Andretti. Kaum ein anderer Name steht so für Motorsport in den USA. Begonnen hat die Rennfahrer-Dynastie mit den Erfolgen von Mario Andretti: viermal Indycar-Champion, 1978 Formel-1-Weltmeister. Jetzt kehrt Andretti in die Königsklasse zurück: Als Mitglied im Aufsichtsrat des neuen Teams GM/Cadillac, das ab 2026 in der Formel 1 starten wird.
Es gehe jetzt mit Vollgas Richtung Formel 1, so Mario Andretti gegenüber dem US-TV-Sender CBS. Fehlen wird allerdings derjenige, der in den vergangenen Jahren die Grundlagen dafür gelegt hat: Marios Sohn Michael Andretti, ebenfalls erfolgreicher Rennfahrer und Teambesitzer in US-Rennserien.
Wirtschaftswissenschaftler: Formel 1 sucht herausragende Marken
Der hatte jahrelang daran gearbeitet, ein Team unter dem Namen Andretti/Cadillac in die Formel 1 zu bringen. Seine Bewerbung als elftes Team lehnt die Formel 1 aber Anfang des Jahres mit einem öffentlichen Statement brüsk ab. Das Team biete keinen Mehrwert für die Formel 1.
„Die Formel 1 ist auf der Suche nach herausragenden Marken, die über viele Jahre mit dabei sein können und einen Mehrwert bieten. Was auch heißt: Die Show verbessern, indem sie vorne mitfahren“, erklärt Paolo Aversa. Der Wirtschaftswissenschaftler forscht am King`s College in London unter anderem zu Geschäftsstrategien in der Formel 1.
Die Formel 1 bekommt durch GM/Cadillac ein neues Werksteam
Der Name Andretti reicht der Formel 1 nicht. Und Michael Andretti hat das Projekt im Oktober wohl auch verlassen, weil es zu persönlichen Streitigkeiten zwischen ihm und führenden Formel-1-Funktionären gekommen sein soll.
Stattdessen verpflichtet sich General Motors, sich deutlich mehr als ursprünglich geplant zu engagieren. Der größte US-Autohersteller baut für 2026 ein eigenes Auto – ein guter Zeitpunkt, weil sich zu dieser Saison das Reglement ändert und alle Teams neue Boliden entwickeln müssen. Und ab 2028 will GM dann auch eine eigene Antriebseinheit herstellen.
Die Formel 1 bekommt damit, was sie möchte: ein neues Werksteam.
Kein großer Widerstand von etablierten Teams
Eine gute Entwicklung, findet der ehemalige Mercedes-Benz Motorsportchef Norbert Haug.
„Ich bin ein Freund des Wettbewerbs und deswegen begrüße ich immer – im Gegensatz zu vielen Teamchefs – das elfte Team. Natürlich bleibt man da gerne unter sich, da gibt es eine ganz simple Mathematikrechnung: Eine Milliarde geteilt durch zehn, da bleibt ein bisschen für den Einzelnen wie eine Milliarde geteilt durch elf.“
Denn ein Teil der Einnahmen der Formel 1 werden an die teilnehmenden Teams verteilt, je nach Platzierung in der Konstrukteurswertung. Dass sich die etablierten Teams jetzt trotzdem entschieden haben, keinen größeren Widerstand zu leisten, ist für Paolo Aversa ein gutes Zeichen.
Formel 1 hofft durch GM/Cadillac auf steigende Einnahmen
„Das bedeutet, dass der Kuchen in der Formel 1 größer wird. Die etablierten Teams sind optimistisch, dass der neue Rennstall den Kuchen größer machen wird, sodass jeder ein größeres Stück bekommt.“
Mittelfristig könnte GM/Cadillac dafür sorgen, dass die Formel 1 durch Medienrechte und Sponsoring auf dem wachsenden US-Markt höhere Einnahmen erzielt. Darauf verlassen sich die etablierten Teams aber nicht: GM wird eine Antrittsgebühr von mehreren hundert Millionen Dollar zahlen, die gleichmäßig an alle anderen Teams ausgezahlt wird.
Einstieg für GM eine Investition von mehreren hundert Millionen Dollar
Hinzu kommen die Kosten für die Entwicklung des Autos. Die sind inzwischen aber gedeckelt. Ungefähr 215 Millionen Dollar dürfen die Teams für die Entwicklung der neuen Boliden für die Saison 2026 ausgeben.
Im Moment ist es kostspielig, aber es nicht so unglaublich hoch wie es vor einigen Jahren war. Und man erhält im Gegenzug Sichtbarkeit und Potential für technische Entwicklung. Es ist eine gute Zeit, um einzusteigen, deswegen gibt es so viel Interesse, sagt Formel-1-Experte Aversa.
In der Tat ist General Motors nicht der einzige Hersteller, der die neuen Regularien der Saison 2026 für einen Einstieg nutzt. Honda und Ford kehren als Motorenlieferanten zurück, Audi steigt durch den Kauf des Sauber-Rennstalls als eigenständiges Team ein.
Durch Kostendeckel sind Gewinne für Formel-1-Teams möglich geworden
Die Hersteller haben erkannt: Durch den Kostendeckel ist es inzwischen durchaus möglich, langfristig sogar Geld zu verdienen. Norbert Haug verweist zum Beispiel darauf, dass das Formel-1-Team von Mercedes im Jahr 2023 mehr als 100 Millionen Dollar Gewinn gemacht hat.
„Allerdings: Bis man das Geld verdient, was Mercedes in der Formel 1 verdient, muss man eine lange Wegstrecke gehen und sehr erfolgreich sein.“
Formel 1 bietet für GM die Möglichkeit, ein neues Image aufzubauen
Als Mercedes in die Formel 1 eingestiegen ist , sei das Ziel ein anderes gewesen: nämlich Autos zu verkaufen. Der Motorsport sei ein Instrument gewesen, um Mercedes auf dem Markt zu positionieren. „Der Motorsport war für uns nicht `brumm brumm` und wer kriegt den größten Pokal, sondern wer kriegt die meisten Kunden?“
Das gleiche Ziel hätten jetzt auch Audi und GM, so Haug. Diese Einschätzung teilt auch Wirtschaftswissenschaftler Paolo Aversa.
„Du wirst nicht zum bekanntesten Autohersteller der Welt, weil du die meisten Autos produziert. Du wirst zum größten Hersteller der Welt für das, was die Autos bedeuten. Wenn sie für Massenproduktion stehen, bedeutet das Sichtbarkeit, aber keine Anziehungskraft. Die Anziehungskraft erreicht man nur dadurch, auf höchstem Niveau Rennen zu gewinnen.“
Experten trauen GM/Cadillac ein konkurrenzfähiges Auto zu
Sowohl Aversa als auch Haug trauen das GM/Cadillac zu, wenn auch nicht sofort. Es brauche Erfahrung, alle Gewerke zu einem Team zusammenzuführen und auch mit Rückschlägen umzugehen, so Haug.
„Vor allem darf es kein sogenanntes Fingerpointing geben, wie man im Englischen sagt. Der Motor ist gut, aber das Chassis ist schlecht – oder umgekehrt. Das wird jetzt für Cadillac und Audi die große Herausforderung sein.“
Eines steht aber jetzt schon fest: Ab 2026 werden in der Formel 1 so viele Automarken wie seit langer Zeit nicht mehr ins Rennen gehen.