenen Jahren ein wesentlicher Wachstumsmotor für die Weltwirtschaft gewesen und wird diese Funktion derzeit nicht wahrnehmen können, unter anderem wegen des Handelskonflikts. Es kommen dann noch gewisse interne Probleme dazu. Die Wachstumsschwäche, die Deutschland im vergangenen Jahr und zu Beginn diesen Jahres hatte, die Konjunkturdelle, die wir im Moment erleben, geht im Wesentlichen auch auf die Entwicklung in China zurück.
"VW tätigt 40 Prozent seines Jahresumsatzes in China"
Münchenberg: Wie gefährlich ist das trotzdem für die deutsche Exportwirtschaft, die ja einerseits sehr stark in China und in den USA vertreten ist und andererseits auf eine sehr hohe globale Nachfrage angewiesen ist?
Feld: Die Gefahr ist relativ hoch. Beachten Sie beispielsweise, dass der Volkswagen-Konzern etwa 40 Prozent seines Jahresumsatzes in China tätigt. Und wenn der Handelskonflikt eskalieren sollte, irgendwelche anderen Sanktionen vielleicht auch noch kommen, dann beeinträchtigt das durchaus auch die Bundesrepublik und auch die deutschen Anbieter.
Man muss ja im internationalen Handel immer sehen, dass solche Handelsbeschränkungen auch Umlenkungseffekte haben. Das heißt, es kann durchaus auch was Positives für Deutschland rauskommen. Aber ich sehe eigentlich eher per Saldo die negativen Auswirkungen.
Münchenberg: Haben denn die deutschen Firmen irgendwelche möglichen Ausweichstrategien, dass man zum Beispiel Produktionsstätten aus China und den USA woanders hinverlagert? Bei der Autoindustrie etwa ist das ja schlecht vorstellbar.
Feld: Dass man unmittelbar Fabriken verlagert, das passiert typischerweise in der internationalen Wirtschaft nicht, sondern es wird dann darum gehen zu fragen, wo tätige ich die nächsten Erweiterungsinvestitionen. Da kann die deutsche Wirtschaft reagieren, auch die Autoindustrie reagieren, aber es würde schon schwieriger.
Was man im Moment schon sieht ist, dass eine Autoproduktion von deutschen Unternehmen in den USA mit Zöllen belegt wird aus China und dadurch auch für die deutschen Hersteller Probleme auftreten.
"Erstes Quartal besser gelaufen als prognostiziert"
Münchenberg: Der Sachverständigenrat hat ja seine Prognose für das Jahr 2019 schon deutlich reduziert jetzt für Deutschland: 0,8 Prozent Wachstum beim BIP und nur noch 1,7 für 2020. Ist das denn noch haltbar, angesichts der ja doch eher sich zuspitzenden Lage mit den massiven Auswirkungen auf die globale Wirtschaft?
Feld: Wenn Sie nun einfach die kurzfristigen Entwicklungen nehmen, die wir zu Beginn dieses Jahres hatten, dann gehen wir davon aus, dass es weiterhin haltbar ist. Das erste Quartal scheint ja etwas besser gelaufen zu sein, als viele Prognostiker es befürchtet hatten. Das heißt nun aber auch nicht, dass wir im Jahresverlauf vor Überraschungen gefeit wären. Die Risiken, die wir in unserem Konjunktur-Update vom März diesen Jahres auflisten, sind ja weiterhin präsent, und ein Risiko ist die Eskalation des Handelskonfliktes. Das Risiko rückt näher und könnte sich eher manifestieren, so dass es vielleicht auch schlechter läuft.
Wir haben auch andere Risiken, beispielsweise in der Eurozone mit der Entwicklung in Italien, und da werden wir auch erst nach den Europawahlen sehen, was passiert.
Münchenberg: Sie haben vorhin schon die enorme Abhängigkeit auch der deutschen Wirtschaft von China benannt. Könnte das im schlimmsten Fall auch Jobs hierzulande kosten, wenn dieser Handelskonflikt eskaliert?
"Bis der Arbeitsmarkt Auswirkungen zeigt, dauert es lange"
Feld: Na ja. Bis der Arbeitsmarkt Auswirkungen zeigt, das dauert in der Regel doch eine relativ lange Zeit. Der ist ja, wie wir so schön in der Konjunkturforschung sagen, ein nachlaufender Indikator in aller Regel. Von daher kann das natürlich dann sein, wenn der Handelskonflikt wirklich eskaliert und sich die Befürchtungen, die man bisher hatte, einstellen. Dann kann das auch Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben. Aber gegenwärtig sehe ich da nichts.
Münchenberg: Ist denn Ihrer Ansicht nach es noch vorstellbar, dass sich die USA in dieser Situation, dem Handelsstreit mit China, auch noch mit den Europäern anlegen? Die Frist für mögliche Zölle auf die Autoindustrie läuft ja jetzt am kommenden Wochenende aus.
Feld: Wir hatten, wenn Sie das Bild aus dem Herrn der Ringe wählen, bisher die Befürchtung, dass, nachdem ein Handelsvertrag zwischen den USA und China geschlossen ist, sich die Aufmerksamkeit des amerikanischen Präsidenten wie das Auge wendet in Richtung Europa und letztlich Autozölle kommen würden in diesem Handelskonflikt. Die Verhandlungen zwischen der EU und den USA gehen ja ebenfalls weiter und auch da sieht es im Moment noch bei weitem nicht nach einer Einigung aus. Von daher müssen wir auch vorsichtig sein, was die Handelssituation zwischen diesen beiden Handelsblöcken anbetrifft.
Münchenberg: Aber Sie halten es für durchaus vorstellbar, dass sich dann Trump tatsächlich mit der ganzen Welt handelspolitisch anlegt?
Feld: Ja, das hat er ja gemacht. Er hat zum Teil Erfolge erzielt, aus seiner Sicht, auch wenn die geringfügig sind, wenn man die Nachverhandlungen von NAFTA beispielsweise anschaut. Er könnte mit Japan in relativ schneller Zeit einen Handelsvertrag abschließen. Die großen Fragen für ihn sind China und die EU. Aber wenn er da am Ende zu einem Ergebnis kommt, dann hat er aus seiner Sicht zumindest geliefert. Wir hören natürlich jetzt schon noch aus den USA viele Stimmen, die sagen, der Schaden dieser Handelspolitik, der ist jetzt schon deutlich spürbar, und wir müssen aufpassen, dass das am Ende nicht die amerikanische Konjunktur zu sehr nach unten zieht.
"China hat die schlechteren Karten"
Münchenberg: Nun stellt Donald Trump, der US-präsident mit seiner Strategie letztlich das chinesische Wachstumsmodell insgesamt in Frage. Er fordert ja massive Zugeständnisse, ein Ende der aggressiven Expansionsstrategie, Offenheit, Transparenz, Ende der Industriespionage und vieles weitere mehr. Ist da überhaupt vorstellbar, bei diesen weitreichenden Forderungen, dass China hier überhaupt bereit ist oder bereit sein kann nachzugeben?
Feld: In der gegenwärtigen Situation hat China die schlechteren Karten. China ist immer noch ein Land, das im mittleren Einkommensbereich angesiedelt ist, mit starken regionalen Differenzen zwischen den Küstenregionen und dem Inland im Westen des Landes. Da bleibt dem Land im Grunde gar nichts anderes übrig, als zu irgendeinem Ergebnis zu kommen, weil ansonsten der Schaden für das Land viel zu groß ist. Irgendwas werden die Chinesen schon auch bieten müssen. Ich kann mir allerdings jetzt nicht vorstellen, dass das in allen Dimensionen gelingt. China hat schon Anfang diesen Jahres – Mitte März ist das, glaube ich, gewesen – eine neue Gesetzgebung erlassen, die das Land offener werden lassen soll, insbesondere im Finanzbereich, der für die Vereinigten Staaten wichtig ist. Da werden die Chinesen aber auch noch einen weiteren Weg gehen müssen, bevor die Amerikaner zufrieden sind.
Münchenberg: Auf der anderen Seite, Herr Feld, können sich die USA einen dauerhaften Handelskrieg überhaupt leisten, angesichts der enormen Staatsverschuldung, die letztlich auch von China mit finanziert wird?
Feld: Das eine ist, dass man klar sagen muss, die USA sind natürlich sehr wirtschaftsstark. Aber in einem solchen demokratischen Staat, wenn dann demnächst mal wieder Wahlen anstehen, können sich die Vereinigten Staaten nicht ohne weiteres leisten, dass massive negative Auswirkungen dieser Strategie auftreten. Deswegen musste Donald Trump auch relativ schnell mit diesen handelspolitischen Maßnahmen kommen, um das durchzuverhandeln und dann irgendwann noch einen Erfolg zu haben, noch rechtzeitig vor den nächsten Präsidentschaftswahlen.
Auf der anderen Seite, was die Verschuldung anbetrifft: Die USA sind die einzige große Volkswirtschaft in der Welt. Sie haben es bisher auch geschafft, dass ihre Notenbank dem Staat ein Stück weit unter die Arme gegriffen hat. Deswegen haben sie auch viel mehr Möglichkeiten, sich zu verschulden, als das andere Länder in der Welt haben. Sie bieten die Reservewährung der Welt. Und der Gläubiger heißt ja Gläubiger, weil er dann, wenn ein Schuldner nicht mehr zahlen kann, dran glauben muss. Insofern ist die chinesische Führung auch dahingehend nicht in einer besonders guten Situation, wenn man so stark als Gläubiger gegenüber den USA exponiert ist.
"Gehe davon aus, dass Trump im Amt bleibt"
Münchenberg: Ganz kurz noch der Blick in die Glaskugel. Ihre Prognose? Wie geht der Konflikt aus? Angeblich spielt China ja auf Zeit und hofft auf einen nächsten US-Präsidenten, der vielleicht dann nicht mehr Donald Trump heißt.
Feld: Einerseits müssen die Verhandlungen relativ rasch zu Ende geführt werden. Ich glaube nicht, dass China bis zu den Präsidentschaftswahlen im nächsten Jahr pokern kann. Vielleicht in gewissen Elementen der Forderungen der USA, aber nicht in allen Dimensionen.
Zum anderen muss sich nicht nur China, sondern auch der Rest der Welt darauf einstellen, dass Donald Trump relativ hohe Wiederwahlchancen hat, was einerseits an der zerstrittenen Opposition hängt, aber andererseits auch daran, dass seine Wähler ihm weiter die Stange halten. Ich würde, wenn es um Risikominimierung in der Wirtschaftspolitik geht, eigentlich eher davon ausgehen, dass Donald Trump im Amt bleibt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.