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Football Leaks
Hat Sergio Ramos gedopt?

Einer der besten Fußballer der Welt hat am Abend des Champions League Finales 2017 einen positiven Dopingbefund - wird aber nicht bestraft. Die Sache kommt nicht einmal ans Licht. Das zeigen Dokumente aus den Football Leaks, die der Spiegel mit dem NDR und dem Recherchenetzwerk EIC geteilt hat.

Von Hendrik Maaßen |
    Kapitän Sergio Ramos hält den Pokal in die Höhe, seine Mitspieler reißen die Arme hoch.
    Die Spieler von Real Madrid jubeln über ihren Pokal (dpa-picture-alliance/Kirsty Wigglesworth)
    Es ist der Abend des Champions League Finals 2017. Real Madrid gegen Juventus Turin.
    Um 22.38 wird Sergio Ramos, der Kapitän der Sieger, zur Dopingkontrolle gebeten. Sie wird positiv ausfallen. In seinem Urin finden die Analytiker Dexamethason, ein Cortison-Präparat. Der Wirkstoff steht auf der Liste der verbotenen Substanzen der Welt-Anti-Dopingagentur Wada. Es ist ein Entzündungshemmer mit positiven Nebenwirkungen, sagt der Heidelberger Sportjurist Michael Lehner: "Ansonsten kenne ich Kortison nur als, ja Aufputschmittel, in Anführungszeichen, das einfach vor einer großen Anstrengung die Entzündungsschmerzen nicht spüren lässt."
    Mannschaftsarzt übernimmt die Schuld
    Sergio Ramos, Weltmeister, zweimaliger Europameister, dreimaliger Champions-League-Sieger – sieht‘s locker. Als die Europäische Fußball-Union eine Stellungnahme einfordert, schreibt er vier Zeilen. Der Mannschaftsarzt habe ihn am Tag vor dem Spiel behandelt, alles weitere werde ein 'medizinischer Bericht' erklären. "Ich hoffe, dass damit die Situation vollständig geklärt ist", schloss Ramos.
    In dem Dopingformular müssen auch die Medikamente angegeben werden, die in den vergangenen sieben Tagen eingenommen wurden. Und das ist Ramos‘ Problem: Hier steht nichts von Dexamethason. Angegeben ist, dass ihm ein anderer Wirkstoff gespritzt wurde: Celestone Chronodose. Auch dieses Mittel wirkt entzündungshemmend, und: es steht ebenfalls auf der WADA-Liste der verbotenen Mittel.
    Der Mannschaftsarzt Dr. A. übernimmt die Rolle des Sündenbocks. Sein Bericht an die UEFA liest sich wie eine Selbstanzeige: Ramos sei unschuldig, er habe Ramos am Tag vor dem Champions-League-Finale zwei Spritzen Dexamethason gegeben, da er "chronische Beschwerden" in Knie und Schulter habe.
    Falscher Wirkstoff auf das Formular geschrieben
    Der Arzt erklärt auch, warum das nicht in den Dokumenten zu finden ist. Er habe im Trubel der Dopingkontrolle den falschen Wirkstoff ins Formular geschrieben. Zitat: "In der Euphorie nach dem Sieg seien auch der König von Spanien und der Ministerpräsident im Dopingkontrollraum gewesen. Das war menschliches Versagen und deshalb auch verständlich."
    Darüber schüttelt der Vorstand der deutschen Anti Doping Agentur, Lars Mortsiefer, nur den Kopf: "Da reden wir nicht von der Kreisliga oder von der Bezirksliga, sondern wir reden dort von Champions League. Wir reden von hochqualifizierten Spielern, hochqualifizierten Ärzten. Da fällt es mir schwer so eine Situation nicht als Schutzbehauptung zu werten."
    Doch die UEFA glaubt diese Theorie und schreibt Ramos: "Seien Sie und Ihr Mannschaftsarzt in Zukunft besonders vorsichtig." In anderen Sportarten, wie im Boxen, Radsport oder Badminton gehen die Verbände bei Doping mit Kortison konsequenter vor. Sie sperren Athleten, teils auch die Ärzte.
    Duschen vor dem Dopingtest
    Die Sonderbehandlung schien Abwehrchef Ramos gefallen zu haben. Ein paar Monate später bittet ihn ein Kontrolleur in der spanischen Liga zum Dopingtest. Aber Ramos will erstmal duschen, bevor er eine Urinprobe abgibt. Doch das ist verboten. Der Anti-Doping-Kontrolleur untersagt es ihm ausdrücklich. Ein Mannschaftsarzt kommt dazu, Ramos und er beschweren sich, sagen, dass das sonst auch erlaubt sei. Duschen gehen ist grundsätzlich erlaubt aber während einer Dopingkontrolle natürlich nicht. Das ist ein "Don't go", sagt Sportjurist Lehner.
    "Man will ja gerade mit der Nachricht: Dopingkontrolle überraschend sein, in jeder Hinsicht vermeiden dass irgendwelche Manipulationen Einflüsse von außen passieren. Das kann mit Urin-Austausch mit Zuleitungen von fremdem Urin, mit viel trinken um Blut aus einer Körperflüssigkeit zu verdünnen ja alles geschehen."
    Warum mehr als fünf Monate vergingen, ehe die spanische Anti-Doping-Agentur Real Madrid in einem offiziellen Schreiben über die Vorwürfe gegen Sergio Ramos informiert, bleibt unklar. Ein Real-Anwalt begreift jedenfalls sofort den Ernst der Lage: "Die Strafen wiegen äußerst schwer", schrieb er intern in einer Email. Denn normalerweise wird ein Sportler für mindestens zwei Jahre gesperrt. Normalerweise, in anderen Sportarten, als im Fußball.