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Folgen von Orlando für US-Wahlkampf
"Das ist Wasser auf Trumps Mühlen"

Donald Trump wird weiter versuchen, das Attentat von Orlando für seine politischen Zwecke zu nutzen, sagte Josef Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik im DLF. Er sei ein "gnadenlos talentierter Populist", der die Ängste der Bevölkerung weiter schüren wolle. Sollte es zu einer erneuten Waffenrechtsdebatte kommen, rät Braml Hillary Clinton zu Vorsicht.

Josef Braml im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Blumen und Trauerbekundungen anlässlich der Schießerei in Orlando vor der Bar "The Stonewall Inn" in New York
    Überall in den USA taten Menschen ihre Trauer und ihr Mitgefühl kund - wie hier in New York. Das Attentat hat auch Auswirkungen auf den Präsidentschaftswahlkampf. (imago stock&people)
    Dirk-Oliver Heckmann: Omar Matien, das ist der Name des Mannes, der so wie es aussieht verantwortlich zeichnete für das Blutbad in einem Nachtclub in Orlando (Florida), der vor allem von Schwulen und Lesben frequentiert wurde. 50 Männer und Frauen tötete er, über 50 andere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Aber welches Motiv trieb ihn an? Hatte er sich dem sogenannten Islamischen Staat angeschlossen, oder handelte er aus Schwulenhass? Am Telefon ist jetzt Joseph Braml von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Guten Tag, Herr Braml.
    Joseph Braml: Guten Tag, Herr Heckmann.
    Heckmann: Herr Braml, noch ist ja nicht klar, ob der mutmaßliche Schütze von Orlando tatsächlich ein radikaler Islamist gewesen ist oder aus Hass auf Homosexuelle handelte. Donald Trump aber wird vorgeworfen, die Tat für seine Zwecke zu nutzen, weil er seine Forderung bekräftigte, keine Moslems mehr in die USA einreisen zu lassen. Wird dieser Vorwurf der Instrumentalisierung zu Recht erhoben aus Ihrer Sicht?
    Braml: Ob zu Recht oder zu Unrecht, glaube ich, ist Donald Trump egal. Das ist Wasser auf seine Mühlen. Er hat ja früher schon pauschalisiert. Mit Differenzierungen hat er es ohnehin nicht so recht. Er wird vielleicht dann noch hinzufügen, nicht nur Muslime nicht ins Land zu lassen, sondern auch diejenigen, die schon im Land sind, rauszuschmeißen. Das hat er ja bereits mit Latinos schon vorgeschlagen. Ihm geht es nicht um die feine Differenzierung, sondern er will die Ängste der Bevölkerung weiter schüren, um sich dann als den starken Mann darzustellen, der das Land wieder stärker macht.
    Heckmann: Wasser auf seine Mühlen, sagen Sie. Der entsprechende Tweet von Trump wird aber auch viele Amerikaner abstoßen. Wird er ihm auch schaden?
    Braml: Trump ist unbeliebt, ähnlich wie auf der anderen Seite Hillary Clinton aus anderen Gründen. Ich glaube, die, die Trump ablehnen, werden auch das geschmacklos finden. Die, die ihn unterstützen, werden ihn umso begeisterter unterstützen.
    "Clinton darf sich nicht zu weit aus dem Fenster lehnen"
    Heckmann: Obama, der hat ja von einem Akt des Terrors und einem Hassverbrechen gesprochen und nicht von einer Tat eines radikalen Islamisten. Deshalb fordert ja Trump sogar den Rücktritt von Obama. Diese Zurückhaltung Obamas in diesem Punkt, wird das den Demokraten eher nutzen oder schaden?
    Braml: Ich denke, Obama hat sich nicht wirklich zurückgehalten. Er hat ja bei früheren Massakern schon deutlich gemacht, dass auch das eine Form des Terrorismus sei, obwohl jetzt kein Bezug zum IS hergestellt wurde. Er hat deutlich gemacht, wie viele Amerikanerinnen und Amerikaner durch den Schusswaffengebrauch ums Leben kommen und man müsse diesen Terroristen dann das Handwerk legen. Er hat sich hier sehr stark ins Zeug gelegt. Ob das Ganze jetzt vom IS inspiriert oder auch angeleitet war, glaube ich, ist jetzt in dieser Wahlkampfphase zweitrangig. Hier wird pauschalisiert.
    Heckmann: Es wird pauschalisiert. Vor allem Trump wird wie erwähnt vorgeworfen, das Massaker zu instrumentalisieren. Aber gleichzeitig - Sie haben es angedeutet - geißelt Obama die Waffengesetze, die er schon längst verschärfen wollte. Muss man dann nicht sagen, auch er nutzt das Massaker für politische Zwecke?
    Braml: Er will Politik machen. Es ist ja nicht das erste Massaker. Wenn Sie Statistiken bemühen, dann können Sie davon ausgehen, dass Sie bis zum Wahltag wahrscheinlich noch das eine oder andere mehr haben werden. Ob jetzt mit IS-Hilfe oder durch den IS inspiriert, sei dahingestellt. Wir haben übers Jahr verteilt 330 Massaker, nicht diesen Ausmaßes. Dieses Mal war ein Profi am Werk, der von privaten Sicherheitsdiensten ausgebildet wurde. Ich glaube, davon können wir nicht immer ausgehen. Aber das passiert tagtäglich und jeder vernünftige Mensch macht sich Gedanken, wie das Ganze abgeschafft werden könnte. Man muss hier sicher der Waffenlobby Einhalt gebieten. Das hat Obama versucht. Aber er kann nur mit dem Kongress zusammen regieren. Er kann versuchen, öffentlich Druck auszuüben. Daran ist er bisher gescheitert. Und Hillary Clinton, die jetzt ihrerseits im Wahlkampf ist, wird gut beraten sein, hier sich nicht allzu weit aus dem Fenster zu lehnen, um ihre Wahlchancen nicht zu beeinträchtigen.
    Heckmann: Inwiefern? Weshalb wäre das gefährlich für Sie?
    Braml: Es gab schon vor ihr Vertreter, politische Vertreter, die die Waffengesetze verschärfen wollten und zum Beispiel aus dem Kongress geflogen sind. Denken Sie nur an den ehemaligen Speaker oft he House, Tom Foley. Er hatte das gefordert, wollte das vorantreiben und ist dann als mächtigster Mann der Demokraten aus dem Kongress geflogen, hat seine Wiederwahl nicht erreicht.
    "Er ist ein gnadenlos begabter Populist"
    Heckmann: Das heißt, wenn man amerikanischer Präsident werden möchte, darf man die Verschärfung der Waffengesetze gar nicht erst so richtig auf die Agenda setzen?
    Braml: Man kann es versuchen zu machen, wenn man als Präsident gewählt worden ist. Wenn man das Ganze aber schon im Wahlkampf macht, sollte man wissen, dass man sehr viele Amerikaner, mächtige Lobbys gegen sich hat und dem Gegner hilft, seine Wahlkampfbasis zu mobilisieren.
    Heckmann: Herr Braml, Sie haben es gerade schon gesagt. Obama hat mehrfach versucht, mehrfach Anläufe zu machen, die Waffengesetze zu verschärfen, erfolglos am Ende. Wird das aus Ihrer Sicht diesmal genauso sein?
    Braml: Ich gehe davon aus, leider ja. Da muss vielleicht noch sehr viel mehr passieren, bis hier ein kollektives Umdenken einsetzt. Die Gegner schärferer Waffengesetze argumentieren ja: Hätte jeder dieser Nachtclub-Besucher selbst eine Waffe gehabt, dann wäre das Ausmaß nicht so schlimm gewesen, dann hätte man diesen Angreifer zur Strecke bringen können. Ähnlich wird argumentiert, wenn in Kindergärten solche Massaker verübt werden. Das muss man nicht unbedingt verstehen, aber als Tatsache zur Kenntnis nehmen.
    Heckmann: Weshalb ist das so, dass so viele Amerikaner dieser Argumentation folgen?
    Braml: Da bin ich als Politikwissenschaftler, ehrlich gesagt, überfragt. Da müssen Sie vielleicht tiefere soziologische Quellen bemühen, vielleicht die Vorläufer, die ersten Siedler. Aber als Politikwissenschaftler kann man dann doch wieder feststellen, dass es eine massive Waffenlobby gibt, die hier auch Einfluss auf die Wahrnehmungen von Amerikanern ausübt und nicht zuletzt auch auf die Politik, und das gibt derzeit noch den Ausschlag.
    Heckmann: Donald Trump, der hat ja seine Forderung wiederholt bekräftigt, keine Moslems mehr ins Land zu lassen. Ist das eigentlich eine Forderung, die er in die Tat umsetzen würde aus Ihrer Sicht, wenn er Präsident würde, oder ist das alles reine Wahlkampfrhetorik, die nach der Wahl vergessen wäre?
    Braml: Er ist ein gnadenlos begabter Populist. Er weiß, wie er seine Wähler ansprechen kann. Er wird sich jetzt keine Gedanken machen, wie er das eine oder andere umsetzt. Auch Hillary Clinton ist nicht frei von Populismus, jetzt nicht bei diesem Thema, sondern bei anderen Themen. Nehmen Sie zum Beispiel nur ihre Distanz, die sie jetzt gewahrt hat gegenüber Freihandelsabkommen, die sie vorher als Außenministerin vorangetrieben hat. Populismus gehört zum Handwerkszeug im politischen Geschäft der USA und nicht nur in den USA.
    Terrorismus-Debatte: "Trump wird die Oberhand behalten"
    Heckmann: Inwieweit wird dieses Massaker von Orlando in Florida den Wahlkampf beeinflussen? Oder denken Sie, dass der Einfluss gar nicht so groß ist, weil die Lager ohnehin schon so aufgeteilt sind, wie sie aufgeteilt sind?
    Braml: Sollte sich jetzt eine Terrorismus-Debatte herauskristallisieren durch neuere Erkenntnisse, dass es vielleicht doch Verbindungen nach außen gegeben haben sollte, oder er doch massiv inspiriert war von Schriften des IS, dann kann ich mir vorstellen, dass das Thema bleibt und dass hier Donald Trump doch die Oberhand behalten dürfte, dass das Wasser auf seine Mühlen ist. Aber selbst wenn dieses Attentat, dieser Massenmord nicht zur größeren Debatte anstoßen wird, dann kann man davon ausgehen statistisch, dass noch das eine oder andere Massaker passieren wird. Wie gesagt: 330 pro Jahr. Wir haben noch eine sehr lange Zeit bis hin zum Wahlkampftermin. Für Hillary Clinton bleibt zu hoffen, dass der eine oder andere Anschlag, der noch stattfinden wird, nicht zu kurzfristig vor den Wahlen sein wird.
    Heckmann: Joseph Braml war das von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik zu den Auswirkungen des Massakers von Florida auf den amerikanischen Wahlkampf. Herr Braml, danke Ihnen für dieses Gespräch.
    Braml: Herzlichen Dank Ihnen, Herr Heckmann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    Das vollständige Gespräch lesen Sie in Kürze hier.