Es sind Kleinigkeiten, die zeigen, welchen Stellenwert Peter Bürger bei seinen Schützlingen hat. In einer Glasvitrine in seinem Laden steht eine fingergroße Figur von Sebastian Vettel, Arm in Arm mit einer Mini-Ausgabe von Peter Bürger. Ihre Köpfe sind überproportianal groß, Bürgers rundes Gesicht mit verschmitzten Grinsen kommt gut zur Geltung. Beide sind von einer Art Glasdach geschützt, auf dem steht: "Lieber Peter, vielen Dank für deine Unterstützung 2011. Was ein geiles Jahr! Dein Sebastian"
"Eine geschäftliche Freundschaft verbindet uns allemal. Wir kennen uns eben lange und gut. Und wir sitzen auch schon mal eben beim Sebastian im Zimmer, Sonntagsmorgens, wenn er vor dem Rennen massiert wird und hören Schlager oder lenken uns irgendwie ab, erzählen Witze, solche Dinge. Das macht man nicht mit jemanden, den man nicht gerne um sich herum haben möchte."
Kopf als verletzlichste Körperteil
Hauptaufgabe ist es aber, dafür zu sorgen, dass die Helme von Sebastian Vettel und fünf weiteren Fahrern perfekt vorbereitet sind, wenn diese ins Auto steigen. Der Helm ist für Formel-1-Fahrer ein persöhnlich wichtiger Gegenstand - kein Wunder, schließlich ragt der Kopf als einziges Körperteil ohne weiteren Schutz aus dem Fahrzeug heraus.
"Deswegen bezeichne ich meinen Job auch immer als 50 Prozent technisch und 50 Prozent psychologisch, dass heißt, alleine die Tatsache, dass ich da bin und mich drum kümmer, gibt schon so eine gewisse Entspannung, weil sie wissen: Wenn ich das nächste Mal ins Auto steige, ist der Helm gut vorbereitet, das Visier ist das, was ich will, und die Abreißvisiere sind so, wie ich sie haben will, der Funk funktioniert und der Trinkschlauch passt - das sind einfach 100 Kleinigkeiten, auf die man achten muss, wenn man mit den Herren arbeitet."
Eine Entscheidung, die das ganze Leben verändert
Seit 20 Jahren arbeitet Bürger in der Formel 1, im Auftrag des japanischen Helmherstellers Arai. Begonnen hat diese Verbindung in den 80er Jahren, als Bürger noch selber Kart fuhr. Aus Frust darüber, dass es keine guten Läden für Rennfahrer Ausrüstung gab, machte Bürger selber einen auf. 1997 erhält er dann von Arai das Angebot, die Formel-1-Helme der Firma während der Rennwochenenden zu warten.
"Der erste Gedanke, den man hat, ist natürlich: Ja, ja, ja, ja, natürlich mach ich das! Aber ich glaube, schon eine Stunde später realisiert man, was das für Veränderungen ins Leben bringt."
Komplizierte Testverfahren
Am Ende sagt Bürger trotzdem zu - und überprüft seitdem nach jeder Session, ob alle Bestandteile des Helms noch in Ordnung sind. Die Außenhülle besteht aus dem gleichen Material wie ein Großteil des Wagens: Carbon - sehr steif, ideal, um die Energie von Stößen aufzunehmen, bevor sie auf den Kopf trifft. Darunter: Eine Innenschale aus Hartschaumstoff, mit dem gleichen Ziel. Dazu mit Nomex, einem schwer entflammbaren Material, überzogen. Alles dauerhaft auf dem Prüfstand.
"Die Helme werden auf einer sehr komplizierten Apparatur auf Hindernisse aufgeschlagen, mit einem Kunstkopf innen drin, der wird dann fallen gelassen aus unterschiedlichen Höhen auf unterschiedlich geformte Hindernisse. Es gibt scharfkantige, runde, flache, die also verschiedene Gegenstände simulieren."
Manchmal rettet es Leben
Mit Sensoren im Kunstkopf messen die Tester, welche Kräfte wirken - 300 G muss der Helm aushalten, ohne beschädigt zu werden. Das Visier wird nochmal extra überprüft.
"Das wird getestet mit einer kleinen Metallkugel, die drauf geschossen wird. Die erreicht 500 Stundenkilometer, trifft dann auf das Visier auf und darf nicht durchgehen. Das wird dann anschließend nochmal mit einer 790 Grad Propangasflamme erhitzt und die darf auch in 30 Sekunden diese verwundete Stelle nicht durchschlagen."
Wie wichtig die Visiere sein können, zeigt sich 2009, als Felippe Massa bei voller Fahrt von einer Sprungfeder am Kopf getroffen wird. Die Feder schlägt Massa zwar bewusstlos, aber er überlebt. Anders als Jules Bianchi, der 2015 in Suzuka in einen Bergungsfahrzeug kracht, ins Koma fällt und im Sommer 2016 verstirbt.
Die Entwicklung ist noch nicht zuende
Man könnte zu dem Zeitpunkt nicht mehr machen, als das, was man getan hat. Ob Erkenntnisse daraus in die nächste Homologationsstufe einflussen, da glaube ich schon fest dran, dass das so ist, aber das braucht halt auch schon seine Zeit und im Moment geben die Materialen, die zur Verfügung stehen in der Welt, nicht mehr her. Motorsport is dangerous und das ist eben eine große Gefahr, in die man sich begibt.
Der Fall Bianchi zeigt, dass selbst die ausgefeilteste Technologie in manchen Formel-1-Momenten an ihre Grenze gerät.