Archiv

Folgen von Fracking
Stille Wälder, giftiges Laub

Es gibt wohl kaum ein anderes Land der Erde, in dem Fracking so intensiv betrieben wird wie in den USA. Jetzt haben Forscher aus dem Land untersucht, welchen Belastungen Tiere und Pflanzen nahe der Bohrlöcher ausgesetzt sind. Auch für den Menschen könnte das negative Folgen haben.

Von Monika Seynsche |
    Ein Fracking-Bohrturm in der Abenddämmerung.
    Auf den Blättern der Bäume und Pflanzen in direkter Bohrloch-Umgebung fanden die Forscher mitunter giftiges Benzol. (dpa/picture alliance/Jim Lo Scalzo)
    Die Doktorandin Laura Farwell von der Universität von West Virginia in Morgantown ist jahrelang durch die Wälder ihrer Heimat gestreift und hat Daten gesammelt. Sie hat die Baumarten und Vögel kartiert, die rund um die Bohrlöcher und Pipelines der Fracking-Unternehmen lebten.
    "Dabei entdeckte ich, dass die Veränderungen der Wälder durch das Fracking zu einer ganz anderen Lebensgemeinschaft unter den Vögeln führten. Arten, die auf geschlossene Waldgebiete angewiesen sind, verschwanden, während andere Arten, die Waldränder und Lichtungen bevorzugen, sehr stark zunahmen.
    Um ihre Bohrgeräte und Pipelines installieren zu können, hatten die Schiefergasfirmen ein Netz von gerodeten Trassen und künstlichen Lichtungen angelegt und dadurch zerstückelte Waldgebiete und viele neue Waldränder geschaffen. Laura Farwell hatte schon vermutet, dass sich in der Folge die Artenzusammensetzung der Singvögel ändern würde. Allerdings gingen die Zahlen einiger Arten viel stärker zurück, als sie gedacht hatte. Dafür seien neben dem Verlust an Lebensraum wahrscheinlich noch andere Faktoren verantwortlich, sagt die Biologin.
    "Möglicherweise fallen sie in den gestörten Wäldern öfter Räubern zum Opfer, leiden unter größerer Konkurrenz sowie unter Brutparasiten, wie dem Braunkopf-Kuhstärling. In unserem Untersuchungsgebiet sind seine Populationen geradezu explodiert."
    Weitere Langzeitstudien sind notwendig
    Heute leben dort 15 mal mehr Braunkopf-Kuhstärlinge als noch vor acht Jahren. Diese Art liebt Waldränder und offenes Gelände. Sie legt ihre Eier in fremde Nester. Die Küken schlüpfen in der Regel eher als die der unfreiwilligen Gasteltern und verdrängen die heimischen Küken aus den Nestern. Darunter leiden besonders die Studienobjekte von Laura Farwells Kollegen Mack Frantz von der Universität von West Virginia in Morgantown. In der Nähe von Schiefergasbohrungen ging die Zahl der Stelzenwaldsänger deutlich zurück.
    "Wenn es um die Auswirkungen der Schiefergasförderung auf Wildtiere und Pflanzen geht, gibt es noch so viele Unbekannte, dass wir dringend weitere Langzeitstudien brauchen. Diese Studien müssen jetzt beginnen und Basisdaten sammeln, so dass wir dann sehen können, wie sich die Natur durch den Fracking-Boom verändert. Ich finde es sehr ermutigend, dass zumindest in den USA viele Landes- und Bundesbehörden unsere Arbeit aufmerksam verfolgen. Das ist ein erster Schritt, um dann Strategien zur Risikominderung zu entwickeln."
    Denn nicht nur Singvögel werden durch die Schiefergasförderung verdrängt. An der Universität von Northern Colorado untersucht die Doktorandin Randi Lupardus, wie sich das Fracking auf die Pflanzen in der Umgebung der Bohrlöcher auswirkt.
    "Wir fanden die aromatischen Kohlenwasserstoffe, Benzol, Toluol, Ethylbenzol und Xylol auf fast allen Blättern im Umkreis von etwa 100 Metern. Am höchsten war die Konzentration an Benzol. Dieser Stoff beunruhigt uns besonders."
    Die aromatischen Kohlenwasserstoffe stammen aus dem Gas und Öl im Untergrund und gelangen durch das Fracking an die Oberfläche. Sie alle sind giftig und können beim Menschen Leberschäden und chronische Nervenschäden verursachen. Benzol ist darüber hinaus krebserregend. Diese Stoffe auf den Pflanzen in der Umgebung von Schiefergasbohrungen zu finden, beunruhigte Randi Lupardus.
    !Rinder, die so hohe Mengen an Benzol inhalieren, weisen Wunden und Geschwüre in den Lungen und im Mundbereich auf. Und sie leiden unter Atemwegserkrankungen. Das ist besorgniserregend, denn in unserem Untersuchungsgebiet sind sehr viele Viehweiden und die Rinder grasen oft direkt neben den Bohrlöchern und atmen die Luft dort ein."
    So könnten die aromatischen Kohlenwasserstoffe über Rindersteaks letztlich auch in die menschliche Nahrungskette gelangen.