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Forderung nach Rentengarantie
"Das ist auch ein klares Signal an die Rentenkommission"

Finanzminister Olaf Scholz (SPD) hat gefordert, ein stabiles Rentenniveau bis 2040 zu halten. Das sei sinnvoll, sagte die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, im Dlf. Viele Menschen hätten Angst vor Altersarmut, deshalb sei politische Verlässlichkeit wichtig.

Verena Bentele im Gespräch mit Silvia Engels |
    Die neue VdK-Präsidentin Verena Bentele spricht beim Bundesverbandstag des Sozialverbands VdK Deutschland. Der VdK vertritt als gemeinnütziger Verband mit 1,8 Millionen Mitgliedern sozialpolitische Interessen und bietet ihren Mitgliedern Sozialrechtsberatung.
    VdK-Präsidentin Verena Bentele spricht beim Bundesverbandstag des Sozialverbands VdK Deutschland (Bernd von Jutrczenka/dpa)
    Silvia Engels: Das gesetzliche Renten-Niveau soll bis 2025 nicht unter 48 Prozent sinken. Gleichzeitig soll der Beitragssatz nicht über 20 Prozent steigen. Das ist die sogenannte doppelte Haltelinie, und darauf haben sich SPD und Union in ihrem Koalitionsvertrag verständigt. Über die Rentenfinanzierung für die darauffolgenden Jahre soll eine gerade eingesetzte Rentenkommission beraten.
    Doch am Wochenende preschte Bundesfinanzminister Scholz vor. Er ruft danach, noch in dieser Legislaturperiode Vorschläge zu entwickeln, die das Renten-Niveau bis 2040 garantieren. Unions-Fraktionsvize Gröhe kritisierte, damit gefährde Scholz die Grundlagen der Arbeit der Rentenkommission.
    Am Telefon ist Verena Bentele. Sie ist Präsidentin des Sozialverbandes VdK. Das ist eine sozialpolitische Interessenvertretung, und Sozialrechtsberatung gehört auch zum Konzept. – Guten Morgen, Frau Bentele.
    Verena Bentele: Schönen guten Morgen.
    Rente ist ein entscheidendes Thema
    Engels: Was sagen Sie zum Vorstoß von Herrn Scholz?
    Bentele: Wenn wir wissen, dass 80 Prozent der 20 bis 45-Jährigen Angst haben vor Altersarmut, dann ist es, finde ich, schon richtig, dass auch eine politische Verlässlichkeit da ist. Das heißt, dass der Vorstoß von Herrn Scholz in meinen Augen wirklich eine Sache ist, über die man diskutieren muss, weil wirklich für die Menschen in Deutschland das Thema Rente ein entscheidendes Thema ist. Wenn wir wissen, wir haben "nur" bis 2025 ein garantiertes Renten-Niveau auf 48 Prozent, fragen sich natürlich viele Menschen, was wird danach sein. Ich finde wirklich es einfach jetzt auch ein klares Signal an die Rentenkommission, die ja in ihren Vorschlägen unbenommen ist, wirklich zu sagen als Bundesregierung, wir haben die Erwartung, dass sich die Menschen in Deutschland auf das Renten-Niveau verlassen können. Natürlich fordern wir als VdK immer noch einen Anstieg auf 50 Prozent des Renten-Niveaus. Aber zumindest muss sicher sein, die gesetzliche Rente ist die wichtigste Säule für die Menschen in Deutschland.
    Engels: Aber sollte die Rentenkommission nicht erst einmal in Ruhe arbeiten, ohne solche politischen Vorgaben?
    Bentele: Die Rentenkommission wird ja in Ruhe arbeiten und kann in Ruhe arbeiten. Aber dass natürlich Forderungen und viele Vorschläge kommen, ist klar. Das machen wir als Sozialverband. Und wie gesagt: Wenn die Bundesregierung jetzt schon mal eine Richtungsentscheidung vorgibt und wirklich den Menschen in Deutschland klar macht, wir wollen hier eine verlässliche Politik machen und wollen wirklich auch der Rentenkommission da schon mal einen Hinweis geben, was die Erwartung ist, finde ich, ist das schon in Ordnung.
    Lebensleistung muss sich lohnen
    Engels: Steffen Kampeter von der Bundesvereinigung der Arbeitgeber, kurz BdA, kritisiert diesen Vorstoß als puren Rentenpopulismus, da er mit seiner Vorfestlegung die Arbeit der Rentenkommission vorab diskreditiere. Das sehen Sie gar nicht?
    Bentele: Ich sehe tatsächlich nicht, dass man jetzt schon keinen Vorschlag machen darf in der Zeit, wo die Rentenkommission tagt. Die Rentenkommission hat ja noch ein paar Monate vor sich. Und wir wissen ja auch alle: Wenn was passiert im Thema Rente schon in dieser Legislatur, dann wird auf alle Fälle das nicht sein, bevor die Rentenkommission ihre Vorschläge vorlegt. Deswegen, glaube ich, gibt es da zeitlich jetzt gar nicht so viele Probleme. Aber ich bin schon der Meinung, dass man zu dem Thema Rente auch für die Bürgerinnen und Bürger eine Verlässlichkeit braucht und dass da die Parteien schon mal klar sagen müssen, wofür sie eigentlich stehen.
    Engels: Dann reden wir da einmal über Kosten. Rentenexperten sind sich ja weitgehend einig, dass diese doppelte Haltelinie, Renten-Niveau-Stabilität und Beitragsstabilität, erst nach 2025 beginnt, richtig teuer zu werden. Das liegt an der Demographie, wenn deutlich mehr Arbeitnehmer in Rente gehen als nachkommen. 2025 erwartet die deutsche Rentenversicherung drei Milliarden Mehrkosten für diese doppelte Haltelinie. Danach aber steigen die Kosten rasant an. Das Rentenkommissions-Mitglied Börsch-Supan geht davon aus, dass es 80 Milliarden Extrakosten 2035 sind. Das ist doch eine gewaltige Finanzierungslücke. Ist es denn da überhaupt seriös, dafür jetzt schon Garantien geben zu wollen?
    Bentele: Was ja immer "schön" ist an Statistik, dass niemand ganz genau weiß, ob sie dann am Ende auch stimmt. Natürlich ist das alles wahnsinnig teuer. Ich frage mich aber natürlich im Gegenzug dazu: Ist es nicht das Wichtigste, dass sich die Lebensleistung von Menschen lohnt, und ich würde das klar mit einem Ja beantworten. Deswegen würde ich mir erwarten, wenn wir schon dabei sind, was wir von der Rentenkommission erwarten, dass in der Rentenkommission diskutiert wird, wie wirklich auch die beispielsweise Zahl der Beitragszahler steigen kann, dadurch, dass auch Selbständige und andere Berufsgruppen wie Beamte mittel- bis langfristig einbezogen werden in die gesetzliche Rentenversicherung, oder inwieweit wir auch über veränderte Beiträge, wie es beispielsweise in Österreich ist, von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sprechen können. Auch das ist ein, finde ich, interessanter Vorschlag und da erhoffe ich mir gerade auch von der Rentenkommission konstruktive Vorschläge.
    Kritisch gegenüber Erhöhung des Renteneintrittsalters
    Engels: Mehr Beitragszahler ist Ihre Idee. Was halten Sie denn von Vorschlägen, das Renteneintrittsalter zu erhöhen, oder Steuererhöhungen durchzuführen?
    Bentele: Das Renteneintrittsalter zu erhöhen, das ist eine Sache, der wir als VdK Deutschland sehr kritisch gegenüberstehen, weil das für einige Berufsgruppen, für einige Menschen sicherlich gehen wird, aber gerade für Menschen in körperlich anspruchsvollen Berufen oder auch in mental belastenden Berufen ist es natürlich immer schwierig und damit schon auch eine Art von Rentenkürzungsprogramm, wenn man das Renteneintrittsalter deutlich erhöht.
    Was für mich eher eine spannende Geschichte ist, ist die Frage, inwieweit wir durch beispielsweise andere Steuermittel wie etwa die Finanztransaktionssteuer, Vermögenssteuer, Erbschaftssteuerreform, durch solche steuerpolitischen Maßnahmen natürlich auch Geld als Staat einnehmen können, das dann auch für das Thema Rente verwendet werden kann. Wenn wir wissen, dass hier einige Firmen, die wir alle kennen, Amazon, Google und Co., in Deutschland überhaupt noch keine Steuern zahlen, dann meine ich schon, dass wir hier noch einen ganz schönen guten Hebel haben, um wirklich auch die Steuereinnahmen zu erhöhen.
    Engels: Soweit zur Finanzierungsidee. – Olaf Scholz droht nun offen, bei Nichteinigung das Thema Rente 2021 in den Bundestagswahlkampf zu ziehen. Sollte die SPD das Ihrer Meinung nach tun?
    Bentele: Ich bin keine Wahlkampfberaterin für irgendwen, für irgendeine Partei, weil wir parteilich unabhängig sind als VdK Deutschland. Aber ganz klar ist, dass wir natürlich als größter deutscher Sozialverband Forderungen auch zum Thema Rente auch im nächsten Wahlkampf stellen werden, und da bin ich mir schon sehr sicher, dass auch die im Bundestag vertretenen etablierten Parteien darauf Antworten geben wollen und auch sollten.
    "Ich sehe die Gefahr absolut, dass man den Verteilungskampf schürt"
    Engels: Viele Parteien haben früher immer davor gewarnt, das Thema Rente in den Wahlkampf zu ziehen, weil es einen Verteilungskampf Alt gegen Jung schüren würde. Sehen Sie die Gefahr?
    Bentele: Ich sehe die Gefahr absolut, dass man den Verteilungskampf schürt. Die Frage ist ja immer, wie man ein Thema in den Wahlkampf einbezieht. Aber die Gefahr, dass wir im Thema Rente immer diesen Streit haben Alt gegen Jung, die sehe ich schon, und da werde ich (und das mache ich auch jetzt schon) dagegen arbeiten. Ich bin als VdK-Präsidentin auch noch eher der jüngeren Generation angehörend, und trotzdem bin ich der Überzeugung, dass Rente ein Thema ist, das mich als junge Frau genauso betrifft und interessiert wie ältere Menschen, und dass wir da nicht ein Gegeneinander haben, sondern dass wir eigentlich gemeinsam nach Wegen suchen müssen, dass sich die Lebensleistung der Menschen heute und auch in 30 Jahren, wenn ich mal in Rente gehe, lohnt.
    Engels: Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK. Vielen Dank für das Gespräch heute Morgen.
    Bentele: Gerne! Schönen Tag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.