Das ist sie wieder, die Brücke. Die Brücke, die Wade Bohn im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben mehrere Millionen Dollar gekostet hat. Direkt vor seiner Tankstelle, unweit vom Las Vegas Strip entfernt, an der Kreuzung von Koval Lane und Flamingo Road. Koval Lane ist für ein paar Tage Teil der Formel-1-Rennstrecke – und um die überqueren zu können, braucht es die provisorische Brücke auf Flamingo Road.
Ein Albtraum, sagt Bohn – denn normalen Durchgangsverkehr gibt es seit Mitte September kaum noch. Kunden tanken und kaufen weniger ein. Dabei war er ekstatisch, als er gehört hatte, dass die Formel 1 nach Las Vegas kommt. Er hatte auf ein gutes Geschäft gehofft.
Formel 1 "hat mein Geschäft zerstört"
Statt des großen Geldes gab es dann im vergangenen Jahr aber großen Frust. Für das Rennen wurden die Straßen mehrmals neu geteert. Mehr als ein halbes Jahr lang ist der Strip eine Dauerbaustelle. Mit Bohn mittendrin.
"Weil ich direkt an der Strecke bin, hat das mein Geschäft zerstört. 2022 habe 9,6 Millionen Dollar Umsatz gemacht. Dann kommt die Formel 1 in die Stadt und ich mache 3,4 Millionen weniger Umsatz. Und ich hatte keine Chance, das Geld wieder reinzuholen."
Bohn ist nicht der einzige Betroffene. Zwei Restaurants und zwei Casinos haben die Formel-1-Veranstalter-Firma ebenfalls auf Schadenersatz verklagt. Eine Entscheidung steht noch aus.
Rennen in Las Vegas für Formel-1-Veranstalter besonders lukrativ
Das Formel-1-Rennen in Las Vegas ist ein weiteres Beispiel dafür, wie Organisatoren von großen Sportveranstaltungen sehr viele Möglichkeiten erhalten, ihren Profit zu maximieren – während kleinere und lokale Unternehmen häufig eingeschränkt werden.
Im Fall der Formel 1 ist es vor allem das Inhaber-Unternehmen Liberty Media, das profitiert. Zum ersten Mal ist Liberty selbst Veranstalter eines Grand Prix und erzielt damit mit Ticketverkäufen und Sponsoring zusätzliche Einnahmen. Das Rennen in Las Vegas habe doppelt so viel Geld wie andere Grand Prix eingebracht, so Liberty CEO Greg Maffei im Formel-1-eigenen Podcast. Allerdings auch bei deutlich höheren Kosten.
Einen Teil der hohen Kosten hat der Neubau der Boxenanlagen verursacht – das fällt in diesem Jahr weg, genauso wie die Kosten für den neuen Straßenbelag.
Der Premieren-Hype ist vorbei
Allerdings wird auch der Umsatz in diesem Jahr nicht so hoch sein. Der Premieren-Hype ist vorbei. Der Ticketverkauf verlief schleppend. Und der Eintritt ist zwar immer noch teuer – wer will, kann mehrere tausend Euro ausgeben – aber die Preise sind gesunken.
Dass die Nachfrage längst nicht mehr so groß ist, zeigen auch Preise für die Unterkünfte. Laut lokalen Medienberichten sind die Preise für AirBnB-Zimmer um mehr als zwei Drittel gesunken. Hotels kosten durchschnittlich nur halb so viel wie vor einem Jahr. Die großen Hotelketten sind aber trotzdem weiterhin große Profiteure des Rennens.
"Die Formel 1 ist wichtig für MGM. Las Vegas ist inzwischen so etwas wie die Welthaupstadt des Sports, mit Eishockey, Football und jetzt der Formel 1. Vor dem Rennen war das ein totes Wochenende – jetzt ist es unser größtes Wochenende!", sagt MGM-International Vizepräsident Andrew Lanzino gegenüber dem Nachrichtenportal Las Vegas SportsBiz. Alleine mit ihren 3600 All-Inklusive-Exklusivtickets nimmt die Hotelkette 45 Millionen Dollar ein. Hinzu kommen noch die Einnahmen aus dem allgegenwärtigen Glücksspiel.
Beschwerden über Verkehrsbehinderungen
Auf der einen Seite bringt das Rennen also finanzstarke Urlauber in eine Stadt, in der viele Menschen vom Tourismus leben. Gleichzeitig ist der Aufwand, eine Rennstrecke Mitten in der Stadt auf- und abzubauen enorm.
Vor der zuständigen Verwaltungskommission beklagen sich deswegen bei Anhörungen zur Formel 1 regelmäßig Kellnerinnen oder Casino-Angestellte über die Verkehrsbehinderungen, die es erschweren, rechtzeitig zur Arbeit zu kommen.
"Die Formel 1 behauptet, das Rennen war ein Erfolg, aber für die Bewohner und Arbeiter war es das nicht. Für viele von uns waren die Schmerzen und Leiden, die wir im Verkehrschaos erlebt haben, das Geld nicht wert, das wir eingenommen haben", bemängelt zum Beispiel die Cocktail-Mixerin Aileen Scott.
Die Verantwortlichen der Formel 1 haben reagiert: In diesem Jahr gab es eine breite Informationskampagne, wann welche Straßen gesperrt sein werden. Und die meisten Arbeiten wurden während der Nacht durchgeführt.
Mitglied der Verwaltungskommission stellt Rennen in Frage
Die Beschwerden scheinen aber auch politische Wirkung gezeigt zu haben. In einem Interview mit einem lokalen Fernsehsender stellt ein Mitglied der siebenköpfigen Verwaltungskommission, Tick Segerbloom, den Grand Prix in Frage: "Ich denke, wir müssen uns alle die Frage stellen: Ist es das wert? Ein paar Hotels haben profitiert, aber im Rest der Stadt lief es nicht so gut, zumindest letztes Jahr. Jetzt zahlt die Tourismusbehörde für ein Konzert Downtown, damit auch dort Menschen hingehen. Aber irgendwann müssen wir evaluieren, ob die Mühen es wert sind."
Tankstellenbesitzer Wade Bohn hat diese Frage für sich schon beantwortet: "Las Vegas braucht die Formel 1 nicht. Die Formel 1 braucht Las Vegas."
Und indirekt bestätigt Renee Wilm, Geschäftsführerin des Las Vegas Grand Prix, bei der Vorstellung der aktuellen Quartalszahlen, wie wichtig das Rennen für die Zukunft der Rennserie ist: "Wir bleiben natürlich sehr zuversichtlich, dass Vegas dem Ökosystem der Formel-1 Vorteile bringt. Wir sehen das Sponsoren-Abschlüssen. Und nächstes Jahr wird in den USA ein neuer TV-Vertrag verhandelt. Auch erhoffen wir uns Vorteile, wenn diese Diskussionen starten."
Mindestens ein weiteres Rennen wird es in Las Vegas im kommenden Jahr noch geben. Danach gibt es die Option, um weitere sieben Jahre zu verlängern. Und zumindest die Verantwortlichen der Formel 1 werden dazu kaum nein sagen.