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Forderung nach zentraler Datenbanken im Dioxin-Skandal

Im Zusammenhang mit dioxin-verseuchten Lebensmitteln fordern Verbraucherschützer Betriebe und Hersteller auf, Untersuchungsergebnisse in zentralen Datenbanken zu veröffentlichen. Grund für die immer wiederkehrenden Lebensmittel-Skandale sei auch der Billigfleischexport.

Verena Kemna im Gespräch mit Ursula Mense |
    Fleischtheke
    Fleischtheke (Jan-Martin Altgeld)
    Ursula Mense: Seit Tagen hagelt Kritik auf Verbraucherschutzministerin Aigner nieder: zu spät reagiert, die Brisanz des Skandals nicht erkannt, die Futtermittelindustrie zu Lösungen aufgefordert, statt selber welche zu entwickeln. Morgen will sie ihr Konzept vorlegen, von dem viele nicht allzu viel erwarten. Eine Ministerin ohne eigene Ideen, auch ohne Mut, weil sie niemandem weh tun will. Die Opposition geht harsch mit ihr um. Ein Totalausfall sei sie, polterte Grünen-Chefin Künast, und auch Verbraucherschützer werfen ihr vor, eher die Futtermittelindustrie zu vertreten und nicht auf Seiten der Verbraucher zu stehen. Sie fordern eine harte Gangart von der Politik und strengere Kontrollen. - Verena Kemna in Berlin, was genau schlagen die Verbraucherschützer denn vor?

    Verena Kemna: Sie fordern umfassende Informationen. Alle Betriebe und Hersteller, sämtliche Untersuchungsergebnisse, die sich aus dem Dioxin-Skandal ergeben, sollen in einer zentralen Datenbank veröffentlicht werden. Außerdem müsse der Handel garantieren, dass nur sichere Lebensmittel verkauft werden. Zu den politischen Konsequenzen zählt für die Verbraucherschützer vor allem eine einheitliche Überwachung der Futter- und Lebensmittelindustrie. Höhere Lebensmittelpreise dagegen seien kein Schutz vor Skandalen, meint Gerd Billen, Geschäftsführer vom Verbraucherzentrale Bundesverband.

    O-Ton Gerd Billen: Wir haben im letzten Jahr Diskussionen gehabt über Analogkäse, also Unternehmen, die versuchen, Milch durch anderes zu ersetzen, und ich glaube, es gibt auch Anreize, dass man vor allem über die Futtermittel - das ist eben die Achillesferse dieses Systems - immer versucht, entweder gefährliche Dinge, oder minderwertige Dinge, Abfallstoffe in die Futtermittel reinzupacken.

    Kemna: Grundsätzlich sei die Sicherheit der Lebensmittel in Deutschland hoch. Das würden auch Tests der Verbraucherzentralen immer wieder demonstrieren. Doch die Lücken in der Überwachungskette seien offensichtlich.

    O-Ton Gerd Billen: Der Staat hat sich zu sehr auf Eigenkontrollen verlassen, er hat sich zu sehr darauf verlassen, dass die Unternehmen schon auch schlechte Untersuchungsergebnisse melden werden. Das tun sie nicht und von daher, meine ich, muss man hier die Lebensmittelüberwachung ganz deutlich auf den Prüfstand stellen und man muss dafür sorgen, dass im Futtermittel wirklich nur Rohstoffe eingearbeitet werden, die sauber sind, die in Ordnung sind und die nicht mit Abfällen und Giften belastet sind. Das ist sozusagen der Handlungsbedarf, der sich aus diesem konkreten Dioxin-Skandal ergibt.

    Kemna: Martin Rücker von Foodwatch hält die Pläne von Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) für nicht ausreichend. Es reiche nicht aus, dass Futtermittelfette und Industrieschmierstoffe getrennt produziert werden.

    O-Ton Martin Rücker: Wir erwarten, dass die Bundesregierung die Futtermittelhersteller per Gesetz verpflichtet, jede einzelne Charge jeder Futtermittelzutat, bevor das ganze zu einem Mischfutter vermengt wird, auf Dioxin hin zu untersuchen. Diese Ergebnisse müssen dokumentiert werden, so dass die Behörden eine Möglichkeit haben, das zu überprüfen. Und alle Chargen, die mit Dioxin-Werten oberhalb der Grenzwerte belastet sind, müssen nachweislich entsorgt werden.

    Kemna: Als Konsequenz aus den Dioxin-Skandalen der vergangenen Jahre müsse sichergestellt werden, dass Gesundheitsschutz Priorität hat und vor den wirtschaftlichen Interessen der Futtermittelindustrie rangiert. Mit Steuergeldern unterstützte Billigfleischexporte sind nach Ansicht von Foodwatch mit ein Grund für immer wiederkehrende Futtermittelskandale in Deutschland. Martin Rücker von Foodwatch fordert von der Futtermittelindustrie eigene Kontrollen und er fordert entsprechende Gesetzesvorgaben von Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU). - Mit diesen Informationen gebe ich zurück nach Köln.

    Mense: Danke an Verena Kemna nach Berlin.