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„Football Manager“
Ein Spiel für Taktiker und Trainer

Abzutauchen aus dem Alltag, alle Sorgen vergessen, sich einfach nur dem Spiel widmen - darum geht es bei vielen Computerspielen. Einen anderen Anspruch hat ein Fußball-Managerspiel, dessen neue Jahresausgabe am 24. November erscheint. So realistisch wie möglich soll es sein. Das hat sogar Auswirkungen auf Fußball im echten Leben.

Von Matthias Friebe |
"Football Manager" hat den Ruf, nicht nur Zeitvertreib und Spaß zu bieten, sondern Anspruch an taktische Fähigkeiten der Spielerinnen und Spieler.
"Football Manager" hat den Ruf, nicht nur Zeitvertreib und Spaß zu bieten, sondern Anspruch an taktische Fähigkeiten der Spielerinnen und Spieler. (Sports Interactive)
Seit fast zwei Jahren trainiert Ole Gunnar Solskjaer das Team von Manchester United. Der Norweger, der auch als Spieler elf Jahre lang das rote ManU-Trikot trug, führt einen Teil seines Erfolgs auf das Computer-Spiel "Football Manager" zurück. So erzählt er es immer wieder in Interviews, wie hier bei BT Sport:
"Ein fantastisches Spiel, ich habe viel über Fußball gelernt, über die Spieler, vor allem die jungen Talente. Das Spiel ähnelt dem echten Leben, wenn es darum geht, wer ein guter Spieler wird."
Beim "Football Manager" übernimmt der Spieler alle Aufgaben eines Trainers und Fußball-Managers: vom Training über die taktische Aufstellung bis hin zu Spielerverpflichtungen und dem Kontakt mit den Medien. Und das soll so nah wie möglich an die Realität herankommen.
So echt wie möglich
"Wir wollen, dass der Football Manager so echt ist, wie ein Flugsimulator für Fußballtrainer und Manager", sagt Tom Markham, der Entwicklungsdirektor bei Sports Interactive. Seit rund 25 Jahren wird die Datenbank des Spiels, von der Markham selbstbewusst sagt, sie sei größer als die des Weltverbands FIFA, gepflegt und ständig überarbeitet, was für viele Clubs im echten Leben interessant ist. Profivereine nutzen sie bei der Suche nach neuen Spielern. Welche Vereine mit dem Spiele-Hersteller zusammenarbeiten, will Markham dem Deutschlandfunk nicht verraten. Vom FC Everton aber war in den Medien vor einigen Jahren zu lesen.
"Dass die besten Vereine der Welt das Spiel nutzen, ist schön für uns und bringt Glaubwürdigkeit. Für uns hat aber Priorität, das Spiel so realistisch wie möglich zu halten."
Seit 2018 in Deutschland
Seit der Hersteller 2018 auch die Lizenzen für die Fußball-Bundesliga erwarb, wird das Spiel, das vor allem in Großbritannien schon viele Jahre bekannt ist, auch in Deutschland vertrieben. Einer, der das Spiel schon davor spielte ist Philipp Bukowsky. Täglich veröffentlicht Bukowsky auf seinem Youtube-Kanal "fussballwelt.at" ein halbstündiges Video, in dem er sich beim Spielen aufnimmt. Im letzten Jahr konnte man ihm dabei zusehen, wie er versucht, den spanischen Zweitligisten Málaga zurück in La Liga und in den Europapokal zu bringen. Bis zu 80.000 Mal werden seine Videos im Monat aufgerufen.
"Als ehemaliger Nachwuchstrainer ist es bei mir eigentlich auch so, dass ich das Faible für Taktik hatte und das kam bei anderen Managerspielen in meinen Augen zu kurz. Dieser taktische Tiefgang ist es eigentlich, der für mich den größten Reiz auslöst."
Komplexe Optionen könnten Laien überfordern
Wer "Football Manager" spielt, ganz ohne fußball-taktische Vorkenntnisse zu haben, für den kann es auch schnell zur Überforderung führen. Viele der Möglichkeiten in dem Spiel sind außerordentlich komplex angelegt. Ein Beispiel: allein für die Position im zentralen Mittelfeld kann man einem Spieler fast zehn verschiedene Profile geben, sei es nun als "zurückgezogener Spielmacher" oder als "Mezzala" oder "Carrillero" – Rollen, die nur Insider schon einmal gehört haben.
"Ob Du jetzt einen Toni Kroos im zentralen Mittelfeld hast oder einen N‘golo Kanté, das sind zwei Spieler, die die gleiche Position bekleiden, aber verschiedenste Stärken haben und natürlich auch verschiedenste taktische Aufgaben. Das heißt, das Spiel kann Dir schon dabei helfen, zu zeigen, dass man eine Position auf verschiedenste Arten und Weisen interpretieren und auslegen kann."
Profis werden nach Stärken und Schwächen bewertet
Dafür wird jeder Profi in der Datenbank anhand seiner Stärken und Schwächen bewertet. Zwischen einem und 20 Punkten sind möglich in rund 40 verschiedenen Attributen wie Schnelligkeit, Passspiel oder Aggressivität und Zielstrebigkeit. Hinter den Kulissen werden noch viel mehr Daten erhoben.
"Es gibt ein Scouting-Handbuch mit über 200 Seiten, das unsere Scouts durch den Prozess der Spielerbewertung begleitet",
erklärt Entwicklungsdirektor Markham. Ein Algorithmus helfe schließlich bei der Vergleichbarkeit der Daten. Gepflegt wird die Datenbank von über 1.300 Menschen, die als Scouts fungieren, rund 30 Mal so viele, wie ein Top-Verein in der Champions League beschäftigt. Viele von ihnen sind Fans, die überall auf der Welt Daten ihrer Lieblingsclubs sammeln.
"Sie sehen alle Spiele des Vereins, der Nachwuchs- und Reserveteams. Sie kennen die Menschen dort, verfolgen den Verein auf allen Social-Media-Plattformen und kennen jede Nachricht."
Ehemaliger Profi erhebt Daten
Auch der langjährige italienische Nationalspieler Demetrio Albertini unterstützt das Netzwerk und erhebt Daten. Schon als aktiver Profi vor 20 Jahren nutzte er das Spiel auch im echten Leben, wie er in einer Fernseh-Doku über das Spiel erzählt:
"Trappatoni war damals Nationaltrainer, viele von uns haben das Spiel gespielt, Andrea Pirlo, Massimo Oddo, eigentlich das ganze Team. Wir haben dann immer Informationen über unsere Gegner aus dem Spiel an das Trainerteam weitergegeben, weil sie so realistisch waren."
Darauf setzt auch Ole Gunnar Solksjear, der Trainer von Manchester United. Jede freie Minute neben Schule und Training, sagt er von sich selbst, habe er mit dem Spiel verbracht. Und das empfiehlt er auch heute seinen Spielern:
"Ich denke, es hilft ihnen, Fußball besser zu verstehen."